Der deutsche Nick Greger war jahrelang aktiver Nazikader. Im Jahr 2000 wurde er wegen Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags verurteilt. 2005 stieg er mit Hilfe des Bundesprogramms Exit aus der Szene aus. Nun, sieben Jahre später, gilt er als Schlüsselfigur einer anti-islamischen Rechten. Sein Interesse für Waffen ist ungebrochen, vieles weisst zudem auf Verbindungen zum norwegischen Attentäter Anders Breivik hin. Ein Bericht über einen vermeintlichen Aussteiger, der offensichtlich nur sein Feindbild gewechselt hat.
Die Zeitschrift NEON widmete dem mittlerweile in Gambia lebenden Nick Greger im Februar ein 8-seitiges Porträt [1]. Beschrieben wird er darin als Naziterrorist, der wegen seiner Liebe zu einer schwarzen Frau aussteigt und sich von seiner Vergangenheit los sagt. Das Greger stattdessen nur das Feinbild gewechselt hat und sich heute auf einem Feldzug gegen Islamisten wähnt, streift der Artikel nur am Rande. Seine Faszination für den „aktuellen Modehass“ Antiislamismus wird dabei zu einer von vielen „merkwürdigen Ansichten“, die man ihm letztlich nicht übel nehmen könne. Schließlich, so stellt der NEON-Autor fest, sei es schwer, „Greger nicht zu mögen“. Die Frage jedoch, ob Greger nun ein „Arschloch“ sei oder nicht, bleibt für diejenigen, gegen die sich sein Hass richtet, irrelevant. Der Blick in Gregers Vergangenheit macht deutlich, dass seine Einstellung ernst genommen werden muss.
Greger, geboren 1977, war seit seiner frühen Jugend in der neonazistischen Szene aktiv, erst im nordbayrischen Wunsiedel, seit 1992 in Dresden. Dort verkehrte er im Milieu des „Babysturms“ am Dresdner Hauptbahnhof. Die Gruppe Jung-Skinheads fiel durch Hetzjagden auf Migrantinnen auf, griff begleitet vom Beifall umstehender Passantinnen Hütchenspieler auf der Prager Straße an. 1994 steht er wegen Körperverletzungsdelikten vor Gericht und wird zu einer Haftstrafe verurteilt. Zwei Jahre später tritt er der NPD bei, es bleibt allerdings bei einem 6-monatigen Intermezzo. Wegen weiterer rechtsmotivierter Körperverletzungen und Sachbeschädigungen steht er bald wieder vor Gericht. Die 4-jährige Jugendstrafe tritt er 1998 in der JVA Zeithain an, schon im September 1999 wird er auf Bewährung entlassen. In der Haftzeit wird er durch die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG), einer einflussreichen Naziorganisation, die sich um die Betreuung und Vernetzung von neonazistisch gesinnten Straftätern kümmerte, betreut. Vermutlich kommen so auch Auslandskontakte und eine Reise zum südafrikanischen „Afrikaaner Widerstandsbund“ (AWB) zu Stande.
Überregionale Bekanntheit erlangte er im Jahr 2000. Mittlerweile nach Berlin verzogen, trifft er auf Carsten Szczepanski von den „Nationalrevolutionären Zellen“, der zugleich unter dem Decknamen „Piato“ für den Verfassungsschutz als V-Mann tätigt ist. Greger berichtet von seinem Auslandsaufenthalt, bei dem er den Umgang mit Sprengstoff gelehrt bekam. Szczepanski bittet ihn am Rande eines NPD-Treffens in Königs-Wusterhausen um den Bau einer Rohrbombe, die er für einen Anschlag auf Antifaschisten einsetzen will. Greger liefert die Bombe nicht, ein Hinweis ruft aber die Polizei auf den Plan. Die Hausdurchsuchung blieb zunächst erfolglos, erst nach einem 48-stündigen Verhör übergab Greger den Behörden eine fertige Rohrbombe, sowie einen Rohling. Wegen Planung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags, sowie Propagadadelikten wird er daraufhin zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Im Prozess behauptete Greger mit seiner Nazi-Vergangenheit gebrochen zu haben – offenbar eine reine Schutzbehauptung.
