Und wie üblich grüßt das jährliche Murmeltier

Rückblick auf den 11. und 13. Februar 2023

Im Vorfeld war wie schon in den letzten Jahren wenig an Werbung zu vernehmen, dennoch fanden sich wieder 800 Teilnehmende ein, als am 11. Februar zum geschichtsrevisionistischen Gedenken nach Dresden mobilisiert wurde. Auch im Jahr 2023 hat der Naziaufmarsch anlässlich des 13. Februar nicht an Relevanz für die NS-affine Szene verloren. Und am 13. Februar selbst, der auf einen Montag fiel, fand sich am Abend das Dresdner Montagsprotestklientel mit reichlich 500 Teilnehmenden unter dem Motto „Dresden mahnt“ zusammen.

Antifaschistische Proteste störten an beiden Tagen die Veranstaltungen. Am Montag gelang es die Route des rechten Aufmarschs durch Blockaden zu verkürzen.

Die Zeiten, in denen Nazis mit der sogenannten „Aktionswoche“ bereits in der Woche vor dem 13. Februar in der Stadt präsent waren, sind schon länger vorbei. Aus den Dresdner Strukturen heraus kommen keine nennenswerte Aktionen mehr – weder Transparente an Autobahnbrücken, noch Infostände in Fussgängerpassagen. Ein im Vorfeld veröffentlichtes Video mit Stickern und Stencils aus dem Umfeld der ehemaligen „Freien Kameradschaft Dresden“ wirkt nur noch wie ein Feigenblatt um nicht ganz tatenlos da zu stehen. Am 4. Februar reiste sogar Nico Koal mit weiteren JNlern aus Brandenburg nach Dresden, um mit Transparent und Luftballons vor der Frauenkriche für das „Dresden-Gedenken“ zu mobilisieren.

„Dresden-Gedenken“ am 11. Februar

Der Naziaufmarsch startete in diesem Jahr am Hauptbahnhof, zog vom Wiener Platz über die Reitbahn-, Marien-, Freiberger und Schweriner Straße, über den Wettiner Platz bis zum Bahnhof Mitte. Bereits im letzten Jahr hatte Lutz Giesen die Anmeldung des traditionellen Aufmarsches übernommen, so auch wieder in diesem Jahr. Der Greifswalder, der mittlerweile im mittelsächsischen Leisnig lebt, war Kader der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und arbeitete zwischen 2006 und 2011 für die NPD im mecklenburgischen Landtag. In Dresden war er regelmäßig Gast – ob als Redner bei Demonstrationen der „Freien Kräfte“ Anfang der 2000er oder als feste Größe beim sog. Trauermarsch am 13. Februar.

Anmelder Lutz Giesen liest die Auflagen des Naziaufmarsches vor. Quelle: Presseservice Rathenow
Lutz Giesen. Quelle: Presseservice Rathenow

Struktur und Ablauf des Aufmarschs glichen nahezu vollständig dem Vorjahr: die Ordnerfunktion übernahm überwiegend das Leisniger Umfeld völkischer Siedler:innen, eingewiesen durch Christian Fischer. Auch der Döbelner NPD- und Freie Sachsen-Aktivist Stefan Trautmann war wie in jedem Jahr mit Ordnerbinde unterwegs.

Transparent der "Freien Sachsen" am 11. Februar 2023 in Dresden. Links am Transparent Max Schreiber, rechts René Despang. Quelle: Presseservice Rathenow
Transparent der „Freien Sachsen“. Links am Transparent Max Schreiber. Quelle: Presseservice Rathenow

