Seit mehreren Monaten veröffentlicht die Sächsische Zeitung in regelmäßigen Abständen unter dem Titel „Perspektiven“ Essays, Kommentare und Analysen von mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten. In der Woche vor dem 13. Februar hatte sinnigerweise der derzeitige Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Ehre. De Maizière, von 2005 bis 2009 Chef des Bundeskanzleramtes und zuvor mehrere Jahre Justiz- bzw. Innenminister in Sachsen, widmete sich dem „schwierigen Umgang mit dem 13. Februar“ und formulierte einen „Appell gegen die Instrumentalisierung des Gedenkens“, denn: „Das Erinnern an die Opfer der Bombennacht darf nicht missbraucht werden – von niemanden“, so die Zeitung (1) in ihren einleitenden Zeilen. Wörtlich heißt es bei de Maizière: „Gedenken im Sinne der Versöhnung geschieht in der Besinnung, nicht im Straßenkampf; in der Stille, nicht im Lärm skandierter Parolen. Es beginnt da, wo man die Erschütterung zulässt. Und es führt zu der einzig sinnvollen und zukunftweisenden Konsequenz: Nie wieder Massenhass! Nie wieder Feindbilder! Nie wieder Ideologien, die uns beibringen wollen, dass ein Mitmensch, weil er einem bestimmten Kollektiv – einem Volk, einer „Rasse“, einer Klasse – angehört, hassenswert ist und bekämpft werden muss! Das ist die richtige Lehre aus der Bombennacht.“ Und weiter: „Laute Demonstranten von außerhalb: verschwindet aus Dresden am 13. Februar. Lasst uns in Ruhe, in Ruhe gedenken mit der Kraft der Kerzen und der Macht der Versöhnung.“ (2) Die volkstümliche Übersetzung dessen findet sich in Dresden allerorts und zu jeder Zeit: „An diesem Tag darf es keine Demonstrationen geben!“ (3)
Seit etwa zehn Jahren sind die Behörden bemüht diesem Verlangen gerecht zu werden. Zunächst mit für den 13. und 14. Februar geltenden Allgemeinverfügungen, die aus heutiger Sicht geradezu harmlos erscheinen. Im Dresdner Stadtrat konnte sich ein vorgeschlagenes Nutzungskonzept für den Bereich um die Frauenkirche – das Versammlungen und politische Veranstaltungen generell untersagen sollte – nicht durchsetzen. Die ehemalige CDU/SPD Koalition schließlich stellte kurz vor dem 13. Februar 2008 einen Entwurf für ein neues sächsisches Versammlungsgesetz vor, nach dem eine Versammlung von Auflagen abhängig gemacht oder verboten werden kann, wenn sie an einem Ort oder Tag stattfindet, der „an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft oder an die Opfer von Kriegen oder an den Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft“ erinnert und wenn zu befürchten ist, „dass die Veranstaltung die Würde der Menschen verletzt, deren Schicksal mit diesem Ort oder Tag verknüpft ist.“ (4) Als Erinnerungsorte wurden die Synagogen in Dresden und Görlitz, Plätze der ehemaligen Synagogen in Leipzig und Chemnitz, Gelände ehemaliger Konzentrationslager, Gedenkstätten der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Kriegsgräber, das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und die Frauenkirche in Dresden aufgeführt. Speziell am 13. und 14. Februar zusätzlich das bereits von den Allgemeinverfügungen der Stadt her bekannte Gebiet der historischen Altstadt. Als Erinnerungstage galten Daten mit Bezug zum Nationalsozialismus, 27. und 30. Januar, 8. Mai, 20. Juli, 1. September, 9. November aber auch der Volkstrauertag. Das Gesetz wurde vom damaligen Landtag nicht mehr behandelt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass bereits in der Begründung zu diesem Entwurf eine thematische Ausweitung auf Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft angelegt war. Es wurde festgestellt, dass dahingehend „derzeit lediglich kein Regelungsbedarf“ besteht, da derartige Versammlungen „bislang nicht stattgefunden“ haben, aber „die Versammlungsbehörden darauf (…) reagieren“ können. (5)
Die Ende August 2009 gewählte CDU/FDP Koalition brachte bereits im Oktober ihren Entwurf im Landtag ein und das neue sächsische Versammlungsgesetz erlangte rechtzeitig vor dem diesjährigen 13. Februar Rechtskraft. Es geht in mehrfacher Hinsicht weit über alle bisher angeführten Bemühungen hinaus. Die Koalition sieht selbstverständlich den von den Vorgängern noch verneinten Regelungsbedarf und weitet die Bestimmungen auf Orte aus, die an Menschen erinnern, welche „unter der nationalsozialistischen oder der kommunistischen Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren, die Widerstand gegen die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft geleistet haben oder Opfer eines Krieges“ (6) wurden. Von den Erinnerungstagen und -orten des alten Entwurfes blieben lediglich das Völkerschlachtdenkmal, die Frauenkirche mit Neumarkt und am 13. bzw. 14. Februar, wenngleich nunmehr in flächenmäßig deutlich größerem Ausmaß, die Innenstadt von Dresden übrig.
