Gemeinsame Mitteilung des a.l.i.a.s. dresden und ART dresden
2008 fanden in Sachsen mindestens 376 Veranstaltungen und Aktionen statt, die von organisierten Neonazis vorrangig aus dem Spektrum der so genannten „Freien Kräfte“ verantwortet werden. Die Vielzahl der Aktivitäten über Konzerte, Demonstrationen und Kundgebungen, Vortragsveranstaltungen bis hin zu organisierten Propagandaaktionen aber auch Straßentheater, Stören von Veranstaltungen politischer Gegener u.a.m. verdeutlichen nicht nur die gewachsene Flexibilität der Szene, sondern auch ihre Aktionsfähigkeit sowie ihr logistisches Knowhow. Denn der weitaus größte Teil der Aktivitäten wird in der Regel nicht öffentlich organisiert und nur szene-intern mobilisiert.
Das a.l.i.a.s. dresden und das art dresden werteten für die hier vorliegende Aufstellung ausschließlich öffentlich zugängliche Quellen aus. Des Weiteren wurde eine Vielzahl ebenfalls bekannt gewordener Veranstaltungen und Aktivitäten nicht berücksichtigt. So finden beinahe flächendeckend in Sachsen in der Regel ein- bis zweiwöchentlich Treffen der Kreis- und Ortsverbände der NPD statt, die keine Beachtung fanden. Genauso wenig wie im Zusammenhang mit dem Wahlkampf stattgefundene Infotische, Info-Veranstaltungen und Propaganda-Aktionen. Auch die zahlreich stattgefundenen gewalttätigen Übergriffe, Brandanschläge und spontan verübten Propagandaaktionen wurden nicht mitgezählt.
2008 fanden in Sachsen mind. 59 neonazistische Demonstrationen/Spontandemonstrationen und Kundgebungen statt. An mind. 39 weiteren Demonstrationen und Kundgebungen beteiligten sich Neonazis in organisierter Form. Inhaltlicher Schwerpunkt war hier die Thematisierung des Mordes an der Achtjährigen Michelle aus Leipzig. Unter dem Motto „Todesstrafe für Kinderschänder“ wurden eine Reihe öffentlicher Aufzüge veranstaltet. Zudem beteiligten sich fast wöchentlich Neonazis aus dem Spektrum des Freien Netz Zwickau an den so genannten Montagsdemonstrationen in Zwickau.
Im Bereich der Musikszene wurden mind. 48 durchgeführte neonazistische Konzerte bekannt (2007:51). Größtenteils traten dabei neonazistische Bands aus Sachsen auf, aber auch aus dem europäischen Ausland. In der Regel beträgt die Teilnehmerzahl an solchen Konzerten etwa 150 bis 200 Personen. Der scheinbare Rückgang beruht auf der fortgesetzten Tendenz der Szene, Konzerte konspirativ durchzuführen. Es kann aber erfahrungsgemäß von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden. Gleichzeitig setzte sich der Trend aus den Vorjahren fort, neonazistische Konzerte zunehmend in privat angemieteten Räumlichkeiten stattfinden zu lassen, was ein Eingreifen der Sicherheitsbehörden juristisch erschwert.
Ein weiterer Schwerpunkt neonazistischer Aktivitäten lag 2008 in Sachsen deutlich im subkulturellen und vorpolitischen Raum. Es wurden insgesamt 230 derartige Aktivitäten bekannt. Darunter waren 38 Vortragsveranstaltungen, die oftmals mit Referaten ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS und Wehrmacht stattfanden. Diese „Zeitzeugen der Erlebnisgeneration“ dienen als Vorbilder für die Szene. Mindestens 20 mal störten organisierte Neonazis Veranstaltungen politischer Gegner. 36 mal wurden anlassbezogene Propaganda-Aktionen und 46 mal anlassbezogene Sprühaktionen bekannt. Diese fanden vorrangig im Zusammenhang mit für die Szene wichtigen Daten statt. (Todestage von Rudolf Hess und Horst Wessel, 13. Februar) 90 weitere Aktivitäten wurden von Neonazis durchgeführt, darunter Gedenkveranstaltungen (Volkstrauertag, 17. Juni 1953), Fussballturniere, Sonnwendfeiern, Fahrtenlager, u.a.m..
Carl Clausen vom a.l.i.a.s dresden stellt hierzu fest: „Mit mindestens 376 Veranstaltungen und Aktionen, die 2008 von Neonazis in Sachsen oftmals konspirativ durchgeführt wurden, zeigt die Szene ihre Handlungsfähigkeit und Agilität. Obgleich keine direkten Vergleichsdaten zum Vorjahr vorhanden sind, kann doch von einem Zuwachs ausgegangen werden. Das Aktionsniveau sächsischer Neonazis hat sich 2008 deutlich erhöht.“