Während der Haft vertieft er seine Kontakte zur neonazistischen Kleinstorganisation„Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) und steht in regem Briefkontakt mit Thomas Brehl. Erneut wird er durch die HNG betreut. Nach Verbüßung der Haft 2002 ist sein „Bruch“ mit der Nazi-Szene schnell vergessen. Er tritt fortan als Leiter des KDS-Stützpunkt Ottendorf auf. Nur wenige Monate später erfährt Greger, dass eine frühere Bewährungsstrafe widerrufen wird, ihm droht erneut Haft. Er entzieht sich der drohenden Strafverfolgung durch eine Flucht nach Südafrika. Dort schliesst er sich der rassistischen und für mehrere Bombenattentate verantwortliche „Afrikaner Weerstandsbewegung“ an, um für einen weißen Volksstaat zu kämpfen. Für einen geplanten Staatsstreich der nationalsozialistisch-inspirierten Organisation soll Greger in Namibia Waffen kaufen. In seinem später erschienenen Buch „Verschenkte Jahre“ wird er behaupten, dass er auf diesem Trip Zweifel an seinen bisherigen Überzeugungen bekam. Als er beim Versuch für die Rassisten Waffen zu besorgen, mit Schwarzen in Kontakt kam, brachte das sein rassistischen Weltbild ins Wanken: sein Rassismus „funktioniere“ nicht. Die Liebe zu einer schwarzen Frau soll ihn dann endgültig vom rechten Weg abgebracht haben.
Er kehrte 2005 nach Deutschland zurück, stellte sich den Behörden und saß seine Haftstrafe ab. Währenddessen wandte er sich an die Aussteigerorganisation EXIT und trat fortan als geläuterter Aussteiger auf. EXIT, geleitet vom Ex-Polizisten Bernd Wagner und finanziert aus Bundesmitteln, stand aus antifaschistischer Perspektive immer wieder in der Kritik. Insbesondere der distanzlose Umgang mit Ex-Nazis wurde bemängelt, so dass bei Aussteigern erhebliche Zweifel hinsichtlich ihrer Motivation und der Tiefgründigkeit ihres Bruchs mit der Nazi-Ideologie blieben. Offenbar motiviert durch seinen Kontakt zu EXIT verfasste Greger noch in der Haft sein erstes Buch „Verschenkte Jahre“. Es ist vor allem von Selbstüberhöhung und Selbstüberschätzung geprägt und lässt dem vermeintlichen Ausstiegswillen entsprechende Selbstreflexion vermissen: seine Bedeutung für die damalige ostdeutsche Naziszene übertreibt Greger maßlos. In erheblichem Widerspruch zu den Erinnerungen anderer ZeitzeugInnen versucht er sich als wegweisender Nazi-Führer darzustellen. Das mag für die (Selbst-)Vermarktung nützlich sein, nährt jedoch nur die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Nicht desto trotz gilt Greger dank EXIT als Aussteiger. Zeitweise war er sogar Ansprechpartner für eine kurzzeitig existente Dependance von EXIT in Dresden.
Während der Haft suchte Greger nach der Abkehr vom neonazistischen Rassismus eine neue Idee, der es zu folgen galt. In Johnny Adair, einem nordirischen Terroristen, fand er sie. Der ehemalige Führer der „C Company“, einer paramilitärischen Gruppierung der „Ulster Freedom Fighters“ (UFF), hatte die UFF nach internen Streitereien verlassen müssen und wurde von ehemaligen Mitkämpfern bedroht. Greger entwickelte die Idee Adair schützen zu müssen. Während er sich zeitgleich als Neonazi-Aussteiger in der Öffentlichkeit zu profilieren suchte, gründete Greger eine „C Company Dresden“. Diese sollte als „Prätorianergarde“, so Greger, Johnny Adair schützen. Dazu reiste er etwa 2005 mit seiner Gruppe zu Adair, der inzwischen in Schottland lebte. In einem Dokumentationsfilm [2] wurde die Reise festgehalten. Neben Sightseeing und hehren Reden über Loyalität, Ehrlichkeit und ähnlichem wird in dem Film auch eine Paintball-Übung gezeigt, die die Deutschen mit Adair durchführen.
Im ebenfalls dokumentierten Gegenbesuch von Adair im Herbst 2006 in Dresden diskutieren Adair und Greger die Notwendigkeit eines bewaffneten Kampfes gegen den Islam. Greger formuliert hier: „Krieg in der Zukunft wird nicht Schwarze gegen Weiße sein. Es wird ein Krieg Christen gegen Islamisten sein.“ 2007 konvertierte Greger nach eigenen Angaben zum Christentum. Er sieht sich nun dazu berufen, Vorkehrungen zur Verteidigung seines Glaubens zu treffen – im Zweifel auch mit Waffengewalt.