1.
Bei dem Versuch die Auswahl dieser Orte von „historisch herausragender Bedeutung“ inhaltlich zu begründen greifen die Koalitionsfraktionen direkt in erinnerungspolitische Diskurse ein und versuchen eine bestimmte Deutung historischer Orte bzw. Ereignisse festzuschreiben. So finden sich zu Dresden allerlei der bekannten Mythen wieder, wie z.B. die Frauenkirche als „stärkstes Sinnbild für zivile Opfer des Krieges“, die Besonderheit der Zerstörung Dresdens – weitgehend unversehrte Großstadt fast völlig zerstört, kurz vor Kriegsende, besonders viele Flüchtlinge usw. usf.. Große Teile der Innenstadt am 14. Februar sind der zweite zu schützende Erinnerungsort, weil „der Bombenangriff zur Nachtzeit stattfand und das Ausmaß der Zerstörungen erst am Folgetag offenbar wurde.“
Insgesamt stehe Dresden „im öffentlichen Bewusstsein und praktizierten Gedenken der Bürger des Freistaates und darüber hinaus als Gesamtensemble für Kriegsleid und Kriegswunden.“ (7) Und allein bei dieser Deutung soll es auch bleiben. Dabei ist die Frauenkirche „aber auch der Dom der deutschen Christen im Nationalsozialismus, von der Hakenkreuzfahnen geweht haben und in dem an einem „entjudeten Christentum“ gearbeitet wurde. Die Frauenkirche ist also auch ein Erinnerungsort an die Täter und (…) genau diese Dimensionen, diese Vielfältigkeit der Deutungsmöglichkeiten verkennt das Gesetz nicht nur, ja, es verdrängt sie geradezu. Das Gesetz versucht, nur eine einzige und dazu noch historisch sehr neue Deutung durchzusetzen, und das mithilfe des staatlichen Gewaltmonopols.“ (8)
Die erinnerungspolitische Deutungsakrobatik der Koalitionsvertreter ist beim dritten definierten Erinnerungsort, dem Völkerschlachtdenkmal, nicht minder spektakulär. In der Gesetzesbegründung ist noch von Erinnerung „an die bis zum Ersten Weltkrieg verlustreichste Schlacht der Weltgeschichte“ die Rede, bei der das Völkerschlachtdenkmal baugeschichtlich „am Vorabend des Ersten Weltkrieges nationales Pathos und die Heldenhaftigkeit soldatischen Sterbens“ reflektiere und weiter: „Mit seiner Totenhalle ist das Denkmal aber auch ein Ort des Gedenkens an die Kriegstoten beider Seiten. Es erinnert an den unbekannten Soldaten.“ (9) In der Landtagsdebatte zum Versammlungsgesetz im Januar stellt der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Marco Schiemann, aber auch hier den Bezug zum Nationalsozialismus her. Er schafft es sogar das Denkmal zu einem Denkmal an die Opfer des Nationalsozialismus und für den Frieden umzudeuten: „Jeder, der sich mit Geschichte befasst, weiß, was in der Zeit nach 1933 am Völkerschlachtdenkmal stattgefunden hat. Da haben die Aufmärsche und Fackelzüge stattgefunden, und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für das deutsche Volk ist mit Füßen getreten worden (…). Jetzt sage ich Ihnen Folgendes: Haben wir nicht das Recht zu verhindern, dass jemals wieder an einem solchen Ort die Würde von Opfern dieses nationalsozialistischen Gewaltregimes im Zusammenhang mit dem Völkerschlachtdenkmal in den Dreck gezogen werden darf? Der Würdeschutz ist am Völkerschlachtdenkmal nicht nur postmortal an der Völkerschlacht zu Leipzig 1813 festzumachen. (…) Dieses Völkerschlachtdenkmal ist, zumindest vom sächsischen Königshaus, immer auch als ein Mahnmal gegen Kriege und deren Opfer angesehen worden. Ich kenne viele Leipziger, die mir gesagt haben: Für uns ist dies auch ein Mahnmal, dass nie wieder Menschen in einem solchen Krieg wie dem, den die Nationalsozialisten angezettelt haben, ihr Leben verlieren.