„Querdenken“ Demo in Dresden – Rechter Pull-Effekt zu erwarten

Nach den Großdemos in Leipzig am 7. November und in Berlin am 29. August will die „Querdenken“-Bewegung nun zum zweiten mal in Dresden demonstrieren. Eine entsprechende Kundgebung unter dem Motto „Für Demokratie und Grundrechte“ ist für den 12. Dezember auf der Cockerwiese angemeldet. Verantwortlich zeigt sich die Initiative „Querdenken351“, um den Mitbegründer von „Eltern stehen auf – Bautzen“ Marcus Fuchs, sowie die „Mahnwache für Frieden Dresden“, der „Bürgerdialog Dresden“ und weitere lokale Zusammenhänge. Neben der Hauptkundgebung wird ein Autokorso bereits 11 Uhr vom Straßburger Platz aus angekündigt, ein Gottesdienst der „Christen im Widerstand“ auf dem Theaterplatz und eine weitere Kundgebung auf der Cockerwiese ab 13 Uhr der „Ärzte bekennen Farbe“. Im Anschluss soll dann die Kundgebung von „Querdenken351“ folgen, die nach Angaben des Veranstalters zwar von 14 bis 19 Uhr angemeldet sei, jedoch nur bis 16 Uhr inhaltlich ausgestaltet werde. Auf der Internetseite finden sich bisher nur wenige angekündigte Redner*innen.

Es ist mit einer ähnlich hohen Teilnehmer*innenzahl zu rechnen, wie bereits am 31. Oktober auf dem Theaterplatz, als sich ca. 4000 „Querdenker“ einfanden. Für diese Anzahl ist die Kundgebung auch angemeldet. Die aktuelle Mobilisierung läuft über verschiedene große wie kleine Telegram-Kanäle, sowie lokale großflächig angelegte Briefkasten-Flyeraktionen. Eine darüber hinausgehende öffentliche Werbung ist kaum sichtbar – im Gegensatz zu Leipzig, wohin im Vorfeld des 7. November das Who is Who der rechten Szene, wie z.B. Jürgen Elsässer, aufriefen. Auf Facebook und anderen Social-Media-Plattformen erfährt die Veranstaltung in Dresden bisher wenig Resonanz. Allerdings ist Dresden offenbar auch nicht als bundesweites Großevent angelegt. Das legen zwei weitere thematisch ähnliche Kundgebungen am selben Tag in Erfurt und Frankfurt nahe. Sachsen hat sich jedoch neben Baden-Württemberg zu einem Hotspot der Corona-Proteste entwickelt. Lokale Akteur*innen haben maßgeblich die Proteste in Berlin und Leipzig mit Busanreisen unterstützt. Das Mobilisierungspotential aus Sachsen ist daher nicht zu unterschätzen. Das zeigen auch die zahlreichen regionalen Proteste der letzten Wochen wie Zittau, Bautzen oder Annaberg. Auch der sächsische Pull-Effekt für Rechte, Verschwörungstheoretiker*innen, Nazis, Hooligans und „Querdenker“ dürfte nach den gefeierten Ereignissen von Leipzig eher noch gewachsen sein.

Für organisierte Nazis ist das Thema anschlussfähig, das haben die letzten Monate immer wieder gezeigt. Doch nicht nur Antisemitismus, Verschwörungsrhetorik und Widerstandspose locken, auch die Möglichkeit über diese dynamische Protestbewegung hinaus, in die bürgerliche Mitte zu wirken und politisch Land zu gewinnen, ist reizvoll für Nazis wie auch Neue Rechte. Die „Querdenker“ haben keine Probleme damit, wenn Nazis und Hooligans als Speerspitze auftreten und, wie in Leipzig, auch gewalttätig agieren.

