Signal verpufft – Der „Tag der deutschen Zukunft“ in Dresden

Mit dem 6. „Tag der deutschen Zukunft“ sollte am 7. Juni in diesem Jahr in Dresden ein „Signal gegen Überfremdung“ gesetzt werden. Die aus Norddeutschland stammende Kampagne unter Federführung von Dieter Riefling und Thomas „Steiner“ Wulff trat erstmalig im Osten Deutschlands auf. Erwartet wurden zum von Maik Müller angemeldeten Aufmarsch um die 800 Teilnehmende, gekommen sind letztlich nur 450 vor allem parteiungebundene Nazis aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Außerdem angereist waren Vertreter des „III. Weg“ aus Bayern, Christian Worch und seine „Rechte“ aus Hamburg, einzelne NPDler, sowie Abordnungen aus Finnland, Tschechien, Slowakei, Dänemark und Niederlande. Damit waren es deutlich weniger Teilnehmende als zu den bisherigen Tagen der deutschen Zukunft. Sieht man einmal vom Start 2009 in Pinneberg mit 250 Teilnehmenden ab, reisten nach Wolfsburg, Hamburg, Braunschweig und Hildesheim doch immer zwischen 600 und 750 Nazis.

Angetreten war Dresden auch mit der großspurigen Ankündigung eines Kampagnenjahres, passiert ist jedoch genauso wie die Jahre zuvor in den anderen Städten wenig bis gar nichts. Und das obwohl die hiesigen Organisatoren Maik Müller und Simon Richter mit dem „Aktionsbündis gegen das Vergessen“ durchaus Erfahrungen mit themenbezogenen Kampagnen vorweisen können. Doch anstatt Aktionswochen mit schwimmenden Lichtern, liegenden Skeletten und fliegenden Schnippseln bot die Initiative „Zukunft statt Überfremdung“ lediglich zwei Minikundgebungen in Dresden-Klotzsche im Juli 2013 sowie in Gorbitz im Mai 2014. Zudem gab es 2013 weitere Kundgebungen in dieser Größenordnung von etwa 30 Nazis in Plauen und Freiberg. In Chemnitz wurde im Januar ein ohnehin geplanter Aufmarsch gegen die dortige Unterkunft für Asylsuchende zur Kampagnenaktion umgewidmet. Neben den üblichen Flugblattverteilungen gab es lediglich noch eine Aktion im März als Maik Müller und Simon Richter in Dresden-Prohlis eine angeblich beschädigte Bank reparierten. Im auf der Homepage veröffentlichten Video und auf den Bildern ist dann vor allem die aufgebrachte Gravur im Mittelpunkt: „Instandgesetzt durch Aktivisten der Kampagne Tag der Deutschen Zukunft“. Auch das Ausrufen des Monats Mai zum Aktionsmonat änderte wenig am schleppenden Kampagnenverlauf. Ein paar Flugblätter in Nordrhein-Westfälischen oder Ostfriesieschen Briefkästen, ein Infostand in Thüringen und ein viel zu kleines Transparent an einem viel zu großen Hermannsdenkmal in Detmold. Bei PC Records erschien wie in Sachsen üblich noch ein Soli-Sampler. Mehr kam nicht, weder im angekündigten Kampagnenjahr noch im abgespeckten Aktionsmonat. Die Veranstalter sehen das natürlich wie gewohnt positiver: „Vorangegangen ist dieser Veranstaltung eine lebendige Kampagnenarbeit mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aktionen in verschiedenen Teilen Sachsens und darüber hinaus.“

Diese positive Sichtweise auf die Ereignise setzt sich zum 7.6. fort. Oberste Priorität hatte offenkundig unblockiert durch Dresden laufen zu können. Entsprechend feiern Maik Müller und Co. ihren „Tag der deutschen Zukunft“ als Erfolg. „So konnte der Demonstrationszug völlig ungestört eine über 3 Kilometer lange Strecke durch die eng bebauten Stadtteile Nordpieschen und Dresden-Trachau zurücklegen. Dadurch konnte auch das grundlegende Ziel nicht nur der TddZ-Demonstration, sondern jeder politischen Demonstration überhaupt – nämlich das Erreichen von Menschen – in einem hohen und sehr zufrieden stellenden Maße erfüllt werden.“ (ebd.) Anstatt auf ihrer angemeldeten Route zu bestehen, die zwar gesäumt von Protestierenden, aber nicht unpassierbar war, wichen die Nazis auf eigenen Wunsch Richtung Norden aus. Nicht gen Innenstadt zog der Aufmarsch, sondern genau 2,7 km zur nächsten S-Bahnstation in Dresden-Trachau: Barbarastraße – Großenhainer Straße – Boxdorfer Straße – Industriestraße – Aachener Straße – Kopernikusstraße – Industriestraße (Siehe: https://goo.gl/maps/8Dnsm)

