Am frühen Morgen des 12. April 2011 führte ein Polizeigroßaufgebot in Dresden, Leipzig, Finsterwalde, Senftenberg und Grimma bei 17 Antifas Hausdurchsuchungen durch. Die Betroffenen werden beschuldigt »kriminelle Vereinigungen « nach §129 StGB gebildet zu haben und an Angriffen auf Nazis sowie Sachbeschädigungen beteiligt gewesen zu sein. Der Schwerpunkt der Durchsuchungen lag in Dresden, die eingesetzten Polizei(spezialeinsatz)kommandos gingen dabei zum Teil sehr gewalttätig und überzogen vor. Sie beschlagnahmten vor allem Computertechnik für die weitere Auswertung. Den Razzien vorangegangen ist eine langwierige Überwachung der Telekommunikation. Der §129 erlaubt der Polizei weitreichende Maßnahmen zur Bespitzelung der Betroffenen und ihres Umfelds – ein geringer Anfangsverdacht genügt.
Auffällig war die mediale Inszenierung der Razzien durch das Landeskriminalamt. In Leipzig waren Fotoreporter der BILD-Zeitung noch vor Beginn der dortigen Hausdurchsuchung am Einsatzort und konnten so das Geschehen von Anfang an dokumentieren. JournalistInnen erhielten großzügig Hintergrundinformationen und Bildmaterial zu den Anschuldigungen. Leipziger Volkszeitung (LVZ) und Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) zeigten bereits am Vormittag Bilder von Verletzungen, die die Beschuldigten Nazis zugefügt haben sollen; die Durchsuchungsbeschlüsse wurden JournalistInnen zugänglich gemacht. Eine ungewöhnliche aber erfolgversprechende Praxis. Die Presse lieferte die gewünschten Überschriften vom »Schlag gegen den Linksextremismus«. Dass der neue LKA-Chef in Sachsen Jörg Michaelis wenige Tage zuvor »verstärkten Kampf gegen linksextreme Gewalttäter« ankündigte und der Innenminister Markus Ulbig im Nachgang der Razzien im dpa-Interview stolz eine »Null-Toleranz- Politik gegen linke und rechte Extremisten« beschwört, rundet das Bild der gelungenen Inszenierung ab. Eine Inszenierung, die ohne anspruchslose und unkritische JournalistInnen nicht möglich wäre.
So stehen die Durchsuchungsbeschlüsse auf wackligen Beinen. Beschuldigten wird beispielsweise zum Vorwurf gemacht, dass sie am Telefon über Veranstaltungen von Nazis gesprochen hätten. Das genügt, um die Beschuldigten der Öffentlichkeit als “linksextreme” Straftäter zu präsentieren. Für ein Verhalten, dass weder juristisch noch moralisch bedenklich ist. Verknüpft werden diese Vorwürfe mit Bildern von verletzten Nazis, so dass der Eindruck entstehen soll, hier käme “eins zum anderen”. Die jüngsten Razzien sind ganz offensichtlich Baustein einer längerfristig angelegten Strategie. Diese richtet sich gegen sogenannte »Linksextremisten« und ist ein politisches Manöver zur Diskreditierung antifaschistischen Engagements. Kriminalisierungen und Extremismusvorwürfen ist im Freistaat das gesamte politische Lager jenseits von CDU und FDP ausgesetzt. So unternahm die Staatsanwaltschaft Dresden den Versuch die Immunität des Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei André Hahn aufzuheben, weil er sich am 13. Februar 2010 an einer Blockade gegen den Naziaufmarsch beteiligt hatte. Dem grünen Landtagsabgeordneten Johannes Lichdi wird seitens des innenpolitischen Sprechers der CDU Fraktion Volker Bandmann immer wieder eine zweifelhafte Haltung zur Demokratie unterstellt. Menschen, die gegen Nazis protestieren wollen, werden von der Dresdner Stadtverwaltung mit Unterstützung des Verwaltungsgerichts zu “Störern” erklärt. Es wird ein Klima etabliert, in dem das Amtsgericht dann nicht zögert Durchsuchungen und Eingriffe in die Privatsphäre zuzulassen, weil Menschen sich über Infostände von Nazis unterhalten.
