NPD-Tort(o)ur

Vier Tage war die NPD in Sachsen unterwegs um rassistische und antimuslimische Ressentiments zu schüren. Doch der Plan ging nicht auf: die NPD-Hetze stieß auf starke Proteste und lockte außer den hauptberuflichen Nazis der Landtagsfraktion und einigen NPD-Kommunalabgeordneten kaum AnhängerInnen vor die Tür. Die Folge: frustrierte Nazis griffen immer wieder Protestierende an.

Für Dresden hatte die NPD am 1. November zwei Kundgebungen geplant. Die erste fand morgens vor der Ditib-Moschee auf der Hühndorfer Straße statt. Noch am Vortag zitierten die Dresdner Neuesten Nachrichten den Rathaussprecher Kai Schulze mit den Worten, dass es der NPD untersagt sei, direkt vor dem Eingang der Moschee zu demonstrieren. Was wohl bedeuten sollte, dass sie fünf Meter Abstand zu halten haben – als sei das bemerkenswert und angesichts der als gewalttätig bekannten Nazis nicht das Allermindeste. Das Dresdner Ordnungsamt folgte also seinem bekannten Credo, es den Nazis so gemütlich wie möglich zu machen. Während in anderen Städten Auflagen bezüglich Lautstärke erlassen wurden, Kontrollen auf Waffen bei den Nazis stattfanden und es Muslimen und Flüchtlingen nicht zugemutet wurde die Nazis direkt vor der Tür zu haben, legte Herr Lübs (Leiter Ordnungsamt Dresden) erneut eine nazifreundliche Auslegung des Versammlungsrechts vor.

Gegen 10 Uhr versammelten sich etwa 35 Nazis auf der Hühndorfer Straße. Der Großteil gehörte zum festen Tourtross, der sich vorwiegend aus der NPD-Landtagsfraktion und ihren Mitarbeitern zusammensetzte. Darunter der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel, das Bundesvorstandsmitglied Jörg Hähnel, die Landtagsabgeordneten Arne Schimmer, Jürgen Gansel und Mario Löffler, sowie der Landesgeschäftsführer Jens Baur und der als zukünftiger Landeschef gehandelte Holger Szymanski. Aus lokalen Parteistrukturen waren Rene Despang, Hartmut Krien (beide KV-Dresden), Katrin Köhler (KV-Chemnitz), Hartmut Gliemann (KV-Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), sowie Torsten und Antje Hiekisch (KV-Niederschlesien-Oberlausitz) dauerhaft zugegen. Hinzu kam noch eine Hand voll Mitglieder, die lediglich an den Dresdner Kundgebungen teilnahmen und zum Inventar des Kreisverbandes zu gehören scheinen. Die Parteijugendorganisation JN war ebenfalls vertreten. Der seit Anfang Oktober amtierende sächsische JN-Vorsitzende Paul Rzehaczek (Nordsachsen) und sein Stellvertreter Jens Gatter (Nordsachsen) fungierten als Flaggen- und Transparentträger. Der JN-Bundesvorstand entsandte gleich vier seiner Mitglieder: Andy Knape, Julian Monaco, Patrick Kallweit und Michael Schäfer bildeten einen Teil des sogenannten Ordnerdienstes der NPD. Sowohl Knape als auch Schäfer sind neuerdings Mitarbeiter der sächsischen Landtagsfraktion, Moncao und Kallweit haben sich schon länger solch einen bezahlten Posten gesichert. Verstärkt wurden sie durch Nils Larisch (Leipzig), Patrick Gentsch (Meerane), Mirko Beier (Meissen), Thomas Sattelberg, Marcus Großmann (beide Sächsische Schweiz), Klaus Wartenfelser (Dresden) und Maik Scheffler (Nordsachsen).

Die Kundgebung dauerte nur etwa 45 Minuten. Sowohl Schimmer als auch Apfel hielten längliche Reden, während Baur die Veranstaltung moderierte. Übertönt wurden die versammelten sächsischen NPD-Kader von etwa 150 Demonstrant_innen ausgestattet mit Trillerpfeiffen und anderen Lärmgerätschaften. Dass die Nazis nicht nur hetzen, sondern ihren Worten auch Taten folgen lassen zeigte sich bereit Im Vorfeld der Kundgebung: Nazis attackierten Gegendemonstranten in ihrem Auto, als diese an einer Ampelkreuzung halten mussten.

Auf dem Weg zur nächsten Kundgebung auf der Florian-Geyer-Straße kam es am Sachsenplatz zu einem weiteren Angriff. Demonstrant_innen versuchten den NPD-Konvoi bestehend aus LKW, zwei Mietfahrzeugen der Firma Jahnel und einem weiteren Transporter durch eine Blockade aufzuhalten. Das erste Fahrzeug beschleunigte jedoch und hielt gezielt auf die Demonstrant_innen zu, diese versuchten sich in Sicherheit zu bringen. Dabei wurden zwei Personen vom Fahrzeug touchiert und verletzt. Der „Ordnerdienst“ der NPD verließ daraufhin mit Stockschirmen, Fahrradschlössern, Teleskopschlagstöcken und Stangen bewaffnet die Fahrzeuge und griff die Demonstrant_innen an. Erst während dieses Tumults wurde ein NPD-Auto beschädigt. Die eintreffende Polizei richtete ihr Vorgehen jedoch ausschließlich gegen die antifaschistischen Demonstrant_innen, sie wurden in Gewahrsam genommen, während sich die Nazis – weiterhin bewaffnet – nach kurzer Kontrolle auf den Weg zur nächsten Versammlung machen konnten. Dabei hatten mindestens drei von ihnen nach Berichten von Augenzeugen eine Person zusammengeschlagen und weiter auf sie eingetreten als diese am Boden lag. Die in Gewahrsam genommenen Personen mussten – angeblich wegen eines Mangels an Fahrzeugen – gefesselt die 1,5 km zur Schiessgasse zu Fuß zurücklegen. In der Polizeimeldung zum Geschehen heißt es einer Vorverurteilung gleichkommend: „die Fahrzeuge der NPD-Veranstaltung [wurden] von etwa 20 Personen angegriffen“. Statt Ermittlungsergebnisse abzuwarten, macht sich die Polizei hier zum publizistischen Handlanger der Nazis und übernimmt deren Aussagen ungeprüft. Von deren Übergriffen schweigt sie geflissentlich.