Die zur Schau getragenen Transparente boten wenig Überaschendes – neu war allein, dass es den Nazis tatsächlich per Auflage der Stadt untersagt war, den geschichtsrevisionistischen Begriff, der die Bombardierung Dresdens mit der Shoah in eins setzt, vor sich her zu tragen. An der Spitze wurde ein Transparent mit der Aufschrift „(Ge)denk Dresden“ präsentiert, gefolgt von „Freien Sachsen“ bzw. den Restbeständen der hiesigen NPD, denn das Transparent der „Freien Sachsen“ trugen die beiden früheren NPDler Rene Despang und Max Schreiber. Im Block hinter dem Bautzener „Balaclava“ Transparent sammelten sich in diesem Jahr auffällig viele Nazis – jünger als der Demoschnitt, mehrheitlich männlich und im schwarze-Jacken-und-Schlauchtuch-Dresscode, ergänzt um schwarze Fahnen. Auch ein Teil von „Werra Elbflorenz“ reihte sich hier ein – ein nicht so kleiner Teil der Nazikameradschaft befand sich jedoch in Budapest anstatt in Dresden, um dort am „Tag der Ehre“ und der Wanderung „Aufbruch60“ teilzunehmen. Der Aufmarsch ist auch überregional durchaus noch attraktiv: neben regionalen Zusammenschlüssen wie den „Nationalisten Niederlausitz“ war „Heimat Dortmund“ ebenso verteten, wie die „Jungen Nationalisten“ (JN) oder die NPD Uecker-Randow. Die eine oder andere „III. Weg“ Mütze konnte ebenfalls gesichtet werden. Ein echtes Relikt des Dresdner Nazi-Trauermarschs war in diesem Jahr am LKW zu entdecken – dort hing ein Banner der „Freien Kräfte Sachsen“, wenngleich Personen aus diesem Organisationsversuch der 2000er Jahre kaum mehr vertreten waren.

Relikt aus alten Zeiten: Das Transparent der „Freien Kräfte Sachsen“. Quelle: Presseservice Rathenow

Zur Abschlusskundgebung am Bahnhof Mitte stellte sich der Aufmarsch wie üblich im Karree um die eilig montierte Bühne vorm Lautsprecher-LKW. Kränze wurden trapiert, Fackeln entzündet, dann folgte der übliche Reden-Marathon inklusive Grußbotschaften aus diversen europäischen Ländern, der ebenfalls wie üblich mit dem Absingen des Deutschlandliedes endete – eine ermüdende Routine offenbar auch für eine beachtliche Zahl der Teilnehmenden, die vorzeitig den Aufzug verließen und den Heimweg antraten.

„Montagsspaziergang“ am 13. Februar

Die Dresdner Montagsspaziergänger um „Dresden vereint“ luden unter dem Motto „Dresden mahnt“ zum stillen Gedenkzug am Abend an die Torwirtschaft. Angemeldet wurde der Aufzug von Albrecht W., die Werbung verantwortet ein „Herr Schneider“ mit einer Adresse in Bannewitz. Etwa 500 Personen folgten dem Aufruf und sammelten sich unweit des Dynamo-Stadions.

Von dort ging es über den Straßburger Platz, die Grunaer Straße zum Pirnaischer Platz. Hier zwang eine Blockade auf der weiteren Strecke den „Schweigemarsch“ zum Abbiegen. Ursprünglich sollte die Route über die Wilsdruffer Straße zum Postplatz führen. Aufgrund der Proteste blieb es bei einer kurzen Runde, die an der Halfpipe endete: Dort wurde bei einer einstündigen Abschlusskundgebung Fotos des zerstörten Dresdens in Dauerschleife und begleitet von Klaviermusik auf eine Leinwand projiziert. Der „Freie Sachse“ Max Schreiber stellte für die Leinwandkonstruktion sein Auto mit Anhänger zur Verfügung.

