»…über 80 Aktionen in mehr als 40 Städten« registrierte das Aktionsbündnis gegen das Vergessen in der fünften Ausgabe seiner sogenannten Aktionswoche. Vom 7. bis 13. Februar gab es verschiedene Aktionen, die »das Kriegsverbrechen von Dresden« thematisieren sollten. Die Nazis wollten dokumentieren, dass sie sich »vom Band der deutschen Schicksalsgemeinschaft nicht abschneiden« lassen. Das sei auch gelungen, schließlich habe es 2010 eine »Expansion der Aktivitäten« gegeben, womit die diesjährige Aktionswoche zur »bisher umfassendsten« geworden sei. Tatsächlich ist die Aktionszahl im Vergleich im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, dass damit eine Steigerung der Außenwirkung einher ging, scheint nach einem Blick auf die dazugehörigen Aktionsberichte aber unwahrscheinlich.
Akribisch sammelte das Aktionsbündnis jede noch so kleine Regung in Bezug auf Dresden. Das Ergebnis liest sich mitunter grotesk. Etwa dann, wenn mittelhessische Nazis stolz berichten, dass sie am 10.02.2011 in ihrem Kameradschaftsraum eine Kerze zur Mahnung und Erinnerung angezündet haben. Aufkommende Zweifel an der Durchführbarkeit einer solchen »Aktion« werden glücklicherweise mit einem fotografischen Beleg zerstreut. Nazis aus Döbeln hingegen scheuten keine Kosten und Mühen und können so berichten, dass sie erfolgreich 15 Postkarten »aus Döbeln nach Dresden gesendet« haben. LiebhaberInnen der berühmt-berüchtigten »kreativen Aktionen« kommen ebenso auf ihre Kosten. In Erfurt waren Nazis besonders innovativ. In einem »Volksaufklärung einmal anders« betitelten Artikel beschreiben sie wie an Laternenmasten Flyer angebracht wurden. Der Clou dabei: neben die Zettel wurden zusätzlich bunte Knicklichter angebracht. »Wohl zur optischen Verstärkung«, wie es im nachfolgenden Bericht heißt. Das klingt nicht nur unsinnig, das sah auch so aus. Mitbekommen hat das vermutlich aber niemand, das Flyer-lesende Publikum in einer Dienstagnacht wird nicht nur in Erfurt sehr überschaubar sein. Fehlende Resonanz dürfte auch das Hauptproblem einer Aktion in Eilenburg gewesen sein. Mitten in der Nacht drappierten Nazis etwas Bauschutt und drei dilettantisch zusammengeschusterte Puppen vor einem Gebäude. Auf der strahlend-weißen Hauswand sprühten sie erklärend hinzu: »Dresden = Massenmord«. Im Fotobericht heißt es dann, dass »die künstlerische Nachstellung einer beim Bombenangriff auf Dresden getöteten Familie den Höhepunkt« der Aktionswoche in Nordsachsen darstellte.
Anhand dieser Beispiele wird bereits deutlich, wieso die Aktionszahl rapide gestiegen ist. Nahezu jede Betätigung der Nazis wurde anschließend im Internet zur – selbstverständlich erfolgreichen – »Aktion« stilisiert. Die übertrieben ausführliche Berichterstattung soll offenbar deren zweifelhafte oder schlicht fehlende Wirkung kaschieren. Das Kleben von Plakaten und Aufklebern, das Verteilen von ein paar Hundert Flyern oder das Anbringen schwer-leserlicher Transparente am nächst besten Geländer mag vielleicht in dem ein oder anderen Dorf für Aufregung sorgen, wird ansonsten aber nur geringe Öffentlichkeit erreichen. Und allein diese Aktionsformen machten gut zwei Drittel aller bekannt gewordenen Aktionen aus. Hinzu kamen noch ein paar Sprühereien, hier und da ein paar windschiefe Holzkreuze, Kerzen, ein Dutzend Mahnwachen und Infotische. Die Beteiligung aus den Reihen der Nazis war auch hier gering, es handelte sich im Grunde um Kleinstveranstaltungen ohne Mobilisierung. Einmal, in Datteln, sollen 20 Nazis zusammengekommen sein. Ansonsten lagen die Teilnehmendenzahlen deutlich tiefer.
