Als am 05. August 2010 am Quitzdorfer Stausee das Deutsche-Stimme-Pressefest mit ca. 2.000 TeilnehmerInnen stattfand, war dies nur der vorläufige Höhepunkt in einer langjährigen Kontinuität neonazistischer Veranstaltungen am See. Zuvor veranstaltete die NPD ihren „Wahlkampfauftakt 2009“ im Frühjahr 2009 und im Juni 2010 führten die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) den „3. JN-Sachsentag“ auf dem Gelände durch.
Seit Ende der 90er Jahre ist das Gebiet bekannt als Austragungsort einer Vielzahl von Treffen und Aktionen von Neonazis. Zuerst entdeckte das „Jung Nationale Spektrum“ (JNS) das Gelände für sich, später die „Organisation dianoetisch-alternativer Lebensauffassung“ (O.D.A.L.) – beide maßgeblich beeinflusst vom damaligen Neonazi-Kader Udo Hempel. Auch die regionale Kameradschaft „Schlesische Jungs“ aus Niesky, genauso wie die „Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO, heute: Junge Landsmannschaft Ostdeutschland) oder die JN nutzten das Gelände. Ebenfalls fanden hier eine Reihe neonazistischer Konzerte statt.
Die Kontinuität der Neonazi-Aktivitäten verwundert nicht. Ist doch der Betreiber bzw. Inhaber des Geländes kein Unbekannter. Ende der 90er Jahre kamen der aus Bayern stammende Helge Redeker und seine Frau Änne nach Ostsachsen. Schnell fanden sie nach eigener Aussage Gefallen an einem verfallenen ehemaligen Bungalow-Feriendorf direkt am Quitzdorfer Stausee bei Niesky in Ostsachsen. Inzwischen betreiben die beiden eine Vielzahl am See gelegener Grundstücke. Dazu gehören unter anderem Gaststätten und Ferienbungalows aus ihrem Besitz oder Pachtverhältnissen.
Der 1960 geborene Zollinspekteur Redeker ist mindestens seit den 80er Jahren in der rechten Szene zu verorten. Ausweislich einer Internet-Quelle unternahm er 1984 gemeinsam mit dem Holocaust-Leugner Germar Rudolf eine Fahrt in die damalige Tschechoslowakische Republik. Mit dem Publizisten Dietmar Munier war er Gründer und Geschäftsführer der „Gesellschaft für Siedlungsförderung Trakehnen“. Diese verfolgte, ausgestattet mit 500.000,- DM Grundkapital, im ehemaligen ostpreußischen Gebiet um Trakehnen „die Förderung des Baus von Siedlungen (…) für Wohn- und Nebenerwerbs- und Gewerbezwecke, insbesondere durch die Beschaffung von Siedlungsland, die Planung und Finanzierung der Siedlungsvorhaben, die Vergabe von Bauaufträgen, die Verwaltung der geschaffenen Siedlungsobjekte und ggf. deren Veräußerung an die Siedler.“
Ähnliche Zwecke verfolgte der „Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e.V.“. Dem stand Redeker als 2. Vorsitzender vor. Zudem trat er als Redner bei einigen Jahreshauptversammlungen auf. 1998 referierte er beispielsweise „ Zum aktuellen Stand unserer Arbeit und zur politischen Lage in Nord-Ostpreußen“. Ebenfalls als Redner trat er beim 30. Treffen des „Vereins Dichterstein Offenhausen“ im Frühjahr 1993 auf. 1998 wurde der Verein in Österreich wegen NS-Wiederbetätigung verboten. Und auch bei der 16. Gästewoche der „Deutschen Kulturgemeinschaft“ (DGK) 1992 war er Teilnehmer und Redner. Gemeinsam mit dem Alt-Nazi Sepp Biber berichtete er damals über die Arbeit in Trakehnen. Belohnt für sein völkisches Engagement wurde Helge Redeker auch. 1994 erhielt er den „Tiroler Ehren- und Wanderkrug für Volkstumsarbeit“ des „Deutschen Kulturwerkes Europäischen Geistes“.“ (DKEG)
In Ostsachsen verhielt sich Redeker politisch zunächst weitgehend unauffällig. 2008 trat er als Kreistags-Kandidat für das Sammelbecken am Rechten Rand, die „Deutsche Soziale Union“ (DSU) an. Von Anfang an nutzte er aber offenbar die Kontakte zur Neonazi-Szene. Nach Angaben eines damaligen NPD-Funktionärs, der später die Szene verlassen hat, unterstützten ihn Mitglieder verschiedener regionaler Neonazi-Kameradschaften beim Ausbau des Geländes. Der Kameradschaft „Schlesische Jungs“ stellte er demnach zum Dank einen Bungalow zur Verfügung. Das JNS und die JN nutzten das Gelände in den letzten 10 Jahren mehrfach für „Querfeldein-Spiele“ und Schulungen. Auf dem zum Appellplatz umfunktionierten Platz zwischen den Bungalows wurde immer wieder die Reichskriegsflagge vor den angetretenen „Kameraden“ gehisst.
Dass Redeker seine politischen Überzeugungen mit seinen wirtschaftlichen Zielen zu verbinden weiß, zeigte das „Deutsche Stimme Pressefest“ im August 2010 deutlich. Im Gegenzug für die Bereitstellung des Veranstaltungsgeländes sicherte sich Redeker die Versorgung der TeilnehmerInnen mit Essen und Getränken und nahm so Beobachtern zufolge eine Summe von mehreren 10.000,- Euro ein. Dass beim Geld auch die nationale Kameradschaft aufhört, stellte Redeker ebenfalls unter Beweis. Angehörige der JN, die als „Ordnungsdienst“ vor Ort fungierten, hatten sich selbst mit einer Gulaschkanone versorgt. Redeker nötigte die JN dazu das einzustellen, indem er mit einer Vertragsstrafe von 10.000,- Euro drohte. Dies und die aus Sicht der JN’ler fehlende Unterstützung der NPD sorgten im Nachgang für erhitzte Debatten in diversen Online-Portalen.