Im November dieses Jahres organisiert die extrem rechte Buchhändlerin, Verlegerin und AfD-Stadträtin Susanne Dagen ihre eigene Buchmesse in Halle. Seit 30 Jahren betreibt Susanne Dagen das BuchHaus Loschwitz in Dresden und organisiert Veranstaltungen im anliegenden KulturHaus. Spätestens mit dem Aufkommen der PEGIDA-Demonstrationen positionierte sich Dagen in der extrem rechten Ecke. Seit Mai 2018 bespielt sie gemeinsam mit Ellen Kositza, eine der maßgeblichen Figuren der sogenannten Neuen Rechten, die Youtube-Reihe „Aufgeblättert. Zugeschlagen – Mit Rechten lesen“. Ein aufgesetzt intellektuelles Format, bei welchem auch schon die selbsternannten Vordenker der faschistischen Neuen Rechten Martin Sellner und Götz Kubitschek zu Gast waren. Dass diese Buchmesse am 9. November stattfinden soll, dem Gedenktag an die Novemberpogrome 1938, ist sicher kein Zufall.
Doch anstatt die Ideologie und das Vorhaben Dagens und ihrer Kompliz*innen für die Leser*innen der Dresdner Neuesten Nachrichten (DNN) kritisch einzuordnen und die Strategien der extremen Rechten an diesem aufzuzeigen, entscheidet sich der DNN-Autor Tomas Gärtner dafür, Susanne Dagens neuerliches Projekt der Normalisierung extrem rechten Gedankengutes nonchalant zu bewerben. So zitiert er fröhlich und unkommentiert aus Dagens Selbstinterview. Dagen moniert darin, dass die großen Messen „immer homogener“ und „politisch immer enger“ würden. Auch spricht sie konsequent von „konservativen“ Verlagen und Verlagshäusern, wenn sie doch Protagonist*innen der extremen Rechten meint, welche mit völkisch-rassistischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Publikationen ihr Geld verdienen. Sie spielt damit fasst blind auf der Klaviatur der Neuen Rechten. Diese Diskursstrategien dienen schlussendlich einzig der Normalisierung rechter, menschenverachtender Ideen und Taten.

Fun fact: Die von Dagen geäußerten „Ausschreitungen gegenüber vorab markierter (sic!) konservativer Verlagshäuser auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2017“ waren verbale Reibereien, allein aufgrund rechter Provokationen. Unerwähnt bleibt natürlich auch, dass der Chef des linken Trikont-Musikverlages am Tag davor am Stand der Jungen Freiheit angegriffen und verletzt wurde. Doch auch das stellt der DNN-Autor nicht richtig.
Wenn Dagen eine Homogenität der großen Buchmessen beklagt, wenn extrem rechte Aussteller*innen Kritik erfahren, sie sich darüber beschweren, dass diese schlechter behandelt würden und ihr eigenes Vorhaben „als ‚rechts‘ geframet“ wird, suhlt sie sich lediglich in der über Jahre hinweg einstudierten Opferrolle rechter Akteur*innen und beeinflusst den Diskurs so zu ihren Gunsten. Man selbst sucht (selbst-)bewusst die Öffentlichkeit, provoziert mit Tabubrüchen, Auslassungen und/oder Falschbehauptungen Kritik und Protest und stellt sich dann selbst als unterdrückte, zensierte und schützenswerte Minderheit dar oder gar als letzte demokratische Bastion gegen eine fortschreitende herbeihalluzinierte Meinungsdiktatur. Je nachdem, was gerade besser in den Kram passt.
Wenn Dagen sich dann noch darüber beschwert, dass die großen Buchmessen „politisch immer enger“ würden, dann sind wir wieder bei der Klaviatur der Neuen Rechten. Man selbst nimmt für sich die Meinungs- und Redefreiheit immerwährend in Anspruch, ja dehnt die Grenzen dieser über das Maß aus. So zum Beispiel, wenn auf der Seite des KulturHaus Loschwitz die Kritik an Dagen und ihrer extrem rechten Buchmesse mit den Bücherverbrennungen 1933 gleichgesetzt und auf der Seite hervorgehoben wird1. Wenn man dann dafür aber Kritik erntet und Konsequenzen zu spüren bekommt, denn Meinungs- und Redefreiheit gelten auch für deine Kritiker*innen und haben letztendlich Grenzen, kann man sich genüsslich wieder in die Opferrolle begeben und sich als Verteidiger*in der Meinungs- und Redefreiheit aufspielen. Und Tomas Gärtner gibt dies eins zu eins wieder, trägt so, bewusst oder unbewusst, zur Normalisierung menschenverachtender Einstellungen bei. Wieder ein Punkt für die extreme Rechte.
