Nach derzeitigem Kenntnisstand wird es am 18. (und 11.) Februar 2012 keinen Nazi-Großaufmarsch in Dresden geben. Wie zuletzt 2007 verzichten die Nazis auf den Aufmarsch an einem Wochenendtermin in der Nähe des 13. Februar. Dieser nationalsozialistische Rückzug ist Ergebnis entschlossener antifaschistischen Praxis.
Der Ton in der Naziszene wurde zuletzt rauer: die Konfusion über die Frage, ob denn nun am 18.02.2012 der Großaufmarsch der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) stattfinden wird, führte zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen und Anfeindungen. Die Informationslage stellt sich derzeit wie folgt dar:
1. Der stellvertretende JLO-Bundesführer und Versammlungsanmelder Kai Pfürstinger hat bekannt gegeben, dass keine Demonstration organisiert wird. Die existierende Anmeldung für den 18.02.2012 werde nach seiner Aussage nur noch aufrecht erhalten, um die antifaschistische Mobilisierung ins Leere laufen zu lassen. Eine öffentliche Zurücknahme der Anmeldung sei aus diesem Grund erst Anfang Februar geplant.
2. Das „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ (AgV) und dessen lokaler Hauptakteur Maik Müller verweigern öffentlich jede Verantwortung für den 18. Februar und verweisen ausschließlich an die JLO. Der eigene Arbeitsschwerpunkt sei lediglich der 13. Februar, für alles weitere habe man „ehrlich gesagt auch gar keine Zeit“.
3. Es gibt bis heute keine ernstzunehmende Nazimobilisierung für den 18. Februar 2012. Eine – möglicherweise die einzige – Ankündigung auf der lokalen Nazi-Homepage netzwerkmitte.com wurde Anfang Januar aus dem Net genommen, nachdem sich öffentlich beschwert wurde, dass zur Anmeldung keine weiteren Informationen zur Verfügung gestellt werden.
4. Für den 18. Februar 2012 wird bereits eine andere Veranstaltung beworben. Die Jungen Nationaldemokraten (JN) Leipzig laden an diesem Tag zu einer Faschingsfeier ein. In der JN Leipzig organisieren sich Teile der Struktur, die in den vergangenen Jahren unter anderem für den Ordnerdienst beim JLO-Großaufmarsch verantwortlich waren. Das demonstrative Wegbleiben zeigt, dass die JLO hier nicht mit Unterstützung rechnen kann.
5. Bereits vor zwei Jahren (13. Februar 2010) wurde deutlich, dass die JLO nicht in der Lage ist, auf kurzfristige, außergewöhnliche Situationen zu reagieren. Die Blockaden um den Startpunkt der Nazis am Bahnhof Dresden-Neustadt überforderten die Organisatoren und zeigten deren Handlungsunfähigkeit. Sie war darauf angewiesen, dass spontan Kader der sogenannten Freien Kräfte organisierend eingriffen und so ein völliges Chaos innerhalb der 6.500 Nazis verhinderten.
6. Das im letzten Jahr (19. Februar 2011) gescheiterte Konzept mehrerer Aufmärsche wurde organisatorisch wesentlich durch „Freie Kräfte“ getragen. Im Nachhinein erklärten sie jedoch den offenen Bruch mit dem „Ein-Mann-Betrieb“ JLO. Das Aktionsbündnis gegen das Vergessen (AgV) schrieb in seiner Auswertung in Bezug auf die JLO: „Innerlich tote Scheinorganisationen aber, welche das Gedenken an die Toten unseres Volkes als letzte Existenzberechtigung missbrauchen, sind fehl am Platze!“ Das erklärte und auch umgesetzte Ziel war nun, die JLO aus der Organisation des Fackelmarsches am Abend des 13. Februar zu drängen.
7. Die NPD, die – zumindest theoretisch – ersatzweise organisierend einspringen könnte, kann und will sich keine Demonstration erlauben, bei der die ernstzunehmende Gefahr einer gewalttätigen Eskalation besteht. Bilder von Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Polizei bzw. Gegendemonstrant_innen passen nicht zum propagierten Kurs der „seriösen Radikalität“. Hinzu kommt, dass auch hier die organisatorische Leistungsfähigkeit begrenzt ist. Die Umstrukturierung an der Bundesspitze, die desolate finanzielle Lage und ein drohendes Verbotsverfahren nehmen alle Aufmerksamkeit in Anspruch. In dieser Situation ist es für die NPD komfortabler auf die Demonstration des AgV am Abend des 13. Februars zu setzen.
Das sich ergebende Bild ist:
Die „Freien Kräfte“ wollen keine Demonstration am 18. und die JLO kann keine Demonstration am 18. organisieren. Die NPD hält sich zurück, taktiert und beteiligt sich dort, wo der Aufwand gering und der mediale Nutzen möglichst kalkulierbar ist. Auch wenn ein nicht geringes Potential der bundesdeutschen rechten Szene auf den Wochenendaufmarsch wartet, die bisher bekannte Großdemonstration fällt flach. Spontane Aktionen – sowohl in Dresden, als auch in anderen Städten – sind folgerichtig nicht ausgeschlossen, aber allenfalls in einem wesentlich kleineren Rahmen realistisch.
Der Rückzug der Nazis vom Wochenendtermin ist aber auch das Ergebnis der entschlossenen antifaschistischen Praxis in den vergangenen Jahren. Es ist das Ergebnis einer bundesweiten Mobilisierung, die mit Blockaden und dezentralen Aktionen den organisatorischen Aufwand für die Nazis enorm steigerte und den Aufmarsch der Nazis letztlich verhinderte. Diesen Erfolg kann sich nicht die Stadt Dresden und auch nicht der Freistaat Sachsen anheften, gegen deren Widerstand die Verhinderung des Naziaufmarsches durchgesetzt werden musste.
Trotz des Erfolges ist 2012 nicht gelaufen: Der Fackelmarsch in den Abendstunden des 13. Februars wird für die Naziszene weiter an Relevanz gewinnen. Bereits im letzten Jahr demonstrierten etwa 2.000 Nazis abgeschirmt von tausenden Polizisten durch die Dresdner Südvorstadt. Die Stadt zieht sich mit der Menschenkette auf symbolisches Zeichensetzen zurück. Die schwarz-gelbe Staatsregierung setzt erneut auf die Einschränkung des Versammlungsrechts. Wie eh und je mauert die Stadtverwaltung in Bezug auf die Naziroute, um Proteste zu erschweren. Auf dem Heidefriedhof werden Vertreter der demokratischen Parteien gemeinsam mit Nazis ein „würdevolles Gedenken“ begehen.
Ohne Frage, es gibt noch reichlich zu tun. Klar ist aber auch, unsere Antwort wird die richtige sein: Antifaschismus!