Einleitung
Volksliedertafel Dresden
Volksliedertafel Bautzen
Volkstanzgruppe „DaDon“
Studenten stehen auf
Überregionale völkische Tanzaktivitäten in Dresden
Einleitung: Völkische Ideologisierung möglichst beiläufig
Seit mehreren Jahren sind zunehmende Aktivitäten völkischer Gruppierungen in Dresden und Umgebung zu verzeichnen. Waren völkische Akteur*innen vor ein paar Jahren weitgehend in geschlossenen Kreisen tätig, drängen Gruppen und Einzelpersonen mittlerweile in die Öffentlichkeit. Dies liegt nicht zuletzt an den Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, durch die sich dem völkischen Milieu die Möglichkeit bot, ihre Ideologie einem größeren Publikum zugänglich zu machen und neue Mitstreiter*innen zu finden. So konnte sich in den letzten Jahren ein breites Netzwerk zusammenfinden, das von völkischen Familien, Reichsbürger*innen über Esoteriker*innen bis zu Anastasia-Anhänger*innen reicht.
In Dresden und Umgebung bilden mehrere Volkstanzgruppen, mit personellen und ideologischen Überschneidungen, den Kern dieses Netzwerks. Die Gruppen folgen dabei der Logik völkischer Siedlungsprojekte. Versuchen diese mit vordergründig unpolitischen Aktivitäten Einfluss in Dorfgemeinschaften zu erlangen, um anschließend ihre Ideologie zu verbreiten, so wird bei den Volkstanzgruppen „Brauchtumspflege“ betrieben, die bei genauerem Hinsehen Instrument zur Verbreitung völkisch-nationalistischer Inhalte ist, deren Normalisierung vorantreibt und zur Akquirierung neuer Mitglieder dient. Volkstanz wird von völkischen Akteur*innen als harmloses Angebot unterbreitet, das grundlegende Bedürfnisse nach Bewegung und Gruppenerlebnissen erfüllt.
Ein historisches Vorbild ist die Lebensreformbewegung der 1920er Jahre, die einen ihrer Knotenpunkte in Dresden-Hellerau hatte und aus der Ablehnung von Industrialisierung und Kapitalismus eine Vielzahl von alternativen Heilmethoden, mystischen Praktiken, Siedlungsprojekten, heidnisch-germanischen Ritualen und Volkstänzen hervorbrachte. Ein Repertoire, aus dem sich die Nationalsozialisten vielfältig bedienten. Der Volkstanz wurde dort als Gegenmodell zu modernen Tänzen aus Frankreich oder den Vereinigten Staaten propagiert. Nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus waren Volkstanzgruppen wichtig zur Konservierung völkisch-nationalistischer Ideen. Bis heute dient Volkstanz als Instrument einer rassistischen Wiederentdeckung „verschütteter“ Volkstümlichkeit. So wird er heute von völkischen Akteur*innen aufgegriffen, in deren „Blut- und Boden“-Romantik Bauern und Bäuerinnen als die „wahren“ Träger*innen des „Deutschtums“ gelten. Dieses Motiv der „Scholle“ propagiert neben den völkischen Siedler*innen vor allem die „Anastasia-Bewegung“ mit ihrem „Familienlandsitz“-Konzept. Die vermeintliche Naturbezogenheit und das Autarkieversprechen ist wiederum für ein alternatives und esoterischen Milieu besonders ansprechend.
Die Volkstanzszene in Dresden organisiert sich über die Plattform Telegram: Sie bildet die Grundstruktur zur Anbindung neuer Menschen. Die Kommunikation funktioniert über ein Stufenprinzip. In den Telegramgruppen, über welche die konkreten Tanzveranstaltungen geplant werden, finden sich nur vereinzelte Hinweise auf rechte Veranstaltungen und kaum neonazistische Inhalte. Daneben existieren jedoch weitere Telegramkanäle, oftmals von den gleichen Akteur*innen betrieben, in denen u.a. offene Holocaustleugnung betrieben wird.