The Order 777
Zu diesem Zwecke bemüht sich Greger seit mehreren Jahren einen Orden nach dem Vorbild des Templerordens aufzubauen. Er tritt als (Mit-)Gründer einer Organisation mit dem Namen „The Order 777“ auf, die wiederum den militärischen Kampf gegen Islamisten propagiert und sich nach eigenen Angaben überwiegend aus protestantischen Konvertiten zusammensetzt. Greger betreibt auf seinem Youtube-Kanal und Facebook intensiv Werbung unter diesem Label. Als weiteres Mitglied von „The Order 777“ benennt Greger den bereits bekannten Johnny Adair, sowie den Blogger Paul Ray aus England. Dieser betreibt unter dem Pseudonym „Lionheart“ einen Blog, auf dem er rassistische Hetze gegen Muslime verbreitet. Ray ist Gründungsmitglied der English Defence League (EDL) und lieferte ihr das ideologische Grundgerüst. Er zerstritt sich jedoch schnell mit anderen EDL-Anführern und zog sich aus der EDL zurück. In diesen Auseinandersetzungen wurde Ray bereits durch Greger unterstützt. Ray behauptete damals die EDL sei von Nazis gekapert worden und distanzierte sich damit von offenen Bezügen zum Nationalsozialismus. Gemeinsam mit Greger flüchtete er 2009/2010 nach Malta, da ihm in England Strafverfolgung wegen der Anstiftung zu rassistisch motivierter Gewalt drohte. Gemeinsam mit Greger veröffentlichte er Stellungnahmen auf Youtube und mobilisierte für die Idee des Templerordens, Vom Belfast Telegraph auf den Orden angesprochen, bestätigte er zumindest dessen Existenz, verneinte jedoch einen tiefgreifenderen Organisationscharakter: „It’s an idea. It’s not like it’s a massive organization. It’s a belief.” [3]
Dieser Idee verpflichtet veröffentlichte Greger fortlaufend Propagandavideos. Eines davon zeigt ein Treffen von Paul Ray, Johnny Adair und Greger auf Malta, andere huldigen verschiedenen „protestantischen Freiheitskämpfern“, darunter Milorad Ulemek, Charles Taylor und Samir Geagea. Alle drei gelten Greger als Vorbilder im Kampf gegen Islamisten. Ulemek aus Serbien diente lange Zeit als Söldner und sitzt derzeit wegen der Beteiligung am Mord am serbischen Premierminister Zoran Djindjic in Haft. Taylor, ehemaliger Präsident von Liberia, wurde jüngst vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen insbesondere dem Handel mit Blutdiamanten verurteilt. Taylor ist Baptistenprediger und erklärte 2002 Jesu Christus zum eigentlichen Präsidenten Liberias. Geagea ist Vorsitzender der rechtsorientierten, christlichen Miliz Forces Libanaises (FL). In den Videos taucht auch Greger selbst immer wieder auf, wie er mit Sturmgewehren hantiert.
Greger lebt derzeit in Gambia, hat dort ein großes Landstück erworben und ein Haus gebaut. In einem Video verkündet er, dass er dort einen Zufluchtsort für Mitglieder seines Ordens errichten möchte, wenn diese sich zur Ruhe setzen wollen. Gleichzeitig wirbt er um Investoren und bietet Teile seines Geländes als Bauland für Tourismusprojekte an. Wie er den Objektkauf finanzierte bleibt unklar. Er gibt an, sein Geld mit der Qualitätsprüfung von Diamanten zu verdienen.
Breivik-Connection
Die unübersichtliche Mischung aus antimuslimischem Rassismus, christlich motiviertem Freiheitskampf, Verschwörungsdenken, Waffen- und Militärbegeisterung die sich Greger zu eigen macht, zeigt bemerkenswerte Parallelen zur Ideologie von Anders Breivik, der vergangenes Jahr bei Anschlägen in Norwegen 77 Menschen tötete. Anders Breivik behauptet ebenfalls Mitglied eines Templerordens zu sein. Ziel war es einen „Kreuzug gegen Marxisten und Muslime“ zu führen. In seinem Manifest berichtet er von einem Gründungstreffen 2002 in London, wo er einen Mentor getroffen habe, der mit dem Pseudonym Richard, angelehnt an Richard the Lionheart, aufgetreten sei. Möglicherweise ein Hinweis auf Paul Ray. Gefragt nach seinem Bezug zu Breivik gibt dieser auch unumwunden zu: „Ich könnte definitiv eine seiner Inspirationen gewesen sein. Es sieht danach aus. Aber was er getan hat, war absolut böse. Ich könnte so etwas niemals tun, um meine Ideen voran zu bringen.“ Ray distanziert sich zwar von der Tat, jedoch nicht von den Inhalten. Die inhaltliche Nähe zwischen Breivik und „The Order 777“ ist jedoch offensichtlich, man wähnt sich gleichermaßen in einem Kampf der Religionen, in dem Christen durch Muslime verfolgt werden und will mit der Bildung einer christlichen Miliz antworten. Doch das ist nicht die einzige Parallele.