Quelle: Instagram

Im Internet kursieren bereits mehrere Aufrufe aus Nazi- und Hooligankreisen, sich an den Protesten in Dresden zu beteiligen. Der erste Aufruf wurde auf der Seite Hooligans.cz, die mit rund 63.000 Followern einer der größten ihrer Art ist, veröffentlicht. Unter dem Motto „Hooligans and Nationalist mobilization against the system“ wurde ein Sharepic der Proteste in Leipzig geteilt. Hooligans und rechte Ultras nehmen europaweit eine zentrale Rolle in den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen ein. Auch in Prag organisierten Hooligans bereits Anti-Corona-Proteste, in deren Rahmen es zu heftigen Ausschreitungen kam. Aufgrund der Einschränkungen des Grenzverkehrs, ist jedoch nicht von einer größeren Anreise aus dem Nachbarland auszugehen. Die Aufrufe, die mit ähnlichem Inhalt auch auf „Ultras not red“ (6k) und „Ultras International 1312“ (2k) verbreitet werden, dürften aber das lokale/regionale Fußballmilieu mobilisieren. Diese Veranstaltungen werden als willkommener Ausgleich für fehlende Fussballspiele und die eingeübten Spielchen drumherum betrachtet.

Dieser Effekt wirkt nicht nur bei Hooligans, sondern auch bei aktionsorientierten Nazis, da hier die Übergänge fließend sind. Ohne eigene Demonstrationen, Konzerte und Kampfsportveranstaltungen, sind es die „Corona-Demos“, die eine willkommene Abwechslung darstellen. So beteiligten sich Dresdner Nazis an der Kundgebung auf dem Theaterplatz und „Werra Elbflorenz“ auch an der Leipziger Demonstration. Auch wenn nicht davon auszugehen ist, das es zu einer ähnlich zahlreichen Teilnahme wie in Leipzig kommt, sollten die rechten Mobilisierungen nicht unterschätzt werden.

Die Instagramseite „Widerstand in Aktion“, die dem lokalen „Junge Nationalisten“ (JN) Spektrum zuzuordnen ist, ruft zur Teilnahme auf und bewirbt einen separaten Treffpunkt. Der Aufruf wird mittlerweile von den meisten lokalen JN-Seiten und lokalen rechten Akteur*innen auf Instagram geteilt. Ein weiterer Aufruf kursiert von der Bautzner Gruppe „Balaclava Graphics“, um den bekannten Nazi Benjamin Moses, die eine Anreise aus Ostsachsen ankündigt. Beide Aufrufe wurden mittlerweile auch von der Gruppe „Tradition und Ordnung“ geteilt. Die deutsche Ausgründung einer militanten rechten Gruppierung aus der Ukraine mobilisierte mit einem eigenen Video zu den Protesten nach Leipzig und ruft mittlerweile zusammen mit „Junge Revolution“ um den Zwickauer Sanny Kujath dazu auf, an den Protesten in Dresden teilzunehmen. Auch der „Dritte Weg“ mobiliert nach Dresden.

Die Ankündigung von „Querdenken351“, dass es bei einer eingezäunten Kundgebung bleiben soll, dürfte die Attraktivität der Veranstaltung schmälern. Deshalb ist zu erwarten, dass das aktionsorientierte Klientel aus Nazis und Hooligans sich im Stadtgebiet aufhalten wird, ggf. sogar eigene Demonstrationen oder Aktionen durchführen und die Auseinandersetzung mit Gegendemonstrant*innen suchen wird.

Nach dem Urteil des OVerwG Bremen und der Bestätigung des BVerfG zum Bestand des Verbotes der Querdenken Demo in der Hansestadt bleibt abzuwarten, ob die Stadt Dresden ähnliches versuchen wird. Insbesondere da dies aufgrund des hohen Inzidenswertes in den letzte Tagen möglich wäre. Das Schweigen der politischen Entscheidungsträger*innen zur geplanten Kundgebung am 12. Dezember, als auch das Urteil des OVerwG in Bautzen zur Kundgebung am 07. November in Leipzig lässt jedoch darauf schließen, dass die Kundgebung von „Querdenken351“ wie geplant stattfinden kann.