In der Neonazi-Nische

Porträt der »Jungen Landsmannnschaft Ostdeutschland«

Die neonazistische Kleinstorganisation »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland« tritt einmal im Jahr als Veranstalterin des mittlerweile europaweit bedeutsamen Neonazi-Trauermarsches in Dresden öffentlich in Erscheinung.

Alljährlich seit 1999 veranstaltet die »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO) in Dresden im Februar einen so genannten Trauermarsch zur Erinnerung an die Bombardierung Dresdens. In den restlichen elf Monaten hingegen sind ihre Aktivitäten kaum bemerkbar. Im neonazistischen Alltagsgeschäft spielt die JLO keine Rolle. Ihre kaum vorhandene öffentliche Wahrnehmung steht ihrer Bedeutung für die Szene entgegen. Eine ganze Reihe führender Aktivisten waren bzw. sind unter anderem in der JLO organisiert: Der heutige NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel war beispielsweise JLO-Landesvorsitzender in Hessen. Der ehemalige NPD-Fraktionsmitarbeiter, Stefan Rochow, war zeitweise sogar JLO-Bundesvorsitzender. Ein weiterer ehemaliger JLO‘ler ist Holger Szymanski. Er leitet mittlerweile den »Parlamentarischen Beratungsdienst« der sächsischen NPD-Landtagsfraktion. Für alle drei fungierte die JLO als »Durchlauferhitzer« in ihren neonazistischen Polit-Karrieren. Diese Funktion soll zukünftig offenbar gestärkt werden. Das »Nationale Bündnis Dresden« begründete seine Auflösung Ende 2010 unter anderem damit, dass die JLO »zukünftig ihre Arbeit in Sachsen wieder intensivieren« und eine Rolle als »Vorfeldorganisation« übernehmen wird.

Anschlussfähig ist die JLO durch ihre strenge völkische und revisionistische Ausrichtung gerade für extrem ideologisierte Neonazis. So verwundert es nicht, dass die JLO nach dem Verbot der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) im Jahr 2009 als Auffang- und Nachfolgeorganisation gehandelt wurde. Die personellen Überschneidungen liegen auf der Hand.

Personal

Stephan Roth, derzeitiger Bundesführer der JLO, posierte vor wenigen Jahren in HDJ-Kluft in einem HDJ-Werbevideo. Roth stammt aus Oybin im Zittauer Gebirge und ist seit vielen Jahren in der Neonazi-Szene aktiv. Bundesweit bekannt wurde er im Zuge des »Hirschberg-Prozesses« 2006. Vor dem Landgericht im polnischen Jelenia Góra waren Roth, der damalige Görlitzer DSU-Stadtrat, Jürgen Hösl-Daum, und Robert G. – ein Neonazi aus der Region Bautzen – angeklagt wegen Beleidigung der polnischen Nation und Anstachelung zum Völkerhass. Die drei hatten in einer so genannten »Aktion Vergessen« in verschiedenen polnischen Ortschaften Plakate geklebt, die vermeintliche Vertreibungsverbrechen von Polen und Tschechen an Deutschen anprangerten. Dafür erhielten sie Bewährungs-strafen. Zudem ist Stephan Roth in völkisch-bündischen Zusammenhängen aktiv. Für eine Veranstaltung der rassistischen Religionsgemeinschaft »Bund für Gotterkenntnis – Ludendorfer e. V.« im November 2008 in Dresden konnten sich TeilnehmerInnen bei ihm anmelden. Seinen politischen Anspruch macht Roth in der Theoriezeitschrift »Hier & Jetzt« deutlich. Ganz im Sinne der JLO schrieb er in einem Artikel über die völkische »Artamanen«-Bewegung: »Es sind nicht die Schlechtesten, die sich gegen die befremdende Zivilisation wehren und trotzig und voller Zuversicht an ihrem Traum werken, wieder eigener Herr auf eigener Scholle zu sein. Vergeblich wird es nur sein, wenn es weiterhin an einer Bewegung mangelt, die das Ganze stärkt und formt.«

Auch der stellvertretende Bundesführer Kai Pfürstinger stammt aus Sachsen. Als sächsischer JLO-Landesvorsitzender ist er als Anmelder des »Trauermarsches« in Dresden bekannt. Der Altenberger bewegte sich ebenfalls in völkischen Kreisen im Umfeld der HDJ. In kleinerem Rahmen organisierte er wiederholt Volkstanzveranstaltungen. Zweiter stellvertretende Bundesführer ist der Szene-Anwalt Björn Clemens. Die ehemaligen Bundesvorstände, Christian Schaar und Dirk Pott, vervollständigen als Beisitzer die JLO-Bundesführung.

Neben dem Vorstand zählen überschaubar wenige Neonazis zum aktiven Kern der JLO. Auch hier gibt es Überschneidungen zu anderen Organisationen. So war der ehemalige Münchner und spätere Görlitzer Dirk Bredack neben seinem Engagement für die JLO auch im NPD-»Bildungswerk für Heimat und nationale Identität« aktiv. In Dresden waren lange Jahre Elli Dobberstein und Alexander Kleber als führende JLO-Köpfe bekannt. Beide pflegten enge Kontakte zu NPD, JN und so genannten freien Kräften.

Plakative Ideologie

Der enge Kreis der aktiven JLO‘ler und ihrer Familien bildet eine völkische Gesinnungsgemeinschaft. Im revisionistischen Sinne thematisiert die JLO die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Dabei fokussiert sie den Verlust der ostpreußischen Gebiete und die damit einhergehende Vertreibung der Deutschen. Sie betreibt außerdem einen Bauernhof in Steinbrücken im Mansfelder Land. Hier werden Ideen zur Selbstversorgung und völkischen Siedlungskonzepten entwickelt. Offen knüpft die JLO in ihrer Außendarstellung am historischen »Deutschen Orden« an. Ihr Symbol, ein weißes Schild mit stilisiertem schwarzen Kreuz, an dem ein Pfeil nach Osten weist, ist dem des Ordens entlehnt.

Wenngleich die JLO jedes Jahr im Februar in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, ist sie keinesfalls die alleinige relevante Struktur hinter dem Neonazi-Großaufmarsch. Vielmehr beschränkt sich ihre Aktivität auf das Anmelden und nominelle Auftreten als Veranstalter. Innerhalb der Neonaziszene ist die JLO dafür seit Jahren umstritten. Angeprangert wurde, dass »eine wahrhafte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema« immer weniger geführt wurde und die »organisatorische(n) wie personelle(n) Missstände innerhalb der JLO […]« zu einem »Einbruch parteipolitischer Tendenzen und damit zuletzt zur fast vollständigen Abkehr vom ursprünglichen Veranstaltungscharakter« geführt hätten. Seit 2007 führen daher Neonazis aus dem Spektrum der »freien Kräfte« einen, nach eigener Aussage, authentischen Fackelmarsch am Abend des 13. Februar in Ergänzung zum JLO-Großaufmarsch durch.

Dieser Artikel erschien in DERRECHTERAND Extra Dresden im März 2011

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