Die Jubelposen sind vorbei – Eine Einschätzung der Landtagswahl 2009

Gesichter sagen mehr als Worte. Die Gesichter von Apfel und Co. im sächsischen Landtag beim Ansehen der ersten Hochrechnungen machten deutlich, das hatten sie sich doch anders vorgestellt. Im Saarland irgendwo unter „sonstige“, in Thüringen keine fünf Prozent und in Sachsen das Wahlziel 10 Prozent plus X weit verfehlt. Einzig der in der Geschichte der NPD erstmalige Wiedereinzug in ein Landesparlament war als Erfolg übriggeblieben, der in die zahlreichen Mikrofone posaunt werden konnte. Bei all den Phrasen und Parolen – egal welcher NPDler gerade interviewt wurde – bei all den einstudierten albernen Back- und Ohrfeigen fürs System und Kartell war man sich nicht mehr sicher: Ist das jetzt live oder doch von 2004?

Es war live, leider. Die NPD ist in Sachsen mit 5,6 Pozent wieder in den Landtag eingezogen. Zwar hat sie gegenüber 2004 mit jetzt „nur noch“ 100.834 Stimmen nahezu die Hälfte, nämlich 90.075 eingebüßt, aber wie sich schon bei den Kreistagswahlen 2008 und den Kommunalwahlen im Juni 2009 abzeichnete ein Stammwählerpotential zwischen 5 und 6%. Der Schwerpunkt liegt dabei im ländlichen Raum. Regionen in der die NPD überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte sind neben der Sächsischen Schweiz, vor allem das Erzgebirge, Torgau-Oschatz, die Oberlausitz und Riesa-Großenhain. Insbesondere in letztgenannter Region ist der Zusammenhang zwischen hohem Wahlergebnis und lokaler Präsenz der Partei auffällig. Sowohl Holger Apfel als auch Jürgen Gansel sitzen hier im Kreistag und nutzen auch die „kleine“ politische Bühne konsequent, um Aufmerksamkeit für die NPD zu generieren.

Neben den bereits seit 2004 im Landtag sitzenden Holger Apfel, Alexander Delle, Jürgen Gansel, Johannes Müller, Winfried Petzold und Gitta Schüssler kommen die bisherigen NPD-Fraktionsmitarbeiter Arne Schimmer und Andreas Storr als neue Abgeordnete hinzu. Festzustellen ist, dass abgesehen von Müller, Petzold und Schüssler, alle ihren jahrelangen Weg durch die parteieigenen Nachwuchsorganisationen Junge Nationaldemokraten (JN) oder dem Nationalen Hochschulbund (NHB) gegangen sind. Schaffte es Gansel nur bis zum JN-Schulungsleiter in Hessen, sitzen mit Delle (1998 stellvertretender Bundesvorsitzender), Storr (Vorsitzender von 1992 bis 1994) und Apfel (Vorsitzender 1994 bis 1999) gleich drei ehemalige Führungskader der JN im Landtag. Schimmer wiederum war Bundesvorstandsmitglied im NHB. Auch eine Beschäftigung beim Parteiorgan Deutsche Stimme hat die Hälfte der Abgeordneten im Lebenslauf vorzuweisen, ob als Angestellter wie Delle, als Redakteure wie Gansel und Schimmer oder als langjähriger Chef wie Apfel. Dies unterstreicht die lang angestrebte Professionalisierungstendenz der Partei, wobei diese gleichzeitig mit dem Anspruch „Aus der Mitte des Volkes“ zu kommen, kollidiert. Es handelt sich beim NPD-Personal überwiegend um herangezogene, geschulte und ideologisch gefestigte Parteikader.

Für das „Fußvolk“ blieb nur der Wahlkampf. So erfolgreich es sich zum Aufhängen der Plakate und Verteilen von Zeitungen und Flyern mobilisieren ließ – noch nie hat die NPD einen derart aggressiven Materialwahlkampf geführt – so mäßig war die Resonanz zur abschließenden Kundgebungstour. Holger Apfel unterstützt von Udo Pastörs und Frank Rennicke sprachen zumeist auf fast leeren Plätzen und gegen zahlenmäßig und akustisch überlegene Gegendemonstran_innen an. Wie schon zur Kommunalwahl im Juni setzte die NPD auf aggressiv rassistische Parolen und versuchte punktuell emotional aufgeladene Themen zu nutzen. Zum Beispiel witterten die Nazis in Eilenburg nach der Ermordung eines jungen Mädchens die Chance mit ihrer Forderung nach der Todesstrafe für Kinderschänder Gehör zu finden. Einen anderen Weg ging Hartmut Krien. Der Dresdner NPD-Stadtrat erfand kurzerhand ein Wahlkampfthema: mit Flyern über eine angeblich im Bau befindliche Moschee in Dresden knüpfte er an verbreitete rassistische Ressentiments an und wollte WählerInnen mobilisieren. Nach einer vom Eigentümer der entsprechenden Immobilie erwirkten Unterlassungserklärung wurde ihm die weitere öffentliche Behauptung und entsprechende Lügenpropaganda untersagt. Insgesamt fehlte der NPD aber ein mobilisierungsfähiges Wahlkampfthema. 2004 gelang es der NPD an die Hartz IV-Proteste anzuknüpfen und damit zahlreiche WählerInnen anzusprechen. In diesem Jahr versuchte sie unter dem Leitmotiv „1989 wie heute. Wir sind das Volk“ mit dem Wende-Jubiläum zu punkten, die erhoffte NichtwählerInnen-Mobilisierung gelang damit aber nicht. Im Gegenteil: Einen Gutteil ihrer Stimmen verlor sie an dieses Spektrum. Die vielerorts nun wieder zu vernehmende Beschimpfung von NichtwählerInnen, sie trügen nicht nur für die geringe Wahlbeteiligung, sondern damit auch für den Wiedereinzug der NPD die Verantwortung, geht am Kern der Sache vorbei: 100.834 haben einer Nazipartei ihre Stimme gegeben. Neben der aggressiven Materialschlacht war der Landtagswahlkampf 2009 auch von einer Brutalität gekenzeichnet, die es so bei vorangegangenen Wahlen noch nicht gegeben hat. Aus mehreren Regionen wurden Verletzte gemeldet, darunter Wahlhelfer und Kandidaten anderer Parteien aber auch Menschen, die sich mit den omnipräsenten Hetzparolen nicht abfinden wollten.

Eine schlechte Nachricht bleibt abschließend noch festzuhalten: CDU und FDP haben eine Koalition gebildet.