Wie schon im Jahr 2008, fanden auch 2009 zwei Neonazi-Aufmärsche anlässlich des 13. Februar statt. Das „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ (AgV) aus dem Spektrum der parteiungebundenen und NPD-kritischen „Freien Kräfte“ befand nur einen Aufzug unmittelbar am „Dresdner Schicksalstag“ selbst, am Abend des 13. Februars, für angemessen. Um hier unter dem Motto „Nicht den Tätern geh-denken, sondern den Opfern“ einen „Trauermarsch“ durchzuführen. Am folgenden Samstag trafen sich dann Neonazis, diesmal eher aus dem Spektrum der NPD, zum „Großaufmarsch“ der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO).
Wie im Vorfeld erwartet, nahmen an beiden Aufmärschen auch VertreterInnen neonazistischer Gruppen aus dem Ausland teil. Zumeist beschränkten sich die Delegationen jedoch auf Kleingruppen. Größere Delegationen waren lediglich aus Tschechien, der Slowakei und Österreich angereist. Während sich erstere zumeist aus AnhängerInnen der „Autonomen Nationalisten“ zusammensetzten, entstammten die ÖsterreicherInnen vorrangig der „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) und ihrer völkischen Jugendorganisation „Bund freier Jugend“ (BFJ). Aus Spanien war etwa ein Dutzend AnhängerInnen der „Alianza Nacional“ angereist. Deren „Jugendbeauftragter“ Enrique Valls war zudem Redner auf beiden Veranstaltungen. Weitere Neonazis kamen aus Schweden, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Dänemark. Dennoch gelang es den Neonazis nicht, auch äußerlich die forcierte Wahrnehmung als „europäische Märsche“ deutlich zu machen.
Die weitgehende Übereinstimmung bei der Teilnahme ausländischer Neonazis täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass hinter der Idee zwei Demonstrationen durchzuführen, handfeste Konflikte innerhalb der Szene stehen. Aus der Kritik heraus, der Großaufmarsch sei von der NPD in den letzten Jahren dominiert und teilweise vereinnahmt worden und es würde mit der Terminwahl an einem Samstag mehr Wert auf die Masse der „Trauernden“ als die Klasse des „Gedenkens“ gelegt, fand sich das „Aktionsbündnis“ zusammen. Nur am Abend des 13. Februar könne man demnach authentisch an die „deutschen Opfer“ der Bombardierung erinnern. Zusätzlich angeheizt wurde der Streit dadurch, dass die JLO die Anmeldung für den Aufmarsch am 13.2. kurzfristig zurückzog und somit die Demonstration beinahe ausgefallen wäre. Der Dresdner Neonazi Maik Müller sprang ein und übernahm die Versammlungsleitung. Müller ist einer der Hauptprotagonisten des AgV in diesem Jahr gewesen. Am „Gedenkmarsch“ nahmen dann etwa 1.100 Neonazis teil, die zum Großteil aus Sachsen stammten, aber auch aus anderen Bundesländern kamen. Die „Jungen Nationaldemokraten Sächsische Schweiz“ waren ebenso mit einem eigenen Block vertreten wie auch die „Nationalen Sozialisten Ostsachsen“ -ein loser Zusammenschluss der regionalen Szene. Angeführt von in Skelett-Kostümen gekleideten Neonazis, die Kreuze trugen, marschierten die Neonazis mit Fackeln durch die Stadt. Der Marsch war gleichzeitig Höhepunkt einer „Aktionswoche“, die das AgV vor dem 13.2., wie schon in den Vorjahren, durchführte. Andere „Aktionen“ waren der Abwurf von Papierschnipseln in der Innenstadt, das Schwimmen-lassen von Teelichtern auf der Elbe, genauso wie das Stören einer Veranstaltung der Linkspartei und eine Saalveranstaltung mit lokalen NPD-Funktionären.
