Der Volkstrauertag 2008

Jedes Jahr im November – genauer gesagt zwei Sonntage vor dem Ersten Advent – wird überall in Deutschland der sogenannte Volkstrauertag begangen. Seit 1952 ist dieser ein offizieller staatlicher Gedenktag für die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Erstmalig eingeführt in der Weimarer Republik, wurde er im Nationalsozialismus als staatlicher Feiertag festgelegt und in „Heldengedenktag“ umbenannt. Mit der Neueinführung 1952 wollte man sich bewusst von dieser Tradition abgrenzen und an jene der Weimarer Republik anknüpfen. Gedacht werden solle der „Toten zweier Kriege an den Fronten und in der Heimat, an die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen“. In solchen Formulierungen und in den offiziellen geschichtspolitischen Reden zu diesem Anlass, sowie im Begehen des Gedenktages an sich zeigt sich eine Indifferenz in der Zuschreibung des Opferstatus. Damit verbunden ist eine Viktimisierung deutscher Täter_innen im NS, sowie eine Entkontextualisierung und Entkonkretisierung geschichtlicher Ereignisse.

Nicht verwunderlich also, dass es gerade den Nazis heute nicht schwer fällt hier Anknüpfungspunkte zu finden. In Wortwahl und Pathos beziehen sich diese im Unterschied zum offiziellen Gedenken auf die Tradition des „Heldengedenkens“ im Nationalsozialismus. „Ehrendienst ist Pflichterfüllung an den Toten unseres Volkes. So gilt es heute wie damals!“ schreibt netzwerkmitte.com und berichtet von den Aktionen der Kameraden zum Volkstrauertag 2008. [1]
So putzten Nazis am 16.11.2008, ähnlich wie in den Jahren zuvor, Denkmäler und legten in kleinem Rahmen Kränze nieder, beispielsweise in Possendorf und Radeberg. In Dresden hingegen fanden zwei größere Veranstaltungen statt. Der NPD-Ortsverband Schönfeld-Weißig legte auf dem Weißiger Friedhof einen Kranz am dort befindlichen Denkmal „Für die gefallenen deutschen Soldaten der beiden Weltkriege“ nieder. Dazu sprach der NPD-Ortsvorsitzende Paul Lindner vor den ca. 30 anwesenden Nazis zum “Andenken an die Toten unseres Volkes“, welches „in lebendiger Erinnerung bleiben muß“ und davon, „daß es Aufgabe der heutigen Generation sei, der Geschichtsverfälschung entgegenzutreten, um die Meinungshoheit über unsere Vergangenheit von den antideutschen Ideologen zurückzuerobern.“ [2] Anschließend folgte die obligatorische Schweigeminute und das Absingen des Lieds „Vom guten Kameraden“. In Dresden-Ost fand die zentrale Gedenkveranstaltung von NPD und Freien Kräften der Region statt. Der Programmablauf glich dem der vorhergehenden Veranstaltung: Reden, Kranzablage, Schweigeminute und das Kameradenlied. An dieser Veranstaltung nahmen laut Eigenangaben 50 Nazis teil, darunter u.a. das Mitglied des sächsischen Landtages Rene Despang, die Dresdner Stadtratsabgeordnete Brigitte Lauterbach, Matthias Hahn, Frithjof Richter,Harald Zander und der stellvertretende NPD-Landespressesprecher Arne Schimmer. Die Reden hielten für die NPD-Dresden Jens Baur und für die „Freien Kräfte Dresden“ Maik Müller.

Bereits am Freitag Abend führten „Freie Kräfte“ aus Brandenburg und Sachsen eine Gedenkveranstaltung ganz stilecht mit Fackeln, schwarzen Fahnen und pathetischen Reden in Burg im Spreewald durch. Zwischen 80 (LVZ vom 16.11.2008) und 240 [3] Nazis, auch aus der Region Dresden nahmen daran teil. Der anschließende „spontane“ Aufmarsch durch die Ortschaft wurde von der Polizei aufgelöst, es gab 44 Festnahmen. Auch in Döbeln waren am Samstag 30 Nazis, vornehmlich vom „Freien Leipzig“ und der „Division Döbeln“, anlässlich des Volkstrauertages auf der Strasse. In Wurzen konnte man am Sonntag ebenfalls 50 gedenkende Nazis zählen.

Diese Aufzählung hat keineswegs den Anspruch alle Naziveranstaltungen rund um den Volkstrauertag in Sachsen zu versammeln. Sie soll lediglich verdeutlichen, dass dieser Tag im November fester Bestandteil eines jeden Naziterminkalenders ist und somit auch Gegenstand antifaschistischer Intervention sein sollte.

[1] zitiert nach http://netzwerkmitte.com/site/nachrichten/16.11.2008.html
[2] zitiert nach http://npd-dresden.de
[3] Eigenangabe auf http://lausitz-infos.net und http://freie-offensive.net