Entsprechend unübersichtlich ist die Zusammensetzung der Gruppen auf den ersten Blick: Dark-Metal-Fans treffen auf harmoniebedürftige Esoteriker*innen, Hippies auf völkische Nazis, „Feuerheiler“ auf katholische Fundamentalist*innen. Wie passt das zusammen? Die pandemiegeprägte gesellschaftliche Situation dürfte hier einiges erklären. Viele empfanden die starken individuellen Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie als Zumutung und persönliche Kränkung. Viele sehnten sich zurück zum besseren, einschränkungslosen „Früher“. Ein Muster, das völkischen, rechten, neonazistischen Akteur*innen gut bekannt ist, stricken sie doch aus dem „Zurück in die Vergangenheit“ und der Ablehnung der Moderne ihre gesamte ideologische Basis. Entsprechend versuchten sie an die Pandemieleugner*innen anzuknüpfen, deren oftmals individuellen Motive zu einem generellen Kulturkampf zu verallgemeinern und die (völkische) Rückbesinnung auf vermeintliche „Urtümlichkeit“, „ganzheitliches Leben“ und „(Volks-)Gemeinschaft“ für einen breitere Masse attraktiv zu machen.
Dass die durch die Corona-Pandemie gestärkten rechten Netzwerke mit neuem Selbstbewusstsein auftreten, zeigt sich in letzter Zeit durch einen Vielzahl von versuchten Einmietungen in zivilgesellschaftliche Räume. Ziel ist es zu normalisieren, was nicht normal sein darf: völkische Ideologie. Aus diesem Grund gibt der Text einen Überblick über die Akteur*innen, Netzwerke und ihre Aktivitäten. Er will anregen genauer hinzuschauen.
Die Volksliedertafel Dresden – Musik fürs völkische Brauchtum
Dresden im August 2018. Auf der Cockerwiese baut die „Identitäre Bewegung“ (IB) Stände und Bühne für das „Europa Nostra“-Festival auf. Als großes „Festival der Bewegung“ angekündigt, fanden tagsüber Seminare, Musik- und Kulturbeiträge statt. Volkstänze durften dabei nicht fehlen. Und so machte sich eine kleine Gruppe am Rande des Veranstaltungsgeländes auf, einen Kreistanz einzuüben. Darunter waren Alina Manescu und Freya Honold, beide zu dieser Zeit noch aktive Mitglieder in der IB-Ortsgruppe Dresden. Der Niedergang der selbsternannten „größten Jugendbewegung Deutschlands“ sorgte jedoch für Neuorientierung. Honold ist mittlerweile der neonazistischen „Wanderjugend Oberlausitz“ zugewandt. Dort widmet sich die Studentin der TU Dresden ebenfalls dem Volkstanz. Vorgeführt werden die Tänze vor allem bei Sonnenwendfeiern, welche die Gruppe seit 2020 abgeschottet im sächsischen Neufriedersdorf durchführt.
Musikalisch begleitet wurde die IB-Formation im August 2018 auf der Cockerwiese von der „Volksliedertafel Dresden“. Die Musikcombo ist nach eigenen Angaben seit 2005 aktiv und beschreibt ihr Wirken als „Einsatz für Freiheit, Kultur und Lebensreform“. Getreu ihrem Motto „Kulturbereicherung beginnt mit dem Eigenen“ betreibt die in wechselnder Besetzung auftretende „Volksliedertafel“ völkische Brauchtumspflege. Mit ihrem „Kulturprogramm“ fungiert sie als Scharnier zwischen AfD, völkischen Nationalist*innen, Holocaustleugner*innen und Anhänger*innen der völkisch-esoterischen „Anastasia-Bewegung“. Die Gruppe zeichnet sich durch hohe Aktivität aus und ist bis heute auf einer Vielzahl von rechtsradikalen Veranstaltungen anzutreffen.