Breivik war wie später auch Greger in Liberia unterwegs. Im April 2002 reiste er in der Hochphase des Bürgerkriegs in das Land um mit dem Handel von Blutdiamanten Geld zu verdienen. Zudem will er dort einen serbischen „Kriegshelden“ getroffen haben, der nach Aussage Breiviks „viele Muslime im Kampf getötet hat“. Die norwegische Polizei geht davon aus, dass es sich hierbei um Milorad Ulemek gehandelt hat, der auch von Greger verehrt wird. Die Anwälte des mittlerweile inhaftierten Ulemeks dementieren heute jedoch einen Kontakt zwischen ihrem Mandanten und Breivik. Zudem gibt auch Greger an, in den Handel mit Blutdiamanten verwickelt gewesen zu sein.
Auch für die EDL interessierte sich Breivik. Er schrieb regelmäßig in EDL-Internetforen und tauschte darüber private Nachrichten mit einem EDL-Member. In seinem Prozess bestritt er weitergehende Kontakte zur EDL. Laut seinem Manifest, will er aber einer derjenigen gewesen sein, der die EDL in ihrer Gründungszeit mit aufbereiteten Material ideologisch unterstützt hat. Das antifaschistische Searchlight-Magazin berichtete zudem, dass es nach den Attentaten in Norwegen Online-Kommentare von EDL-Members gab, die nahelegen, dass Breivik an EDL-Demonstrationen in London und Newcastle UponTyne teilgenommen hat. [4] Im Prozess beharrte Breivik jedoch darauf, dass sich seine Tempelritter fundamental von der EDL unterscheiden. Er distanzierte sich auch von klassischen nazistischen Überzeugungen und begründete das vor allem taktisch: die „blutige Vergangenheit“ mache es notwendig, eine neue Identiät zu schaffen. [5]
Ein Pulverfass?
Im Zuge des Prozess gegen Breivik gerieten auch Ray und Greger in den Fokus von Ermittlungen und Öffentlichkeit. Während Ray sich trotz auffälliger ideologischer Übereinstimmungen um Distanz zu den Anschlägen bemühte, sucht Greger mittlerweile offen die Nähe zum Attentäter. Das norwegische Dagladet berichtete kürzlich, dass sich Greger mit einem Brief an Breivik wandte und ihm anbot Mitglied seines Ordens zu werden. [6] Eines von Gregers jüngsten Youtube-Videos rechtfertigt unumwunden die Attentate Breiviks. Darin heißt es über die auf Utoya Ermordeten, es handele sich um die zukünftige Generation der herrschenden Klasse, die heute für die Zerstörungen in unseren Ländern und Gemeinschaften verantwortlich sei, da sie multikulturelle, neo-marxistische, feministische und antifaschistische Ideen verbreite. Angesichts dieses Bekenntnisses und der oben geschilderten Parallelen zwischen Breivik und dem „Order 777“, bleibt offen, was von Gregers Bedauern Breivik nie getroffen zu haben, tatsächlich zu halten ist. Die Bundesregierung ließ 2011 nach einer Kleinen Anfrage der LINKEN mitteilen, dass „Breivik über keine persönlichen Kontakte zu rechtsextremistischen Organisationen oder Einzelpersonen in Deutschland“ verfüge. Zweifel an dieser Darstellung sind angebracht. Letztlich bleibt offen, ob Greger seinen Worten nicht auch Taten im Stile seiner Vorbilder folgen lassen wird. Auf möglicherweise bei Greger vorhandene Skrupel zu hoffen, erübrigt sich mit Blick auf seine Vorstrafen.
[1] Jakob Schrenk: Kopf verdreht, in: Neon, Februar 2012, S. 20-27
[2]“Mad Dog and Nazi Nick“, 2006, Channel 5, UK
[3] Breivik’s ‚mentor‘ linked to exiled loyalist Johnny ‚Mad Dog‘ Adair, Belfast Telegraph, 29.07.2011
[4] Anders Behring Breivik had links to far-right EDL, says anti-racism group, guardian.co.uk, 26.07.2011
[5] Anders Behring Breivik attacks inspired by Serbian nationalists, court hears, guardian.co.uk, 18.04.2012
[6] Breivik kan inspirere andre, Dagbladet, 19.06.2012