“ (10) Neben diesen bereits im Gesetz benannten Erinnerungsorten ist es den jeweiligen Versammlungsbehörden in Sachsen überlassen weitere zu benennen: „Die Versammlungsbehörden sind somit nicht gehindert, aufgrund eigenständiger Feststellung auch an anderen Orten die Schutzwirkung (…) zu bejahen.“ (11)
2.
Mit der Förderalismusreform 2006 wurde das Versammlungsrecht in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer überführt. Gleichwohl sind die Länder dabei selbstverständlich an das Grundgesetz, aber auch an die jahrelange Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu grundsätzlichen Auslegungsstandards gebunden. Das Bundesinnenministerium empfahl im November 2006 einen von einer Arbeitsgruppe aus Bund und verschiedenen Ländern erarbeiteten Versammlungsgesetzentwurf als Beratungsgrundlage für die jeweiligen Landesgesetze zu nutzen. Damit sollten diese nach Möglichkeit so harmonisiert werden, dass nicht überall unterschiedliche Befugnisregelungen gelten. Nach Dr. Kurt Ginztel, Direktor der Bereitschaftspolizei des Landes NRW a. D., erfüllt dieser Entwurf alle Vorraussetzungen und bei „dieser Sachlage bedarf es nur etwas guten Willens, der oben zitierten Empfehlung des Innenministers zu folgen.“ (12) In das sächsische Versammlungsgesetz wird dann auch das Bundesversammlungsgesetz vollständig übernommen. Der §15 allerdings, der die zentrale Norm für behördliche Eingriffe in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit – also Beauflagungen bis hin zur Möglichkeit von Verboten – darstellt, wird entscheidend verändert. Er wird um eine Regelung ergänzt, die den Behörden eine Prognoseentscheidung erleichtern soll, ob eine Versammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung unmittelbar gefährdet. Sie kann dies nun „insbesondere“ befürchten, „wenn in der Vergangenheit vergleichbare Versammlungen oder Aufzüge zu einer solchen Gefährdung oder Störung geführt haben“ und sie einen konkreten Bezug zur aktuellen Versammlung haben und „tatsächliche Umstände die Annahme rechtfertigen“ dass die aktuelle Versammlung „in gleicher Weise zu einer Gefährdung führen wird.“ (13) Der geforderte konkrete Bezug zur aktuellen Versammlung „kann sich aus einer Identität der für die Versammlung verantwortlichen Personen oder des Versammlungsortes, einer weitgehenden Übereinstimmung der Teilnehmerkreise oder derselben Meinungsäußerung sowie aus Versammlungsort oder – zeitpunkt ergeben. Je größer das Ausmaß der jeweiligen Übereinstimmung ist, desto eher wird der konkrete Bezug bejaht werden können.“ (14) Für Klaus Bartl (Linksfraktion) ist dies die „Umkehrung der Beweislast“, nicht mehr die Versammlungsbehörde muss eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nachweisen, „sondern der Anmelder (…) muss quasi nachweisen, dass sein Vorhaben nicht gefährlich ist.“ (15) Sofern er das Pech hat, dass eine frühere Versammlung zum gleichen Thema, am gleichen Ort oder mit einem ähnlichen Teilnehmendenkreis zu einer solchen Gefährdung geführt hatte.