Das Ambiente des sonst mit allen möglichen Symbolen, Schildern und Fahnen versehenen Montagsspaziergangs wich deutlich ab. Nur ein einziges Transparent war zugelassen: „Dresden mahnt – aus der Geschichte lernen“, nur Kerzen und Blumen, schwarze und Friedensfahnen waren erwünscht, weder Parteisymbole noch Sprechchöre. Vor dem Schweigemarsch trug man einen Kranz auf einer Bahre – an pathetischer Symbolsprache fehlte es also nicht an diesem Montagsspaziergang zum 13. Februar. Zwar wolle man „Ohne Schuldzuweisungen oder Relativierungen … als Bürger dieser Stadt“ auftreten, aber die Inszenierung Dresdens als unschuldiges Opfer „mehrerer militärisch sinnloser Bombenangriffe“, so der Aufruf, bedarf längst keiner expliziten Anklagen mehr – die Einordnung der Bombardierung Dresdens, die eigene Identität als Opfer und die Verknüpfung mit der aktuellen Debatte um den Angriffsrieg Russlands in der Ukraine funktioniert bei den Teilnehmenden auch so.

Das Publikum unterschied sich jedoch nicht sonderlich von den sonstigen Montagsumzügen. Eine nennenswerte zusätzliche Mobilsierung aus dem klassischen NS-affinen Spektrum aufgrund von Thematik, Route und Zeitpunkt war nicht zu erkennen. Überschneidungen unter den Teilnehmenden beider Aufzüge blieben aber nicht aus. Zu den üblichen montäglichen Spaziergängern war von AfD über „Ein Prozent“ und „Freie Sachsen“, NPD bis „Werra Elbflorenz“ alles vertreten, was das rechte Potpourri in Dresden zu bieten hat. Wie schon am Samstag waren Compact TV und Deutsche Stimme TV unterwegs und filmten für ihre Kanäle, und auch das Filmkunstkollektiv um Simon Kaupert fing mit Kamera Bilder für ihre sogenannten Widerstandsinszenierungen ein, die später beim österreichischen Sender AUF1 erscheinen werden.

Drumherum: Kranzniederlegungen am 13. Februar

Über den Tag verteilt, legten von AfD und JA – mit dabei Bundessprecher Tino Chrupalla – über die Dresdner NPD bis zu „Werra Elbflorenz“, Kränze am Heidefriedhof nieder. Lutz Giesen und Maik Müller besuchten zudem zusammen mit Edda Schmidt den Altem Annenfriedhof und hinterließen dort den Gedenkkranz des Trauermarsches. „Werra Elbflorenz“ brachte am frühen Abend ca. 30 vornehmlich junge Neonazis auf dem Heidefriedhof zusammen, um mit Fackeln die Kranzniederlegung zum geschichtsrevisionistischen Gedenken zu inszenieren.

Am Nachmittag folgten etwa 500 Personen einem Aufruf Uwe Steimles, einem „Satiriker“, der immer wieder mit völkischen und antisemitischen Positionen auffällt. So wurde im Rahmen der Kundgebung etwa ein geschichtsrevisionistisches Transparent gezeigt, auf dem der derzeitige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Joseph Göbbels gleichgesetzt wird.

Fazit

Grundsätzlich bleibt die Einschätzung aus dem Vorjahr aktuell: „Der Trauermarsch wird mit dem Rückzug von Maik Müller nicht mehr maßgeblich von Dresdner Strukturen getragen, die Lücke wird von regionalen Neonazikadern gefüllt. Die Mobilisierungsfähigkeit bleibt im Vergleich zu ähnlich gelagerten Aufmärschen wie in Magdeburg höher, erreicht aber auch bei weitem nicht mehr die frühere Größe. Vor allem die überregionale Mobilisierung hierfür fehlt. Derzeit wirkt der Aufmarsch eher wie das Abspulen einer über die Jahre eingeübten Routine – ohne großen Elan und ohne größere Mobilisierungsarbeit. Doch auch wenn die Veranstaltungen rund um den 13. Februar kleiner ausfallen, als noch vor einigen Jahren, besitzt die geschichtsrevisionistische Lesart der Bombardierung Dresden weiterhin einen große Anziehungskraft für unterschiedlichste rechte Milieus.“