Auswertung 12/13. Februar 2014
Jahrelang haben die Nazis vom „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ gepredigt, dass es ein „würdiges“ Gedenken nur am 13. Februar selbst geben könne. Die Toten dürften nicht zum Gegenstand „einer von Partei- oder Privatinteressen geprägten Auseinandersetzung“ werden, hieß es großspurig. In diesem Jahr warf man die hohen, wie hohlen Ansprüche gänzlich über Bord und verzichtete auf einen Aufmarsch am 13. Februar. Stattdessen wich das Aktionsbündnis um Maik Müller, Ronny Thomas und Simon Richter klammheimlich auf den 12. Februar aus. Der Grund ist banal und vor allem den eigenen Interessen geschuldet: die Nazis wollten einfach mal wieder ohne antifaschistische Blockaden laufen.
Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass das Aktionsbündnis den 13. Februar aufgibt. Im Januar meldeten die Nazis eine stationäre Kundgebung für den 13. Februar vor der Frauenkirche an – wohlwissend, dass diese Anmeldung keinen Bestand haben wird. Nicht unbedingt wegen des höchst kritikwürdigen sächsischen Versammlungsgesetzes, um welches die Dresdner Versammlungsbehörde und die Gerichte erneut versucht haben einen Bogen zu machen, sondern weil dort bereits die kirchlich organisierte Gedenkveranstaltung für ein „wahrhaftiges Erinnern“ stattfindet. Ernsthafte Chancen auf ein Gelingen ihrer Kundgebung am 13. Februar konnten sich die Nazis bereits zu diesem Zeitpunkt nicht ausrechnen, weswegen sie von Beginn an einen alternativen Plan verfolgt haben. Der war angesichts rapide sinkender Teilnehmendenzahlen bei den Aufmarschversuchen in den Vorjahren mehr als nötig. Denn die gern vorgetragene Parole „Ihr Opfer ist unser Auftrag“ wird von einem Großteil des nationalen Mobilisierungspotentials offenkundig weit weniger ernst genommen, als es sich die Akteure des Aktionsbündnis angesichts ihrer „jahrelangen Arbeit“ vorgemacht haben. Ein absehbares Aufmarschdebakel am 13. Februar hätten sie wohl in diesem Jahr weitgehend allein ausbaden dürfen.
Um dem schwindenden Rückhalt entgegenzuwirken, bauten die Nazis nun also auf einen taktischen Kniff. Sie zogen den Trauermarsch einen Tag vor und verzichteten zugleich auf eine öffentliche Mobilisierung. Maik Müller meldete die Versammlung kurzfristig am 10. Februar für lediglich 50 Teilnehmende an, um zu kaschieren, dass es sich hierbei um die zentrale Naziveranstaltung handelt. Überraschend kam der Aufmarsch am 12. Februar dennoch nicht. Die interne Mobilisierung begann bereits früher, Reisegruppen der Nazis wurden schon in der Vorwoche eingeladen, am 12. Februar nach Dresden zu kommen. Abwegige Anreiseempfehlungen für den 13. Februar, wie etwa der Hinweis, man solle sich ab Mittag in der Innenstadt aufhalten, machten deutlich, dass zu diesem Termin keine Mobilisierung stattfindet. Es verwundert nicht (mehr), dass der Verfassungs- und Staatsschutz offensichtlich entweder keine Erkenntnisse über die länger andauerende Nazimobilisierung auf den 12. Februar hatten oder diese zumindest mal wieder nicht weiterleiteten. Zumindest haben die Behörden ihren Teil dazu beitragen eine Gegenmobilisierung zum Naziaufmarsch ins Leere laufen lassen zu wollen.
Die Anmeldung für den 12. war dann am Montag, 10. Februar allerorten öffentlich zu lesen. Allein ausreichend ernst genommen, wurde dies nicht. An dieser Stelle müssen wir selbstkritisch einräumen unsere bereits am 21. Januar veröffentlichte Einschätzung, dass die Nazis „den Gegenprotesten zeitlich gesehen aus dem Weg gehen“ werden nicht noch einmal nachdrücklich dahingehend präzisiert zu haben, dass mit dem zetnralen Aufmarsch der Nazis tatsächlich am 12. Februar zu rechnen ist und es sich bei den Ankündigungen für den 13. tatsächlich lediglich um Ablenkungsmanöver handelt.
Am Abend des 12. Februar fanden sich etwa 490 Nazis zum Fackelmarsch ein und damit noch einmal deutlich weniger als im Vorjahr. Das ist zweifellos Ergebnis kontinuierlicher antifaschistischer Proteste, die die Nazis zum Verzicht auf eine offene Mobilisierung zwangen und die die nationalen Ausflüge am 13. Februar nach Dresden wenig erfolgsversprechend machten. Dennoch bleibt es eine erhebliche Zahl, zumal für eine mehr oder weniger interne Mobilisierung unter der Woche. Es zeigt, dass der nach wie vor hohe Vernetzungsgrad der regionalen Naziszene nicht unterschätzt werden sollte. Diese stellte den Großteil der Anwesenden, ergänzt um größere Gruppen aus Berlin und Leipzig. Das organisatorische Rückgrat der Demonstration setze sich aus altbekannten Nazikadern zusammen, darunter Ronny Thomas und NPD-Landesvize Maik Scheffler, der den Ordnerchef gab. Die Route führte die Fackeln tragenden Nazis nach der Auftaktrede des NPD´lers Olaf Rose am Theaterplatz über die Wilsdruffer Straße zur Zwischenkundgebung an der Trümmerfrau vor dem Rathaus und anschließend über die Petersburger Straße zum Hauptbahnhof. Dort trat Maik Müller als Redner auf. Beendet wurde der Aufmarsch mit einer zwanzigminütigen Videovorführung und dem Singen aller drei Strophen des Deutschlandliedes.