Doch wem bereitet Susanne Dagen da eigentlich eine Bühne in Halle? Vorab: Ja, Tomas Gärtner gibt die Medienpartner und Aussteller*innen recht nüchtern wieder. In Zeiten diskursiver Raumgewinne der extremen Rechten und damit einer fortschreitenden Faschisierung der Gesellschaft, ist es unseres Erachtens aber mehr als notwendig Susanne Dagen und ihre Kompliz*innen, die Unterstützer*innen, die Medienpartner und Aussteller*innen kritisch zu betrachten, einzuordnen und als das zu benennen was sie sind: extrem Rechte und Faschist*innen!
Kommen wir nun zu den Aussteller*innen des „alternatives Spektrum[s]“, denen Dagen eine Bühne bieten will und darf, obwohl doch überall Zensur und linke Cancel Culture herrschen:
Tumult – Magazin für Konsensstörung
Der Herausgeber Frank Böckelmann, ein ehemaliger Linksintellektueller, gehört zum Dunstkreis Götz Kubitscheks. Seine Selbstinszenierung als seriöser kritischer Geist darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Böckelmann, nach eigener Aussage „neo-reaktionär“2, ein wichtiger Akteur der Neuen Rechten ist und dem Wunsch nach einem Ende des „Schuldkultes“ Raum bietet. So war er nicht nur Gast bei den Kubitscheks, er hat auch das Vorwort für Björn Höckes Buch Nie zweimal in den selbsen Fluß verfasst. In seinem Tumult-Magazin veröffentlichten unter anderem schon Michael Beleites, Mario Müller (Gewaltaffiner Neonazi, Teilnehmer des Potsdamer Treffens 2023 und wissenschaftlicher Mitarbeiter eines AfD-MdB.) und Siegfried Gerlich, dem der Historiker Peter Longerich Elemente des „klassischen »gebildeten« Antisemitismus“ attestiert3.
Der ehemalige SPD’ler und Berliner Finanzsenator, ist ein Sozialdarwinist und Rassist, welcher Mitte der 2000‘er Jahre die Bühne für all das bereitete, was aus der extrem rechten Ecke bis heute folgen sollte. Der anfängliche Sozialchauvinismus – warme Pullover gegen Heizkosten und 5€ pro Tag für Essen und Trinken für Hartz-IV-Empfängerinnen – wich schnell Rassismus und Antisemitismus. Nachdem alle Menschen muslimischen Glaubens, oder die die dafür gehalten wurden, herabgewürdigt wurden, kam das obligatorische „Judengen“: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden…“, offenbarte er der Welt am Sonntag und der Berliner Morgenpost im Jahr 2010. Wer sich weiter für Thilo Sarrazin und seiner Rolle für die Normalisierung extrem rechter Ideologeme interessiert, der*dem legen wir die Bücher Deutschlands „Neue Rechte. Angriff der Eliten – Von Spengler bis Sarrazin“ und „Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes.“ von Volker Weiß wärmstens ans Herz.
Der Jungeuropa Verlag, mit Sitz in Dresden, ist ein Projekt des laut eigener Aussage „Rechtsradikalen“ Philip Stein, welcher auch Leiter des neonazistischen Vereins Ein Prozent ist. Das Geschäftsmodell des Verlages beruht darauf, Übersetzungen extrem rechter und faschistischer Autoren zu verlegen und, wie Stein selbst sagt, „Unsagbares wieder sagbar“ zu machen. Stein und sein Verlag sind somit ein wichtiger Bestandteil der Neuen Rechten, welcher völkisch-rassistische und antisemitische Ideen unter die Leute bringt. Auch im BuchHaus Loschwitz durfte man Susanne Dagens Gastfreundschaft für Menschenfeinde schon genießen.