Der Großaufmarsch am 14. Februar wurde wie in den Vorjahren zwar von der JLO angemeldet, aber unter maßgeblicher Beteiligung der NPD organisiert und durchgeführt. Angeführt vom Fronttransparent der JLO und schwarz-weißen JLO-Fahnen mit einer stilisierten Deutschlandkarte inklusive der „Ostgebiete“ zogen etwa 6.500-7.000 Neonazis durch Dresden. Unter den Fahnenträgern der ersten Reihe und in den Reihen der ersten Blöcke befanden sich eine Vielzahl von Aktivisten der neonazistisch-völkischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Das Transparent der sächsischen NPD-Landtagsfraktion mit dem Motto „Ehre, wem Ehre gebührt“ wurde gemeinsam getragen von dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, dem neuen DVU-Bundesvorsitzenden Matthias Faust, dem Fraktionschef der NPD im Sächsischen Landtag, Holger Apfel, Andreas Molau und Rene Despang. Dahinter folgte der Großteil der NPD-Partei-Prominenz. Insbesondere der gemeinsame Auftritt von Voigt und Molau sollte hier Einheit demonstrieren. War zum Zeitpunkt des Aufmarschs Molau doch noch Anwärter auf den Bundesvorsitz in der Partei. Erst später teilte er mit, dass er nicht mehr das höchste NPD-Parteiamt anstrebt, mittlerweile ist er zur DVU gewechselt. Darauf folgten Neonazi-Gruppierungen, Kameradschaften und NPD-Partei-Gliederungen. Der Block der Österreicher wurde angeführt vom wegen NS-Wiederbetätigung verurteilten Gottfried Küssel, im Block der Slowakischen Neonazis marschierte Jens Pühse mit. Auf ihren Transparenten machten die Neonazis keinen Hehl um ihre Gesinnung. Diverse Transparente zeigten antisemitische und die Shoa verharmlosende Parolen. Gleich mehrfach war die Rede vom „alliierten Bombenholocaust“. Auf einem Transparent „Freier Nationalisten Rhein/Rahe“ stand in Anlehnung an die nationalsozialistische Parole „Die Juden sind unser Unglück“ „Die USA sind unser Unglück“. Direkt gegen Israel richteten sich ebenfalls Parolen. „Gestern Dresden – heute Gaza, Völkermörder zur Rechenschaft ziehen!“ und „Kriegstreiber Bush Blair sowie die Mordbrenner am palästinensischen Volk vor das Kriegsverbrecher-Tribunal“ sprechen eine deutliche Sprache. Auf der Abschlusskundgebung sprach neben Holger Apfel und Matthias Faust, auch der in der Szene beliebte „Zeitzeuge aus der Erlebnisgeneration“ und ehemalige Angehörige der Nazi-Luftwaffe Hajo Herrmann. Für die spanische „Alianza Nacional“ sprach Enrique Valls, für „Slovenská Pospolitost“ der Slowake Michael Laššák.
Erneut ist es der NPD und JLO in Dresden gelungen, den Großaufmarsch zum zentralen Ereignis der bundesdeutschen Szene und darüber hinaus zu machen. Trotz der großen TeilnehmerInnen-Zahl von annähernd 7.000 Neonazis blieb dabei aber nicht verborgen, dass einige fehlten. So hatte Christian Worch öffentlich seine Nicht-Teilnahme damit begründet, dass er keine NPD-Vertreter am Vorabend, beim „Gedenkmarsch“ der „Freien Kräfte“ gesehen habe. Auch Neonazis aus München um Norman Bordin und in Franken um Mathias Fischer fehlten. Die hatten es vorgezogen zum zeitgleich stattfindenden „Tag der Ehre“ nach Budapest zu fahren. Hier versammeln sich jährlich im Februar militante Neonazis vorrangig aus Osteuropa und zunehmend auch aus Westeuropa, um der Opfer des Ausbruchs aus dem von der Roten Armee eingekesselten Stadtteil auf dem Burgberg in Buda zu „gedenken“. Im Februar 1945 waren dabei mehr als 39.000 deutsche und ungarische Soldaten ums Leben gekommen. Ihre Nicht-Teilnahme in Dresden wollten die bayrischen Neonazis dabei auch als Kritik an der JLO-NPD-Großveranstaltung verstanden wissen.