Nach vielen Spekulationen zur Route und dem üblichen selbstherrlichen Gemauer zu dieser Frage seitens der Stadt und ihrer Ordnungsbehörde, war spätestens am Tag vor dem Aufmarsch klar, wo die Nazis entlang laufen sollten: vom Trachenberger Platz durch Pieschen, über die Leipziger Straße zum Neustädter Markt. Doch unblockierbar macht sich, wer sich an keine Pläne hält und dafür auch unattraktive Routen in Kauf nimmt, dachte sich wohl Maik Müller. Und so erreichte der „Tag der deutschen Zukunft“ ein Publikum zwischen Friedhof und Krankenhaus.
Die 450 zum einen Teil mit Bus und PkW, zum anderen Teil mit dem Zug über die S-Bahnstation Pieschen angereisten Nazis, sammelten sich in der Barbarastraße. Als es auch der Nachzügler-Bus aus Hamburg mit Christian Worch und Dieter Riefling gegen Mittag endlich geschafft hatte zum Treffpunkt zu finden, konnte es losgehen. Zuerst sprachen Erik Lamprecht, Vorsitzender der D?lnická mládež (DM), der Jugendorganisation der D?lnická strana sociální spravedlnosti (DSSS) aus Tschechien. Ein Vertreter der sogenannten Nordischen Widerstandsbewegung aus Finnland durfte ein Grußwort halten, dann sprach Karl Richter, NPD und Bürgerinitiative Ausländerstopp München. Durch die sengende Hitze bewegte sich der Aufmarsch nicht gerade enthusiastisch durch die Straßen, aber das Wetter bot im Gegensatz zu sonstigen Auftritten in Dresden bei Minustemperaturen die Gelegenheit Bekenntnis-T-Shirts der aktuellsten Nazi-Merch-Kollektionen und Tätowierungen zur Schau zu tragen. Für jene Nazis, die noch nicht im Mützen oder zumindest Haare tragenden Nipster-Zeitalter angekommen sind, wurde es indes sehr heiß auf dem kahlen Kopf. Allzu weit mussten die Verfechter der deutschen Zukunft aber zum Glück nicht laufen. Auf der Abschlusskundgebung gab es allerdings noch einmal zahlreiche Reden: ans Mikrofon durften Rico Döhler vom III. Weg Hochfranken/Vogtland, Dieter Riefling und Sven Skoda, sowie als zweiter Vertreter der NPD Uwe Meenen. Und zum Schluss sprach Beatrice Koch für die Freien Kräfte Neuruppin, die den 7. Tag der deutschen Zukunft ausrichten werden.

Die Vielzahl der Redner sollte natürlich die Breite demonstrieren, mit der der „Tag der deutschen Zukunft“ ein Zeichen setzen will. „Die Bandbreite der Redner unterstrich dabei noch einmal eindrucksvoll den zuvor von der Initiative „Zukunft statt Überfremdung“ veröffentlichten Appell an die Vertreter des parlamentarischen Armes, wofür wir uns an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bei all denjenigen bedanken, welche heute über alle Partei- und Organisationsgrenzen hinweg ein gemeinsames Zeichen gegen die Überfremdung unserer deutschen Heimat, für die zukünftige Freiheit und Selbstbestimmung unseres Volkes gesetzt haben“, heißt es großspurig im Auswertungstext der Nazis. Der parlamentarische Arm wurde jedoch nur von jenen Parteien repräsentiert, die selbst aus Freien Kräften hervorgegangen sind, wie der III. Weg, der aus dem verbotenen Freien Netz Süd besteht oder Der Rechten, deren Begründer Christian Worch einer der Entwickler des Konzeptes der Freien Nationalisten war. Es ist ein beispielhafter Ausdruck vom Stand der NPD in der Szene, dass sich weder die sächsische NPD-Landtagsfraktion noch andere Parteifunktionäre der Landesebene haben blicken lassen. Einzig Jens Baur, NPD-Landesgeschäftsführer, zeigte als lokaler Kreisverbandsvorsitzender und Stadtratsabgeordneter Präsenz. Ins Bild passen auch die beiden Redner im Namen der NPD: Karl Richter aus München, der im vergangenen Herbst öffentlich gegen Spitzenfunktionäre wie den damaligen Parteivorsitzenden Holger Apfel, den stellvertretenden Parteichef Udo Pastörs und den damaligen Generalsekretär Peter Marx zu Felde zog und sie als „unkameradschaftliche, intrigante und defizitäre Charaktere“ bzw. als meist pampige(n) und von Konkurrenzneid zerfressene(n) Parteivorsitzende(n) beschimpfte. Schlussendlich kündigte er wenig später an nicht nur gegen Pastörs um Platz 1 der Europawahlliste der Partei sondern auch für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Nach Brüssel ging im Juni 2014 schließlich Udo Voigt. Holger Apfel kellnert jetzt auf Malle und Peter Marx stürzte über Fotos einer Party mit Striptease-Tänzerin und einer ehemaligen Pornodarstellerin. Der ex-Würzburger Uwe Meenen bekleidete zwar schon diverse Ämter in der NPD, steht politisch den Freien Kräften in Bayern aber wesentlich näher. Immer wieder stellte z.B. sein „Bund Frankenland e. V.“ eine vereinsrechtliche Struktur für das Freie Netz Süd zur Verfügung, beispielsweise zur Anmeldung von Konzertveranstaltungen. Meenen selbst hatte im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen das FNS eine Hausdurchsuchung.

Anders als die NPD war die sächsische JN unter Paul Rzehaczek stark vertreten. Sie präsentierte sich mit Transparent, Fahnen und T-Shirts und trat auch im Vorfeld bei den wenigen TddZ Aktionen, wie der Kundgebung in Dresden Gorbitz, mit auf. Außerdem war sie mit Ordnern in die Aufmarschstruktur eingebunden.
Alles in allem lässt sich der Tag so zusammen fassen: deutlich weniger Nazis als erwartet laufen bei sengender Hitze und verbalradikaler NS-Propaganda von S-Bahnhof zu S-Bahnhof vorbei an Friedhof und Krankenhaus für ihre deutsche Zukunft – Haupsache laufen, weil stehen mussten sie in Dresden oft genug. Unblockierbarer haben sich zehn Tage später nur die NPDler gezeigt. Anstatt wie üblich zum 17. Juni eine Demonstration, führte die Partei diesmal nur eine Kundgebung vor dem Haus der Presse durch – wer nicht läuft, kann auch nicht blockiert werden. Das lässt sich nur noch durch eine Variante toppen – unblockierbar deluxe: zu Hause bleiben!