Comeback des Brandanschlags?

Reichenbach, Großschweidnitz, Löbau, Dresden-Cossebaude, Leipzig, Lodersleben, Chemnitz, Wurzen – lang ist die Liste der Orte, in denen im zurückliegenden Monat Brandanschläge durch Nazis verübt worden sind. Betroffen waren zumeist Asia- oder Dönerimbisse, aber auch linke, alternative Projekte wurden Ziel der offensichtlich politisch motivierten Anschläge. Nicht nur das gehäufte Auftreten dieser Naziübergriffe, auch das Vorgehen zeigt eine beunruhigende Qualität: die Brandanschläge in Dresden, Leipzig, Lodersleben und Chemnitz richteten sich gegen Wohnhäuser und nahmen den Tod von Menschen billigend in Kauf.

Die Vorgehensweise mittels Brandsätzen gegen störende „Ausländer“ vorzugehen, ist jedoch keineswegs neu. Bereits in den neunziger Jahren forderten rassistische Angriffe und Anschläge auf MigrantInnen und deren Wohnungen mehrere Todesopfer. Seit dem kommt es immer wieder zu ausländerfeindlichen Brandanschlägen, die für die LadenbetreiberInnen den wirtschaftlichen Ruin bedeuten können und/oder diese zur Aufgabe ihres Geschäfts und zum Wegzug veranlassen. Dabei sind Brandanschläge oft nur der Gipfel rassistischer Übergriffe: Sachbeschädigungen und Verwüstungen an und von Imbissen und Restaurants gehören insbesondere in Sachsen zum Tagesgeschäft der in den Augen der RassistInnen als Ausländer stigmatisierten LadeninhaberInnen und erregen kaum noch öffentliches Aufsehen.

Auch die nun zu beobachtende Anschlagsserie erfährt kaum eine größere mediale Rezeption oder öffentliche Thematisierung. So verkündete die Dresdner Polizei zum Anschlag in Cossebaude sogar: „Wir gehen aber nach derzeitigen Erkenntnissen nicht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus“ [1], und schließt damit eine rassistisch motivierte Straftat explizit aus. Die Begründung für diese realitätsfremde Sicht bleibt sie allerdings schuldig.

Die für die Anschläge verantwortlichen Nazis scheinen weitgehend unabhängig voneinander und oftmals relativ spontan zu agieren, was durch das zum Teil dilettantische Vorgehen bestätigt wird. So wurden in Löbau kurz nach dem Brandanschlag vier zum Teil einschlägig bekannte Nazis festgenommen, die „in ihrem Auto Benzin, Farbspray, ein[en] Baseballschläger sowie ein[en] Ehrendolch der Waffen-SS“ mit sich führten“ [2]. Mit der Spraydose hatten sie kurz zuvor noch „Deutsche kauft nicht bei Ausländern“ an den gleich darauf angezündeten Imbiss gesprüht. Auch in Reichenbach und Lodersleben liessen Festnahmen nicht lange auf sich warten und in Leipzig wurde der Anschlag offenbar aus einem fahrenden Auto heraus begangen, obwohl der Bereich durch Kameras überwacht wird.

Dennoch fällt es schwer, die Häufung der Brandanschläge als bloßen Zufall abzutun oder gänzlich mit Nachahmungseffekten erklären zu wollen. Nicht unwahrscheinlich erscheint vielmehr, dass es im Zusammenhang mit Daten wie dem 20. April oder dem 1. Mai in rechten Kreisen kursierende Aufrufe oder Diskussionen gab, gegen „Ausländer“ mit Brandsätzen vorzugehen. Konspirativ organisierte Demonstrationen wie in Cottbus am 1. Mai oder in Mittweida am 8. Dezember 2007 zeigen zumindest, dass die hiesige Nazi-Szene über Kommunikationskanäle verfügt in denen sie unentdeckt solche Absprachen treffen kann und über die sie in der Lage ist, diese ebenso unentdeckt zu streuen.

Klar ist damit aber auch, dass so lediglich der Grund für die Häufung der Brandanschläge erklärt wäre. Die eigentliche Motivation – und damit ein Grundproblem einer antifaschistischen Herangehensweise – ist nach wie vor in einer gesellschaftlich verbreiteten Ideologie zu suchen, die alle Menschen anhand der Frage sortiert, ob sie Teil des nationalen „Wir“ sind oder nicht. Damit wird einem nationalen Rassismus, also der Diskriminierung von Menschen aufgrund anderer Nationalität, die Grundlage bereitet. Eine Grundlage auf der sich Nazis dazu berufen fühlen, ausländerfeindliche Brandanschläge zu verüben.

Unvollständige Übersicht:

2007

27. Juli Frankenberg: Asia-Imbisswagen in Brand gesetzt und versuchte Brandstiftung in einer Pizzeria auf der Chemnitz Straße (Quelle: Amal Sachsen/Freie Presse)

09. Dezember Senftenberg: Döner-Stand mit Molotowcocktails angezündet, wirtschaftlicher Totalschaden, fünf Verdächtige gefasst (Quelle: Lausitzer Rundschau, 10.12.2007)

2008

22. März Berlin-Rudow: Brandanschlag auf ein Wohnhaus einer bosnischen Familie (Quelle: Berliner Zeitung vom 05.06. 2008)

7. April Reichenbach (Vogtland): Molotowcocktail gegen Pizzeria, Feuer konnte rasch gelöscht werden, vier Täter gefasst, sind aus dem Spektrum der Nazi-Montagsdemo ins Zwickau (Quelle: Freie Presse, 09. & 17.April 2008)

16. April Langewiesen (Thüringen): Brandanschlag auf den linken Jugendtreff „Garage“
(Quelle: http://www.agst.antifa.net/archiv/text138.htm)

17. April Großschweidnitz: Döner-Stand angezündet, Molotowcocktail (SäZ, 18.04. 2008)

17. April Dresden/Cossbaude: Döner-Imbiss mit Molotowcocktail angezündet, Polizei: „Wir gehen aber nach derzeitigen Erkenntnissen nicht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus“ (SäZ, 18. April 2008), weitere Angriffe mit Steinen auf die Fensterscheiben: 30. März, 13. April, 26. April 2008

20. April Leipzig: Brandanschlag auf den Fischladen (Vereinslokal des Roten Stern Leipzigs), Laden befindet sich in einem Wohnhaus (Quelle: linxxnet)

20. April Berlin-Neukölln: Brandanschlag auf ein Einfamilienhaus eines türkischen Unternehmers (Quelle: Berliner Zeitung vom 05.06. 2008)

20. April Blankenfelde (bei Berlin): Brandanschlag auf einen Döner-Imbiss (Quelle: Maerkische Allgemein vom 21.04.2008)

26. April Lodersleben (Sachsen-Anhalt): Brandanschlag auf polnische Erntehelfer mit einem Molotowcocktail, keine Verletzten, fünf Jugendliche festgenommen (SPON, 27.04.2008)

28. April Chemnitz: Brandanschlag auf die Reitbahnstraße 84 mit zwei Molotowcocktails, keine Verletzten (Quellen: Chemnitzer Antifa)

1. Mai Wurzen: Brandanschlag auf Asia-Döner-Imbiss, explosionsartige Verbrennung, keine Verletzten, Imbiss-Totalschaden (LVZ, 02.05.2008)

1. Mai Potsdam: 30-50 deutsche Männer greifen einen Döner-Imbiss an und verletzen vier Personen, so dass diese im Krankenhaus behandelt werden müssen