Neonazistische Bürgerwehr in Dresden: Organisation mit militärischem Hintergrund

Im September 2023 hat sich eine neonazistische Bürgerwehr in Dresden gegründet. Anlass war die Errichtung einer Container-Asylunterkunft in Dresden-Gorbitz. Die Aktivitäten der Gruppe sind überschaubar und auf Social-Media-Kanäle fokussiert, jedoch scheinen Personen mit militärischen Background und möglicherweise mit Zugang zu Schusswaffen involviert. Ein Grund genauer hinzuschauen.

Die Bürgerwehr firmiert unter dem Namen „Brauner Adler- Deutsche Bürgerwehr mit Herz“. Das erste öffentliche Lebenszeichen der Gruppe findet sich am 3. September 2023 auf Instagram. Im Beitrag heißt es: „Eine Truppe im Hinterland der Gesellschaft muss wachsen. Wir sind die nächste Generation.“ Das dazugehörige Bild zeigt sicherlich nicht zufällig die Wewelsburg, die im NS-Regime als Kult- und Terrorstätte der SS genutzt wurde. In großen Buchstaben ist darüber getippt: „Schließe dich den braunen Adler an“ (sic!).

Screenshot: Instagram (@brauneradler)

Am 19. September folgt ein Video auf Youtube mit dem Titel „Wir sagen nein zum Flüchtlingsheim Dresden (Gorbitz)“. Das einminütige Filmchen zeigt Fotos einer mit Bauzäunen gesicherter Wiesenfläche in Dresden-Gorbitz, auf der eine städtische Container-Asylunterkunft geplant (und mittlerweile eingerichtet) ist. Zu einem Bild eines dort angebrachten Vorhängeschlosses heißt es etwas schräg formuliert: „Ein Schloss sichert nicht unsere Taten“. Anschließend wird ein bereits platzierte Baustromkasten gezeigt und zu Sabotage aufgerufen: „Zieht den Stecker und wehrt euch“ und „Für unsere Heimat Deutschland“. Unterlegt ist das Video mit dem Refrain aus dem Song „Deutschland“ von Rammstein. Weniger später folgt ein weiteres Video: Diesmal sind es Drohnenaufnahmen des Geländes. Bestimmte Objekte der Baustelle, etwa ein Bagger, werden in Großaufnahme hervorgehoben.

Screenshot: Website „Brauner Adler“

Seit November 2023 betreibt die Bürgerwehr eine Internetseite, wo sich neue Mitglieder bewerben können. Auf der Seite werden die Aktivitäten mit Verweis auf „Jedermannsrechte“ begründet und über vermeintliche „Jugend- und Clankriminalität“ aufgeklärt. Außerdem werden Merchandise-Artikel zum Verkauf angeboten: Es können T-Shirts und Sticker mit dem Symbol der Bürgerwehr erstanden werden. Mit einem Paypal-Konto wird um Spenden geworben, ansonsten scheint die Website noch im Aufbau begriffen.

Als Organisationstool setzt die Gruppe auf einen Discord-Server mit mehreren Chats. Bis heute sind etwa ein gutes Dutzend Personen diesem Server beigetreten. Die Nicknamen sprechen teilweise für sich: „Adi8.8“ und „EvaBraun“. Nicht alle davon lassen sich identifizieren, jedoch gibt einige Hinweise auf konkrete Personen. 

Screenshot: Instagram (@brauneradler)

Der Gründer der Bürgerwehr trägt den Nickname „Brauner Adler“. Es handelt sich hierbei um eine männliche Person, die um die 30 Jahre alt ist und in Dresden-Gorbitz wohnt. Ein Bild wurde direkt aus einer Pension auf der Kesselsdorfer Straße 177 aufgenommen. Auf Bildern zeigt sich die Person nur vermummt. Sie posiert mit Dynamo-Fanutensilien und behauptet 2014 als Infanterist im Objektschutz beim 33. Taktischen Luftwaffengeschwader der Bundeswehr auf dem Fliegerhorst Büchel gedient zu haben. Sie hat ein Bundeswehrgruppenfoto auf dem Discord-Server gepostet. Weitere Postings zeigen, dass sich die Person für den Kauf von (Kriegs-)Waffen interessiert und zumindest in der Lage ist ein VPN zu nutzen. Sein DHL-Login lautet offenbar in Anlehnung an Adolf Hitlers Geburtsname Kuni Schickelgruber. Auf Instagram markiert die Person regelmäßig muslimische Frauen, die in Gorbitz abfotografiert und deren Bilder mit Texten versehen werden. Bei einem solcher Bilder steht: „Ich hasse den Islam“.  Unter ein Bild mit einem Baseballschläger schreibt er: „Diesen einen Freund sollte jeder besitzen“.

Screenshot: Instagram (@leonpeschel1)

Eine weitere Person, die sich seit Beginn bei der Bürgerwehr engagiert, hat sich auf Instagram zunächst „Leon Peschel“ genannt, den Namen aber später abgeändert in „Matthias Peschel“ und dann in „CrazyGerman84“. Die Person soll aus Halle an der Saale zu stammen und hat sich nach eigenen Angaben bei der Fremdenlegion in Frankreich (Légion étrangère) verpflichtet. Dies könnte zutreffen. So zeigt ihn ein Bild mit Militäruniform und einem  Barret, welches das Logo der französischen Fremdenlegion ziert. Auf einem weiteren Bild der Person in Uniform ist ein Namenspatch zu erkennen, auf dem der Vorname mit „L.“ abgekürzt ist, der Nachname ist nicht vollständig zu erkennen, kann aber nicht mit der Instagram-Angabe übereinstimmen. Andere Postings zeigen die Person in Dresden oder vor einem Gebäude der Légion étrangère. Auf einen weiteren Bild posiert er mit einem vollautomatischen Gewehr. Eine Instagram-Story ist dem Neonazi-Sänger Lunikoff und dessen Musik gewidmet. Vor wenigen Tagen hat er auf dem Discord-Server der Bürgerwehr seinen Rückzug von Social Media verkündet. Es handele sich dabei um einen „strategischen Rückzug“ und er  wolle wiederkommen, wenn die „Messer gewetzt“ werden.

Screenshot: Instagram (@brauneradler)

Die Teilnehmer*innen in dem Chat sind nicht alle aus Dresden und Umgebung, sondern teilweise über ganz Deutschland verstreut, etwa in Baesweiler in Nordrhein-Westfalen oder in Neuental in Hessen. Für ein Live-Treffen auf dem Striezelmarkt in Dresden im Dezember sollen lediglich drei weitere Personen ihr Kommen angekündigt haben. Noch scheint das Vorantreiben der Bürgerwehr an ein oder zwei Einzelpersonen, insbesondere dem Gründer „Brauner Adler“ zu hängen.

Insofern erinnert das Gebahren von „Brauner Adler – Deutsche Bürgerwehr mit Herz“ an die Anfänge rechtsterroristischer Strukturen wie Oldschool Society und „Gruppe S.“. Auch diese haben sich maßgeblich über Online-Tools organisiert und Schritt für Schritt radikalisiert. Das Vorgehen und die Selbstdarstellung der Bürgerwehr wirkt zuweilen skuril, ungefährlich ist es jedoch nicht, gerade weil hier mehrere Personen mit militärischen Kenntnissen und einer Affinität zu Schusswaffen involviert scheinen und sich um eine Organisierung bemühen.