Mittendrin statt nur dabei – Die AfD in der rassistischen Mobilmachung

Bereits in unseren ersten Einschätzungen zu Pegida haben wir darauf hingewiesen, dass auch AfD-PolitikerInnen an den rassistischen Demonstrationen in Dresden teilnehmen. Die anfänglich verhaltene Reaktion auf PEGIDA, ist längst offener Unterstützung gewichen. Eine kürzlich von der AfD Dresden vorgelegte „Dresdner Erklärung zur Asylpolitik“ unterstreicht deutlich die inhaltliche Nähe der gesamten Partei: mit rassistischen Argumentationen fordert sie eine weitere Demontage des Asylrechts. Schreibhilfe holte sich die AfD hierfür von ganz rechtsaußen.

Die Inhalte

Das Papier (1), dass pünktlich zur 7. PEGIDA-Demonstration am 1. Dezember 2014 veröffentlicht wurde, ist Ergebnis einer Arbeitsgruppe Asyl innerhalb der Dresdner AfD (2). Diese hatte zur Aufgabe »eine einheitliche Argumentationslinie« zwischen den Stadträten und den Ortsbeiräten bezüglich des Dresdner Unterbringungskonzeptes für Flüchtlinge zu entwickeln. Herausgekommen ist ein Forderungskatalog, mit dem die Partei die rassistische Stimmungsmache in Dresden und Sachsen aufgreift und davon ausgehend, die weitere Demontage des Asylrechts erreichen will.

Ausgangspunkt ist die Annahme, das Asylrecht im heutigen Zustand sei ein »Anreizsystem«(3) für Flüchtlinge nach Deutschland zu kommen. Deutschland biete »rechtlich und materiell sehr günstige Bedingungen für eine Aufnahme«, das würden »Flüchtlinge aus aller Welt erkennen«. Schon hier werden Ursache und Wirkung geschickt vertauscht: statt die Fluchtgründe wie Krieg, Hunger oder ungleiche und ausbeuterische Lebensverhältnisse anzuerkennen und zu bekämpfen, wird suggeriert, Flüchtlinge kämen, weil es so einfach wäre nach Deutschland einzuwandern. Das wirke »wie ein Magnet«, »beschleunige« den »zunehmenden Flüchtlingszustrom« und sei nicht vergleichbar mit der Praxis anderer demokratischer Staaten. Es sei zudem gefährlich, denn die Zuwanderung drohe »unsere Sozialsysteme zu überfordern«, etwa durch »Kettenmigration«. Genüsslich kaut die AfD die »Das Boot ist voll«-Rhetorik der 1990er Jahre wieder.

Die Forderungen sind dementsprechend: die Partei will die Bekämpfung der flüchtenden Menschen forcieren. Etwa mit »Grenzkontrollen« und »verstärkter Bekämpfung von Schleuserbanden«, dem Abbau »materieller Anreize« durch »grundsätzliche Anwendung des Sachleistungsprinzips« für Asylsuchende, dem Abbau einer »Vielzahl von Ausnahmeregelungen, z.B. wegen unzumutbarer wirtschaftlicher Zustände im Heimatland« und der regelmäßigen Prüfung, ob bei »anerkannten Asylbewerbern« (sic!) »die Gründe für die Gewährung des Asylstatus noch fortbestehen«. Bleiben soll, wer den Deutschen nutzt: Zuwanderung benötige »an der Qualifikation des Bewerbers ausgerichtete klare Kriterien.« Der Rest soll »in befriedeten Nachbarregionen des gleichen Kulturkreises« untergebracht werden. Die eigene kulturalistisch-rassistische Denke bringt die AfD gegen Asylsuchende in Stellung. Diese würden in Deutschland in eine »völlig fremde Umgebung« geraten, die »kaum Chancen zur privaten und beruflichen Entfaltung bietet und erhebliche Integrationsanstrengungen abverlangt«. Die rassistischen Ressentiments der Deutschen will die AfD den bekanntermaßen faulen und dummen Ausländern lieber nicht zumuten. Zynischer lässt sich kaum argumentieren. Die AfD lässt sich damit auf das »nach unten treten«, das bei PEGIDA artikuliert wird, gänzlich ein.

Der rechte Hintergrund: Taphorn und Malcomeß

Erarbeitet wurde der Text durch zehn AfD-Ortsbeiräte und zwei von der Stadtratsfraktion bestellten Experten. Insbesondere letztere dürften wesentlich zur Formulierung des Papiers beigetragen haben. Einer der Experten ist der Ende November zum Kreisvorsitzenden gewählte Jürgen Schulz, der andere der festangestellte Referent der AfD-Stadtratsfraktion Dirk Taphorn. Taphorn ist kein unbeschriebenes Blatt, im Gegenteil: er ist seit vielen Jahren in neurechten Netzwerken aktiv. Seine politische Karriere begann er bei der rechts-nationalistischen Burschenschaft Normania-Nibelungen Bielefeld. Nach Dresden brachte ihn das »Zentrum für Jugend, Identität und Kultur«, in dem er seit 2013 Mitarbeiter ist. Dahinter steht ein Netzwerk aus Burschenschaften und Neonazis, organisiert wird es federführend von der Zeitschrift »Blaue Narzisse« um den ehemaligen Chemnitzer Felix Menzel. Proteste und ein getäuschter Vermieter machten bereits einen Umzug nötig. Seit März 2014 findet sich das von den italienischen Neofaschisten um Casa Pound inspirierte »Zentrum« in der Krenkelstraße 21 in Dresden-Striesen.