Gegründet und betrieben vom ehemaligen Kameradschaftsnazi und NPD’ler Michael Schäfer, versucht der Hydra Verlag, mittels popkulturellem Angebot weiter in den vorpolitischen Raum einzudringen. Mittels Comics und Graphic Novels werden rechte Verschwörungsmythen, Rassismus, antisemitische Narrative und Antifeminismus verbreitet. Ein regelmäßiger Zeichner ist Wolf PMS, welcher auch verantwortlich für Motive des neonazistischen Kampfsportevents Kampf der Nibelungen ist. Michael Schäfer ist auch Teil des Netzwerkes von Ein Prozent und somit Bestandteil der braunen Brühe in Dresden, in der sich auch Susanne Dagen wie ein Fisch im Wasser bewegt. Man kennt sich halt.
Dies sind nur ein paar wenige, aber eindeutige Beispiele dafür, wohin die Reise in Halle gehen wird. Dies nicht als das zu benennen, was es ist, ein Vernetzungsevent der deutschsprachigen extremen Rechten, bedarf schon einer gewissen kognitiven Akrobatik. Tomas Gärtner geht für die DNN aber noch weiter, indem er behauptet: Das „Links-Rechts-Schema taugt schlecht zur Beschreibung der Aussteller.“ Als Zeugen dafür führt Gärtner den Ahriman Verlag und Dieter Dehm ins Feld, und man möchte ihn direkt schütteln und mit Nachdruck nahelegen, dass eine bei Wikipedia zu findende Selbstbezeichnung nicht ausreicht, um die politische Agenda eines Verlages einzuordnen. Ebenso wenig wie ein Parteibuch, das einer mal sein Eigen nannte.
Der Ahriman Verlag, Relikt des westdeutschen K-Gruppen-Kosmos, hat sich schon Ende der 1980‘er Jahre der Neuen Rechten angedient. Zu einer Zeit, in der das noch nicht opportun war, sondern aus eigenem Antrieb heraus geschah. An AIDS erkrankte Menschen wollte man zwangstätowieren und die Weltbevölkerung aktiv reduzieren. Man sympathisierte früh mit den Republikanern, inserierte in der Jungen Freiheit und gastierte später auf der extrem rechten Messe Zwischentag. Fritz Erik Hoevels, Sektenführer des Bund gegen Anpassung, zu dem der Ahriman Verlag gehört, bezeichnete 2018 Antifaschist*innen als „die echten Faschisten unserer Zeit“, lobte die extrem Rechte für ihre Diskursbereitschaft und feierte Donald Trump und seine Wiederwahl. Ernsthaft, Herr Gärtner?
Zur politischen Verortung Dieter Dehms haben wir vor kurzem schon etwas geschrieben, worauf wir hier einfach mal verweisen werden: https://naziwatchdd.noblogs.org/post/2025/04/26/von-brandmauern-und-friedensbewegten-ohne-moralischen-kompass/
Halten wir fest, Tomas Gärtner lässt Susanne Dagen sich unkommentiert den diskursiven Raum nehmen und die von ihr propagierte Normalisierung extrem rechten Denkens vorantreiben. Mit seiner völligen Unkenntnis oder bewusstem Dummstellen bezüglich politischer Spektren und Strategien trägt Gärtner direkt selbst zur Normalisierung menschenverachtender Einstellungen bei. Menschen, die gar nicht bewusst nach extrem rechten Inhalten suchen, bekommen sie hier direkt an die Hand gegeben. Kurz: Die DNN bewirbt prominent ein Event der extremen Rechten, welches der Vernetzung untereinander und der Normalisierung in der Mehrheitsgesellschaft dienen soll und wird.
- „Cancel-Culture ist nicht neu. Die Bücherverbrennungen 1933 waren eine ihrer entsetzlichen Höhepunkte. Wer sich aber für angstfreien Austausch geschriebener Gedanken einsetzt – wie die Büchermesse in Halle (Saale) – bedarf der Ermutigung. Ob „rechts, Mitte oder links“! https://kulturhaus-loschwitz.de/seitenwechsel-die-buechermesse-in-halle/ ↩︎
- Krautzone, Nr 23 (2021) ↩︎
- Peter Longerich, Antisemitismus: Eine deutsche Geschichte, Siedler 2021, S. 394f. ↩︎