3.
§ 15 des Bundesversammlungsgesetzes formuliert eine mögliche örtliche Beschränkung der Versammlungsfreiheit: „Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn 1. die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und 2. nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.“ Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin wird ausdrücklich als ein solcher Ort benannt. Gleichzeitig wird die Möglichkeit eingeräumt, „andere Orte nach Satz 1 Nr. 1“ – also Orte die „an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ erinnern, durch das jeweilige Landesgesetz zu bestimmen. Die Koalitionsfraktionen in Sachsen machen daraus: „Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn 1. die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort von historisch herausragender Bedeutung stattfindet, der an a) Menschen, die unter der nationalsozialistischen oder der kommunistischen Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren, b) Menschen, die Widerstand gegen die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft geleistet haben, oder c) die Opfer eines Krieges erinnert“. (16)
In der Parlamentsdebatte zur Verabschiedung des Versammlungsgesetzes am 20. Januar bezogen sich die Redner der Regierung und der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP immer wieder ausdrücklich auf den so genannten Wunsiedelbeschluss des Bundesverfassungsgerichtes. In ihm hatte es das Verbot der jährlichen Naziaufmärsche zum Todestag von Rudolf Hess bestätigt und den zur Begründung dienenden § 130 Abs. 4 StGB als verfassungsgemäß eingestuft. Es führte aus, dass dieser Paragraf zwar kein allgemeines Gesetz ist, aber vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze ausgenommen ist. „Allgemeine Gesetze seien alle Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verböten, sondern dem Schutz eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienten, das in der Rechtsordnung allgemein und unabhängig davon geschützt sei, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden könne.“ (17)
Demgegenüber stellt der § 130 eine Ausnahme dar: „Von dem Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ist eine Ausnahme anzuerkennen für Vorschriften, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 zielen. Das menschenverachtende Regime dieser Zeit, das über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat, hat für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung, die einzigartig ist und allein auf der Grundlage allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen nicht eingefangen werden kann.“ Und weiter: „Die Vorschrift stellt nicht schon eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit unter Strafe, sondern die nach außen manifestierte Gutheißung der realen historischen Gewalt- und Willkürherrschaft, wie sie unter dem Nationalsozialismus ins Werk gesetzt wurde.“
Aus dieser formulierten Ausnahme und Einzigartigkeit, aufgrund „des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat“ leiten CDU und FDP die Möglichkeit ab, im Versammlungsgesetz von nationalsozialistischer oder kommunistischer Gewaltherrschaft zu sprechen und beziehen sich dabei auf die Präambel der Sächsischen Verfassung. Der Bundesgesetzgeber und die bisherige Rechtsprechung werden dann auch abgewatscht: „Im Freistaat Sachsen haben wir neben der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus auch die Gewaltherrschaft des Kommunismus erlebt. Das Grundgesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, und die davon betroffenen deutschen Länder sowie die Bundesrepublik Deutschland vor dem Jahre 1990 sind von der Erfahrung des Kommunismus verschont geblieben. Die Länder Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin – teilweise – und eben der Freistaat Sachsen haben die Gewaltherrschaft des Kommunismus erlebt.“ (18) Und wer das nicht erlebt hat, hat keine Ahnung, eine ich-habe-die-Wahrheit-gepachtet-Kontruktion, die gerade hier in Dresden nicht unbekannt ist.