Bereits nach der erfolgreichen Verhinderung der Naziaufmärsche am 19.02.2011 griff das LKA auf die umfangreichen Möglichkeiten des §129 zurück und führte eine Razzia u.a. in den Räumlichkeiten des Roten Baums und der LINKEN durch. Während tagsüber Polizeinotstand herrschte, hatte man am Abend dann doch ausreichend Spezialkräfte, die das »Haus der Begegnung« stürmten und einen Sachschaden von mehreren tausend Euro hinterließen. Und das nach einer Durchsuchung bei eigentlich »Unverdächtigen« (§103 StPO) und dem rechtswidrigen Eindringen in eine Anwaltskanzlei. Das Spezialeinsatzkommando ausgestattet mit Rammbock, Kettensägen, Sturmhauben und anderen martialischen Werkzeugen war vorgeblich auf der Suche nach Personen, die Gewaltstraftaten im Stadtgebiet koordiniert haben sollen. Gefunden wurden sie offenbar nicht. Beschlagnahmte Computer und Telefone mussten rasch zurückgegeben werden.
Die CDU-FDP-Mehrheit im Dresdner Stadtrat griff das Thema dennoch auf und forcierte faktenwidrig die öffentliche Diskreditierung des Vereins »Roter Baum«. In einem Antrag forderte sie einen Fördermittelvorbehalt für Jugendhilfegelder, die für den Verein vorgesehen sind. Widersprüche wurden übergangen. Etwa der, dass Geldmittel sowieso unter einem Vorbehalt stehen und ein zusätzlicher Stadtratsbeschluss offensichtlich überflüssig ist. Oder der, dass die Kompetenz des Stadtrates durch diesen Antrag möglicherweise überschritten wird. Vor allem aber, dass der Verein und die Vereinsmitglieder schlichtweg keine Beschuldigten sind. Die Dresdner Ratsmehrheit nahm diese Widersprüche in Kauf und trieb die absurden Verdächtigungen voran. Wohlkalkulierend, dass dem Verein durch diese Art von Öffentlichkeit ganz realer Schaden entstehen wird.
Dieses Spiel der Verdächtigungen beherrscht auch die Sächsische Landesregierung. Im November 2010 führte sie im Zuge der Verleihung des Sächsischen Demokratiepreises erstmals die sogenannte Extremismusklausel ein. Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Nazi-Ideologie, Rassismus und Antisemitismus zur Wehr setzen, sollen darin ihre Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung erklären und gleiches auch für ihre PartnerInnen zusichern. Die Unterschrift unter die euphemistisch umschriebene “Demokratieerklärung” ist in je eigener Fassung Fördervoraussetzung sowohl beim Bundesprogramm “Toleranz fördern, Kompetenz stärken” als auch beim sächsischen Förderprogramm “Weltoffenes Sachsen”. Wer nicht unterschreibt, erhält kein Geld. Zu Recht beklagen die Initiativen mit dieser Art von Gesinnungstest unter Generalverdacht gestellt zu werden. Es ist zudem der Versuch der Landesregierung eine Spaltung zwischen bürgerlich-zivilgesellschaftlichen Initiativen und antifaschistischen Akteuren herbeizuführen, die oftmals als »linksextremistisch« gebrandmarkt werden.
Die Klausel sorgte für reichlich Protest zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Initiativen. Während andere Bundesländer gegen die Erklärung aus dem Haus der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder rechtlich vorgehen, oder zumindest der Bundesklausel nicht auch noch eine eigene Landeskreation zur Seite stellen, antwortet die sächsische Landesregierung mit der nächsten Schikane. Sie will die Öffentlichkeitsarbeit nicht-staatlicher Initiativen gegen Rechts zensieren. Mit den neuen Fördermittelbescheiden ermächtigt sich das Innenministerium die Öffentlichkeitsarbeit der Zuwendungsempfängerinnen zu kontrollieren und in seinem Sinne zu beeinflussen. Dass aus den Reihen der Initiativen Kritik an Extremismusklausel und Regierung geübt wurde, hat diese nicht vergessen. In autoritärem Stil wird ihnen nun ein Maulkorb verpasst.
Die Beispiele machen überdeutlich: antifaschistisches Engagement ist zunehmender Repression ausgesetzt. Gerade Sachsen bemüht sich dabei um eine rechts-konservative Vorreiterrolle. Der Hatz der schwarzgelben Landesregierung auf vermeintliche »Linksextremisten« steht die Unfähigkeit entgegen, Nazi-Angriffe oder –Aufmärsche zu verhindern. Stattdessen gibt es Attacken auf die Meinungsfreiheit, etwa mit der verfassungswidrigen Neufassung des Versammlungsgesetzes. Diese Politik werden wir nicht akzeptieren, sondern ihr entschlossen entgegentreten. Unsere Solidarität gilt den Betroffenen.
Antifaschismus lässt sich nicht verbieten!