Taphorn ist derzeit außerdem Chefredakteur der »Burschenschaftlichen Blätter« derDeutschen Burschenschaft. Zur Erinnerung: die Deutsche Burschenschaft erwog im vergangenen Jahr noch die Einführung eines »Ariernachweises« für potentielle Anwärter, überließ es dann aber den einzelnen Verbindungen, ob sie »Abstammung« als Aufnahmekriterium anwenden. Vorsitz über den Dachverband hat derzeit die Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia, auch hier ist Taphorn Mitglied. Ihr Verbindungshaus auf der Eisenstuckstraße 50 steht im Impressum seiner privaten Homepage.(4) All das ist kein großes Geheimnis – auch nicht für die AfD. Bereits im August wurde Taphorn vom Stadtverband eingeladen, um über die Asylpolitik der BRD und Europas zu referieren. Zwar wurde der Vortrag damals kurzfristig mit Verweis auf die bevorstehende Landtagswahl abgesagt (5), dahinter steckte aber offenbar nur taktisches Kalkül. Immerhin sprang für Taphorn nur wenig später ein Fraktionsjob heraus.

Dass die Fraktion einen bekannten neurechten Kader an Bord holt, ist kein Einzelfall. Ein weiteres Beispiel ist die Personalie Hans-Holger Malcomeß. Der Fraktionsgeschäftsführer der AfD-Stadtratsfraktion kann auf eine lange Karriere in neurechten und nazistischen Kreisen zurückblicken. Er begann sie 1990 mit dem Eintritt in die DSU, drei Jahre später wurde er in den Landesvorstand gewählt. Parallel dazu entwickelte er seine Aktivitäten um die Wiking Jugend (WJ). (6) Malcomeß trat dort mehrfach als Referent auf und baute enge Kontakte auf. Der damalige WJ-Gauleiter Frank Kaden beschrieb das Verhältnis zur DSU als »herzlich«, die paramilitärische Organisation unterhielt in den Räumlichkeiten der DSU Dresden-Ost einen eigenen Klubraum. Als Antifas auf dieses Bündnis aufmerksam machten, wurde mit der Gründung einer »Anti-Antifa-Sammelstelle« reagiert, an der sich auch »Freunde der DSU« beteiligten. 1994 war Malcomeß ein Initiator der »Dresdner Freitagsgespräche« (DFG) – eine Plattform in der sich ein Querschnitt des rechten Spektrums Dresden versammelte, neben Cheruskia-Burschies, Konservativen, Mitglieder von NPD, DVU und Republikanern – hin- und wieder tauchte auch Holger Zastrow von der FDP auf. Im Hinblick auf die 1998 in Dresden gastierende Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«, rief Malcomeß zur Gründung einer »Initiative gegen die pauschale Verurteilung der Wehrmacht« auf. Heute nun hat er einen zentralen Posten bei der Dresdner AfD, seine Vergangenheit wird dort als »Jugendsünde« abgetan.

Die Basis: geschlossen rechts

Weder Malcomeß, noch Taphorn sind Fehlgriffe oder Ausrutscher einer überforderten Partei. Im Gegenteil, sie kommen dort problemlos unter, weil sie mit und in der Partei ihre inhaltlichen Prämissen durchsetzen können und dafür Zustimmung erfahren. In der Dresdner AfD gibt es nach rechts keinerlei Berührungsängste. Etwa im Ortsbeirat Cotta: als dort das Unterbringungskonzept diskutiert wurde, stimmten die beiden AfD-Ortsbeiräte Hans-Joachim Klaudius und Peter Berauer, der bereits für die DSU im Stadtrat saß, für einen Antrag der NPD-Ortsbeirätin Elke Opitz. (7) Sie wollten durchsetzen, dass sämtliche Sprachkurse für Asylsuchende gestrichen werden. Der Chirurg Klaudius erklärte bereits anlässlich seiner Kandidatur, dass ein Staat »ohne wirksame Schotten eine Gefahr für seine Bevölkerung ist«. (8) Ähnliches in Klotzsche: dort organisierten das AfD-Mitglied Sören Oltersdorf und die AfD-Ortsbeirätin Jutta Zichner Woche für Woche eine rassistische Kundgebung gegen eine geplante Asyl-Unterkunft. Sie treten damit in die Fußstapfen der Nazi-Kampagne zum »Tag der deutschen Zukunft«, die bereits im Sommer 2013 mit der Stimmungsmache gegen den damals geplanten Asylstandort in Klotzsche begann. Die Argumente sind die altbekannten: Kinder, Kriminalität und Kosten.