Die Gegenkundgebung in der Florian-Geyer-Straße wurde von über 350 Leuten besucht, die auch hier mittels Lärm und etwas Fallobst zum Misslingen der NPD-Kundgebung beitrugen. Die Nazis blieben wie schon am Morgen unter sich und machten sich – durch den Zwischenfall am Sachsenplatz in argem Zeitverzug – nach 40 Minuten auf den Weg zu ihren nächsten Stationen in Leipzig. Auch dort kam es zu intensiven Protesten. Da nun allerdings der NPD-Zeitplan aus dem Takt geraten war, musste die NPD ihre Kundgebungen ohne jede akkustische Verstärkung durchführen. Deren Verwendung wurde zeitlich limitiert und die Leipziger Polizei setze die Auflage in diesem Fall konsequent um.

Am 2. November machte die NPD gleich in drei Orten Halt: am Morgen in Pirna, am Mittag in Kamenz und am späten Nachmittag in Radebeul. Während die NPD in Pirna die dezentrale Unterbringung Asylsuchender zum Thema machte, wollten sie sich in Kamenz und Radebeul vor den Sammelunterkünften für Asylsuchende postieren. Die Ordnungsbehörden verlegten die Kundgebungsorte jedoch in einige Hundert Meter Entfernung. Der Tross kam nirgendwo über eine Größe von etwa 30 Nazis hinaus, auch wenn sich in jedem Ort eine Handvoll NPD-Anhänger zu den Kundgebungen gesellten. Andreas Storr, Johannes Müller und Alexander Delle waren an diesem Freitag als weitere Landtagsfraktionsmitglieder hinzugestoßen, ebenso wie der Fraktionsgeschäftsfüher Frank Ahrens.

In Pirna nutzten die lokalen „Größen“ der NPD die Möglichkeit des öffentlichen Auftritts, darunter Carmen Steglich, Mirko Liebscher und Olaf Rose, alle für die NPD im Königsteiner bzw. Pirnaer Stadtrat. Auch fünf „Junge Nationale Sächsische Schweiz“ – wie sie sich auf ihrem Transparent nannten – nahmen an der Kundgebung am Dohnaischen Platz teil. Die Reden von Monaco, Storr und Apfel übertönten ca. 100 gegen die rassistische Hetze der NPD Protestierende mit Trillerpfeifen und Sprechchören wie bereits in Dresden.

Diese Szenerie wiederholte sich in Kamenz, wo sich ebenfalls um die 100 Menschen versammelt hatten um lautstark gegen die NPD-Kundgebung zu protestieren. Und auch in Radebeul war von den Reden Storrs, Gansels und Apfels nicht allzuviel zu hören. An die 250 Leute hatten sich in der Kötitzer Straße eingefunden und störten die Kundgebung der Nazis mit etlichem Lärmgerät. Hier war der NPD-Konvoi mit über einer Stunde Verspätung eingetroffenen, nachdem die Polizei die Fahrzeuge und deren Insassen (außer den Landtagsabgeordneten) intensiv auf mitgeführte Waffen, wie Teleskopschlagstöcke durchsuchte. Gefunden wurde laut NPD nichts, jedoch kamen nach Augenzeugenberichten eben jene noch kurz zuvor zum Einsatz. Auf dem Weg von Kamenz nach Radebeul hatten sich Autos vor den Tross gesetzt und das Tempo verlangsamt um der Tour noch etwas mehr Verzug zu verschaffen. Der Konvoi allerdings stoppte auf der Autobahn und wie bereits in Dresden stürmte der „Ordungsdienst“, auf die Fahrzeuge zu. Verletzt wurde niemand.

Damit setzte sich die Serie an Angriffen auch am dritten Tag der Brandstiftertour fort. Bereit am 30. Oktober in Chemnitz kam es zu Attacken des NPD-Schlägertrupps gegen Demonstrant_innen, als diese versuchten den NPD-LKW durch eine Blockade an der Weiterfahrt zu hindern. Auch hier war die NPD mit zahlen- und lautstärkemäßig überlegenen Gegenprotesten konfrontiert. Sowohl in Chemnitz als auch in Plauen fanden sich jeweils weit über 100 Leute zusammen. Die NPD mobilisierte allenfalls eine Handvoll Leute aus ihren lokalen Parteistrukturen, so dass auch hier lediglich 30 Nazis an den Kundgebungen teilnahmen. Die Richter des Verwaltungsgerichts Chemnitz untersagten zudem die Nutzung der Lautsprecheranlage.