Anders als im vergangenen Jahr, gelang es diesmal den gegenwärtig letzten überproportional großen Naziaufmarsch in Deutschland zu blockieren. Zwar ist das letzte Wort in Sachen Nazigroßaufmarsch rund um den 13. Februar in Dresden, anders als bei den Aufmärschen in Wunsiedel und Halbe, sicher noch nicht gesprochen. Aber die Selbstverständlichkeit mit der Nazis alljährlich in Dresden aufmarschierten, gehört der Geschichte an.
Zu verdanken ist dies den Bündnissen „Dresden Nazifrei!“ und „No Pasarán“, die etwa 12.000 Menschen nach Dresden mobilisieren konnten. Tausende in erfolgreichen Massenblockaden und viele, die in der umliegenden Gegend auf unterschiedlichste Art und Weise aktiv waren, sorgten für eine derart unübersichtliche Situation, so dass die Polizei den Aufmarsch der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland schließlich aus Sicherheitsgründen untersagte.
Bereits um 9:00 Uhr trafen sich ca. 30 Nazis der Ordnerstruktur, die in diesem Jahr maßgeblich von Aktivisten des „Freien Netz“ gebildet wurde. Durch die Massenblockaden wurde die Anreise der Nazis massiv behindert und bis 12 Uhr hatten gerade einmal knapp 1.000 den Auftaktkundgebungsplatz am Bahnhof Neustadt erreicht. Die Organisatoren der JLO waren unfähig, auf die im Gegensatz zu den letzten Jahren veränderte Situation zu reagieren und etliche PKWs und Reisebusse landeten mitten unter den antifaschistisch Aktiven.
In dieses organisatorische Vakuum stießen altbewährte Strukturen von NPD und Kameradschaftsszene. Angeleitet von Thomas Wulff und Manfred Börm sammelten sich gegen 12 Uhr innerhalb einer halben Stunde mehr als tausend Nazis kurz hinter der Autobahnabfahrt Wilder Mann in Dresden und begannen eine Demonstration. Diese führte sie über 4,5 km die Großenhainer und Maxim-Gorki-Straße entlang, durch die Hechtstraße bis zum Bahnhof Neustadt. Die Anzahl der Nazis wuchs während dessen durch ständig weiter ankommende Reisebusse am Wilden Mann auf zwischen 3.000 und 4.000 an. Aus dem Demonstrationszug heraus, der teilweise in Blöcken, mit Transparenten und Ordnerstruktur lief, griffen immer wieder größere Nazigruppen GegendemonstrantInnen an. Wie im letzten Jahr begleitete die Polizei den ca. 1 km langen Zug lediglich am Anfang und am Ende und verzichtete auf jede Form von Spalier. Die Sammlung der Nazis an einem Ort, dem Bahnhof Neustadt, war für sie von zentraler Bedeutung, dafür räumte die Polizei die Blockade am Bischofsplatz.
Etwa 6.500 Nazis und damit etwas weniger als im vergangenen Jahr nahmen schließlich an der Veranstaltung teil. Wie zu erwarten, war ein Großteil dessen, was in der Szene Rang und Namen hat, nach Dresden gekommen. NPD-Prominenz aus Bundes-, Landes- und Regionalebene war zugegen. Von Burschenschaftern, Kameradschaften, über „Russlanddeutsche in der NPD“, und „Autonome Nationalisten“ bis hin zu „ZeitzeugInnen“ reichte das braune Potpourrie. Aus vielen Ländern waren kleine Delegationen angereist, so aus Schweden, Norwegen, Frankreich, Italien, Östereich, Griechenland, Spanien, Belgien und den Niederlanden. Etwa 200 kamen aus Tschechien und der Slowakei.
Wenige Stunden zuvor, um 11:00 Uhr, fand auf dem Dresdner Heidefriedhof die offizielle Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung statt. Wie erstmals 2009, hielt Oberbürgermeisterin Orosz auch in diesem Jahr wieder eine Rede. Die Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern jenseits von Offiziellen und Delegationen der Parteien hatte im Vergleich zu den Vorjahren weiter abgenommen, so dass die ca. 100 teilnehmenden Nazis, unter ihnen auffällig wenige der NPD-Landtagsfraktion dafür aber etwa 60 jüngere Nazis in Marschformation, etwa die Hälfte der Anwesenden an dieser Veranstaltung stellten.
Wie bereits in den vergangenen Jahren rief das „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ (AgV) zu einer sogenannten Aktionswoche auf um an vielen Orten an Dresden zu erinnern. Vom 8. bis 14. Februar fanden diverse Kleinst- und Propagandaaktionen statt, die allerdings kaum öffentliche Wirkung entfalteten. Auffällig dabei war die verstärkte Aktionstätigkeit in den alten Bundesländern. Am Vorabend des 13. Februar führten die Nazis eine Saalveranstaltung mit Edda Schmidt, Vorsitzende der NPD-Organisation „Ring nationaler Frauen“, durch und konnten dabei auf den bereits vom JN-Landeskongreß im November 2008 bewährten Ort, die Gaststätte „Steinhaus“ in Dresden Pieschen zurückgreifen. Mit der obligatorischen Kranzniederlegung endete die Woche wie im letzten Jahr auf dem Dresdner Nordfriedhof.
Nachdem es 2009 bei An- und Abreise zum Großaufmarsch der JLO zu Übergriffen auf Linke kam, gingen die Nazis in diesem Jahr bereits im Vorfeld des 13. Februar aggressiv und gewalttätig gegen antifaschistisch Aktive vor. In Berlin-Neukölln wurde das Büro von Bündnis 90/Die Grünen zweimal mit „Dresden ’45 unvergessen“ beschmiert. In Dresden wurde eine Mobilisierungskundgebung des Bündnisses „Dresden nazifrei!“ in der Innenstadt von ca. 15, darunter stadtbekannten Nazis, gestört.
Nach dem gescheiterten Aufmarsch randalierten ca. 400 Nazis in Pirna und zerstörten das dortige SPD-Wahlkreisbüro. Der Stolpener NPD-Stadtrat Martin Schaffrath und Marco Schitzkat aus dem damaligen Umfeld der verbotenen Skinhead Sächsische Schweiz (SSS) wurden vorläufig festgenommen. Am Dienstag wurde ein ehemaliger Kreistagskandidat der Linken auf offener Straße in Pirna tätlich angegriffen und in der darauffolgenden Nacht wurde das Wahlkreisbüro der Partei „Die Linke“ in Borna mit rechten Parolen und „Krieg hat begonnen“ beschmiert. In der Nacht zum Donnerstag, 19. Februar, schließlich brannte das Auto des Geschäftsführers des KV-Sächsische Schweiz/Osterzgebirge der Partei aus. Wenige Tage zuvor war der langjährige Dresdner Anti-Antifa-Aktivist Sven Hagendorf dabei beobachtet worden, wie er Haus und Auto in Pirna ausspionierte und fotografierte.