Dass das problemlos möglich war, liegt an der traditionell großzügigen Auflagenpolitik der Dresdner Versammlungsbehörde, die den Nazis möglichst wenig Probleme bereiten möchte, aber antifaschistischen Protestveranstaltungen mit rauem Ton und harten Auflagen begegnet, damit das Ereignis reibungslos und zügig abläuft. Da dürfen Nazis mit offenem Feuer hantieren, während antifaschistischen Kundgebungen die Größe von Transparenten mit Verweis auf hanebüchene Gefährdungslagen beschränkt wird. Wie schon so oft, wurde auch die Route der Nazidemonstration geheim gehalten, um deren reibungsloses Durchkommen zu erleichtern. Bereichert wurde das bekannte Spiel diesmal noch um Desinformation durch das Sächsische Staatsministerium des Inneren. So bewertete Innenminister Markus Ulbig noch am 11. Februar die Verlegung des Naziaufmarsches, als „Verwirrspiel der Rechtsextremen, das allerdings auch in den eigenen Reihen für Verwirrung sorgt.“ Worauf auch immer die Informationen des Innenministers gestützt waren, die Qualität lässt den Verfassungsschutz als Quelle vermuten, richtig waren sie jedenfalls nicht. Und so entsteht durchaus der Eindruck, dass den Nazis der Vorabend des 13. Februars schmackhaft gemacht werden sollte. In der Lokalpresse jubelte es: „Dresdner können erstmals seit Jahren wieder in Stille gedenken“ (SäZ) – denn ohne Nazis blieben auch die störenden Proteste aus. Eine Stossrichtung, welche die Stadt sicherlich auch mit Blick auf den bevorstehenden 70. Jahrestag 2015 weitertreiben dürfte.
Am 13. Februar selbst war von den Nazis in der Innenstadt nicht viel zu sehen. Der Ankündigung sich an Menschenkette und Gedenkveranstaltung zu beteiligen, kamen erwartungsgemäß nur ein paar wenige Nazis nach und die stiegen reichlich verpeilt durch die Innenstadt. Ein paar lausige Handyfotos sollten „Aktionismus“ vortäuschen. Endgültig lächerlich wurde es, als über den Twitteraccount des AgdV versucht wurde Fehlinformationen zu streuen. Am Morgen fand sich bei der offiziellen Gedenkveranstaltung der Stadt auf dem Heidefriedhof nach zwei Jahren Abstinenz eine 80 Personen starke Nazidelegation ein. Sie stellten damit ca. 30 Prozent der Gesamtteilnehmenden dar. Darunter Vertreter der NPD-Landtagsfraktion und des NPD-Landesverbandes, aber auch des „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“. Auffällig war hier besonders, dass die Reihen der Landtagsfraktion löchrig waren. So fehlten einige Vertraute des gechassten NPD-Vorsitzenden Holger Apfel, ein Hinweis, dass die Gräben nach dem Putsch auch innerhalb der Fraktion um einiges tiefer sind, als zunächst vermutet.
Eingebettet waren sowohl der Aufmarsch am 12. Februar, als auch die Aktionen am 13. Februar wie in jedem Jahr in die sogenannte „Aktionswoche“: vom 5. Februar beginnend mit einer Saalveranstaltung, über platzierte Holzkreuze in der Innenstadt, Infostand, Flugblattverteilung, Lichterschriftzug, Mahnwache und Kundgebung, bis hin zur üblichen Kranzniederlegung am Gedenkstein in Dresden-Nickern als Abschluss am 14. Februar. Im Zuge eines sogenannten Stadtspaziergangs mit ca. 25 Teilnehmenden über Altmarkt, Trümmerfrau und Schloss, kam es zu Pöbeleien der Nazis an der Synagoge. Auch in anderen Städten führten Nazis wie bereits in den Vorjahren Aktionen durch. Akribisch veröffentlichte das Aktionsbündnis jede noch so kleine Regung auf ihrer Homepage: Flyer in Regensburg, Halle, Werdau oder Limbach-Oberfrohna; Transparente in Schwedt oder Guben; Holzkreuze in München oder Göppingen; Luftballons in Franken oder Verden, Sprühereien in Radeberg. Selbst ein auf A4 ausgedruckter und in eine Klarsichtfolie verpackter Zettel in Kahla schaffte es in die Aktionsaufzählung. Berlin glänzte mit besonders viel Fleiß und brachte es über mehrere Tage zu Transparenten, Flyern, Holzkreuzen, Infostand, Straßentheater und Sprühereien. Am 13. Februar fand in Berlin wie in Hildesheim und Dessau eine eigene Mahnwache statt. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre führten auch die Nazis aus Mecklenburg-Vorpommern lieber ihren eigenen Marsch in Waren durch, anstatt die enttäuschende Reise nach Dresden anzutreten.