Aus dem Rahmen fällt hier die Aktionswoche in Dresden, was aber nicht sonderlich schwer ist. Die Aktionen zielten im Gegensatz zur bundesweiten Beteiligung sehr viel deutlicher auf öffentliche Wahrnehmbarkeit und waren auch von den Nazis selbst stärker besucht. Im Vergleich zu den Aktionswochen der Vorjahre sind jedoch keine nennenswerte Änderungen feststellbar. Am Montag brachten etwa 40 Nazis Kreuze und Fotos mit den Bombardierungsfolgen in der Altstadt an, am Dienstag beteiligten sich Nazis in derselben Größenordnung an einer unangemeldeten Kundgebung auf dem Altmarkt, für den die Nazis – mittlerweile im Einklang mit CDU und FDP – ein größeres und würdigeres 13.Februar-Denkmal fordern. Mittwochs wurden zwischen 19 und 20 Uhr auf der Neustädter Elbseite neben der Albertbrücke Kerzen zu Wasser gelassen. Am Donnerstag wurden Plakate verklebt, am Freitag folgte eine Saalveranstaltung. Neu im Programm war ein Infostand am Samstag auf der Seestraße/Ecke Altmarkt, für den eigens Ausstellungstafeln gefertigt wurden. Nach dem »Trauermarsch« am Sonntag wurde die Aktionswoche mit einer Kranzniederlegung auf dem Annenfriedhof beendet. Daran beteiligten sich vier Personen. Über diese Veranstaltungen hinaus, versuchte das Aktionsbündnis gegen das Vergessen, noch immer maßgeblich betrieben von Maik Müller, Simon Richter und Ronny Thomas, in der Mobilisierung zum 13. und 19. Februar verstärkt inhaltliche Akzente zu setzen. Es veröffentlichte unter anderem eine Broschüre und absolvierte bundesweit fünf Vortragsveranstaltungen. U.a. wirft darin das Aktionsbündnis der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), als bisherige Veranstalterin des „Trauermarsches“, mangelnde inhaltliche und organisatorische Kompetenz vor. Insofern stringent ist, dass nach dem diesjährigen Februar-Fiasko das gemeinsame Bündnis mit JLO und NPD nach kaum einem Jahr des Bestehens aufgekündigt wurde. Für 2012 kündigt das Aktionsbündnis bereits an, dass es nicht mit der JLO kooperieren wolle: »Innerlich tote Scheinorganisationen aber, welche das Gedenken an die Toten unseres Volkes als letzte Existenzberechtigung missbrauchen, sind fehl am Platze!«
Abschließend lässt sich folgendes festhalten: Die Wirkung der Aktionswoche bleibt begrenzt. Zahlreiche »Aktionen« waren nichts weiter als Berichtbeschaffungs-maßnahme. Sie waren gemacht, um mal wieder einen Artikel auf die eigene Website posten zu können. In der Regel waren sie so kaum öffentlich wahrnehmbar. Für die beteiligten Nazis bleibt vermutlich ein selbstbestätigendes Gefühl, etwas getan zu haben. Darüber hinaus ist dennoch von einer szeneinternen Mobilisierungswirkung auszugehen. Die demobilisierenden Effekte, vor allem die antifaschistischen Blockaden 2010 und nun auch 2011, überwiegen jedoch deutlich, so dass in der Summe weit weniger Nazis den Weg nach Dresden gefunden haben. Für die Dresdner Aktivitäten im Rahmen der Aktionswoche ist festzuhalten, dass sie auch weiterhin noch unzureichend ausgeschöpftes Potential für antifaschistische Interventionen bieten.