Bezeichnend ist auch das Verhältnis der AfD Dresden zu Pegida. Nachdem der Vorsitzende der Stadtratsfraktion Bernd Lommel einen fraktionsübergreifenden Appell unterschrieben hat (9), der mit der Forderung schließt »Heißen Sie Menschen in Not willkommen«, gab es Streit innerhalb der Partei. Kurz darauf musste Lommel klarstellen, dass die AfD es »ausdrücklich begrüßt, dass Bürger ihr verfassungsrechtlich garantiertes Demonstrationsrecht ausüben und dazu nutzen, ihre Anliegen sowie Bedenken zu artikulieren«.(10) Die Unterbringung von ein paar hundert Flüchtlingen erklärt er zur »unhaltbaren Situation«, die durch »Politiker in Bundesregierung und Bundestag« und den dort erlassenen Gesetzen »herbeigeführt« sei.(11) Spätestens mit dieser Erklärung vollzieht sich in der AfD der Kurswechsel. Der Dresdner Kreisvorstand geht in einem Statement vom 15. Dezember noch weiter und spricht offen von Solidarität mit Pegida, die »durch die vielen ungerechtfertigten und teilweise sehr polemischen Angriffe aus Politik und Medienwelt gegen die Organisatoren und gegen die vielen besorgten Bürger noch gewachsen« sei.(12) Auch auf Landes- und Bundesebene folgten positive Statements, die Pegida den Rücken stärken. Der eher wirtschaftsnahe liberal-konservative Flügel der Partei konnte sich nicht gegen die nationalistischen Rechtsausleger insbesondere aus Ostdeutschland durchsetzen.

Neue Rechte?

Die rassistischen Mobilisierungen in Dresden machen zwei Dinge deutlich. Als erstes: sofern noch Zweifel über die inhaltliche Ausrichtung der AfD bestanden, sind diese ausgeräumt. Die Partei agiert ganz im Sinne des (neu-)rechten Topos von der prinzipiellen Ungleichheit der Menschen und gestaltet auf dieser Basis ihre Politik. Dass das platte rassistische und nationalistische Stimmungsmache umfasst, ist folgerichtig. Bemerkenswert ist vielleicht noch, dass das parteiintern niemanden stört. Wir merken: in die rechte Ecke wird man nicht gestellt, sie wird freiwillig aufgesucht und sie ist deutlich größer als sie etwa ein Verfassungsschutz darstellen mag. Als zweites: die rechte Szene zeigt sich – für Dresden nicht unüblich – bündnisfähig und frei von jeden Berührungsängsten. Geht es gegen Ausländer finden sich alle in trauter Eintracht zusammen. Und das nur wenige Jahre nach dem Auffliegen des in Sachsen beheimaten NSU. Nach einem Treffen mit den Pegida-OrganisatorInnen am 7. Januar in Dresden erklärte die AfD-Landesvorsitzende Frauke Petry, sie finde es falsch, ebenjenen Rassimus und Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen. Gleichzeitig betonte sie »inhatliche Schnittmengen«. Es scheint, als sei der Vorwurf falsch, weil er berechtigterweise auch die eigene Partei trifft. In der Dresdner Erklärung zur Asylpolitik heißt es: »Überlassen wir die politische Debatte über Asyl nicht den Extremisten!« Das muss wohl als Drohung aufgefasst werden. Es ist Zeit der AfD mehr Aufmerksamkeit zu schenken – und zwar antifaschistische.

(1) Vgl. http://afd-dd.de/dresdner-erklaerung-asyl/, eingesehen am 08.01.2015
(2) Vgl. http://afd-dd.de/arbeitsgruppe-asyl-der-dresdner-afd-ortsbeiraete-am-30-10-2014-gegruendet/, eingesehen am 08.01.2015
(3) Dieses und alle weiteren Zitate desselben Abschnitts aus der »Dresdner Erklärung zur Asylpolitik«.
(4) http://www.dirk-taphorn.de/impressum.html, eingesehen am 08.01.2015
(5) http://www.blog.blauenarzisse.de/8884/taphorn-bei-afd-dresden-ueber-asylpolitik.html, eingesehen am 08.01.2015
(6) AIB Nr. 43, S. 26: Allianz der Geschichtsleugner – Teil 4
(7) Die AfD legt das Abstimmungsergebnis zum Unterbringungsplan sehr merkwürdig aus: auf ihrer Homepage vermeldet sie drei AfD-Gegenstimmen, die NPD-Ortsbeirätin wird offenbar unter die eigenen Stimmen subsumiert (vgl. http://www.afd-fraktion-dresden.de/cotta/articles/bericht-der-ortsbeiraete-vom-06112014.html )
(8) Vgl. http://afd-dd.de/landtagswahl-2014/ihre-direktkandidaten-fuer-ein-staerkeres-sachsen/, eingesehen am 08.01.2015
(9) Vgl. https://www.dresden.de/de/02/035/01/2014/11/pm_054.php
(10) Vgl. http://www.afd-fraktion-dresden.de/nachrichtenleser/afd-fraktion-zu-pegida.html, eingesehen am 08.01.2015
(11) Ebd.
(12) Vgl. http://afd-dd.de/stellungnahme-zu-pegida/, eingesehen am 08.01.2015