Bei allen regierungsseitigen Veröffentlichungen zum Thema Versammlungsgesetz, seien es Pressemitteilungen, Wortbeiträge oder das Gesetz und seine Begründung selbst, wird deutlich, dass es zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit am 13./14. Februar verabschiedet worden ist. „Entgegen allem juristischem Aufwand zeigt sich an dieser Stelle, um was es geht: Die gesetzgeberische Rechtfertigung einfachster polizeitaktischer Erwägungen zur Absicherung des „Stillen Gedenkens“ an der Frauenkirche am 13. Februar. (19) Das Versammlungsgeschehen der letzten Jahre, vor allem der jährlich wiederkehrende Nazigroßaufmarsch, erwies sich dahingehend als regelrechter „Glücksfall“. Zu keinem anderen Anlass konnten sich die Koalitionsmitglieder gegenwärtig so großem öffentlichen Zuspruch zur Einschränkung des Versammlungsrechts sicher sein. Konsequent wird im Gesetz an der Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus gearbeitet. Dieser auf der Totalitarismustheorie aufsetzenden Geschichtsbetrachtung wird die tagespolitische Bekämpfung von Rechts- und Linksextremismus zur Seite gestellt. Dafür ist keine Polemik zu billig. Beide missbrauchen in den Augen von CDU und FDP die Versammlungsfreiheit an diesen Tagen und bedingen sich gegenseitig. Es entbehre „nicht einer gewissen Perversität, wenn Redner der Linken hier ankündigen, gegen dieses Gesetz zum Verfassungsgericht zu ziehen und damit nichts anderes ankündigen, als dass die Linken den Nazis die Straße freikämpfen, um sie hinterher mit Steinen zu bewerfen“ mein etwa Dr. Jürgen Martens, Staatsminister für Justiz und Europa (FDP). (20)
Bündnis90/Die Grünen und die Linksfraktion haben angekündigt das Versammlungsgesetz vor Gericht auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Spätestens dann dürfte es in seiner jetzigen Form Geschichte sein. Für das versammlungsrechtliche Geschehen am 13./14. Februar, für das es ja extra im Eiltempo durch das Parlament gebracht wurde, hatten die Änderungen allerdings schon in diesem Jahr keine Bedeutung. Die Ordnungsbehörde der Stadt bezog sich zu keinem Zeitpunkt in den juristischen Auseinandersetzungen auf die skizzierten, spezifisch sächsischen Regelungen und schaffte es dennoch den Naziaufmarsch aus der Dresdner Innenstadt herauszuhalten und ihm den Bahnhof Neustadt als Treffpunkt zuzuweisen. Einen Ort also, der im Sinne des Gesetzes geradezu prädestiniert ist einer zu sein, der an Menschen erinnert, die unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren. (21) Gleichwohl war es eine überschaubare Anzahl aus dem Kreis der „üblichen Verdächtigen“, die ihren Protest gegen diese Entscheidung am 12. Februar zum Ausdruck brachten. Die meisten Dresdner interessierte dies nicht, die Vertreter der Regierungskoalition, die sich nur zwei Wochen zuvor für die „Würde der Opfer“ wortgewaltig ins Zeug legten, blieben stumm. Das sich mit der Zuweisung dieses Ortes auch die Aktivitäten der antifaschistischen Bündnisse aus der Innenstadt heraus verlagerten, kann und soll diesen nicht angelastet werden, war aber für die Dresdner Gedenkgemeinde ein nicht gerade ungewollter „Nebeneffekt“. „Dresden darf nicht von Extremisten, weder von Rechts noch von Links, missbraucht werden!“ (22) Schließlich geht es gerade darum, „den Dresdner Bürgerinnen und Bürgern, das zu ermöglichen, was die überwiegende Mehrheit von Ihnen möchte: ein stilles und würdevolles Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar“. (23) Wenn die Dresdner Oberbürgermeisterin nach dem 13. Februar 2010 die Hand zur Zusammenarbeit in Richtung des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ ausstreckt ist dies für eine Linke weniger ein Angebot denn eine Drohung. Wie hieß es eingangs? An diesem Tag darf es keine Demonstrationen geben! Dresden arbeitet daran.