Das Gesicht der Combo versteckt sich hinter dem Pseudonym „Andi Hoffnung“. Er betreibt eine eigene Internetseite, auf der neben Liederbüchern und Kamerakursen auch Wanderungen und Richard-Wagner-Abende angeboten werden. Neben den Darbietungen von Tänzen und Liedern trat er im Rahmen von PEGIDA regelmäßig als Redner auf, wo er mit antisemitischer Rhetorik für die Brauchtumspflege warb. Darüber hinaus zeigt sich der auch unter dem Pseudonym „der Keethner“ auftretende „Hoffnung“ besonders gern im Umfeld des wegen Holocaustleugnung vorbestraften Nikolai Nerling, besser bekannt als der „Volkslehrer“. Als Nerling im 23. März 2019 im Rahmen seiner „Volkskraft-Woche“ in der Dresdener Innenstadt Station machte, sorgte die „Volksliedertafel“ für die musikalische Untermalung der dort aufgeführten Volkstänze. Neben den zu Teilen aus der ganzen Bundesrepublik angereisten Teilnehmer*innen, beteiligten sich die damaligen Mitglieder der Dresdner „Identitären Bewegung“ Yannick Pochert und Fabian Rösner an den auf dem Theaterplatz aufgeführten und von Nikolai Nerling angeleiteten Gruppentänzen. Beide sind mittlerweile in der Kameradschaft „Werra Elbflorenz“ aktiv. Die Kundgebung in der Dresdner Innenstadt konnte nicht wie geplant zu Ende gebracht werden. Nach der Rede des Gründers der „Europäischen Aktion“, Bernhard Schaub, wurde die Versammlung aufgrund volksverhetzender Inhalte von der Polizei aufgelöst.
An der Trommel wird „Andi Hoffnung“ durch das AfD-Mitglied Jürgen Matthes unterstützt. Der 1947 Geborene verließ 2020 aus Altersgründen den Tharandter Stadtrat, in den er ein halbes Jahr zuvor für die Rechtsaußen-Partei gewählt worden war. Matthes ist dem völkischen Milieu über die „Volksliedertafel“ hinaus zuzuordnen. 2019 stellte er sein Grundstück in Spechthausen bei Tharandt dem “Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ für dessen Pfingstlager zur Verfügung. Der „Sturmvogel“ ist eine Nachfolgeorganisation der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) und gilt als völkische Kaderschmiede. Mit Drill und Disziplin soll Kindern und Jugendlichen die nationalsozialistische Ideologie anerzogen werden.
Die „Volksliedertafel“ pflegt ein enges Verhältnis zur AfD. Zum Volkstrauertag am 15. November 2020 (und die Jahre danach) besuchte die Liedertafel gemeinsam mit dem sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Norbert Mayer und dem AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz/Osterzgebirge mehrere Denkmäler im Raum Freital. Anschließend ließ die Gruppe den Tag in Mayers Wahlkreisbüro bei Kaffee und Kuchen ausklingen. Es sollte nicht die einzige gemeinsame Veranstaltung mit der AfD bleiben. Mittlerweile gehört die „Volksliedertafel“ bei Kundgebungen des vorgeblich aufgelösten Flügels der AfD zum festen Repertoire und liefert die Begleitmusik zur völkischen Politik der Partei um Björn Höcke. Eben jener Höcke bedankte sich dann auch September 2021 in seiner Rede zur Bundestagswahlkampf-Veranstaltung der AfD im sächsischen Burgstädt bei der „Volksliedertafel Dresden“ und unterstrich die Notwendigkeit der Brauchtumspflege der Gruppe für seine völkische Politik:
„Danke an die Volksliedertafel Dresden. Was die Jungs und Mädels hier leisten ist Gold wert. In dieser bedrängten Lage, in der wir sind in Deutschland als Deutsche […], ist es so wichtig, dass wenn wir vielleicht im Augenblick politisch gesehen in der Opposition sind, uns in unseren Familien, in unseren Freundeskreis aufzuladen mit dem was uns gemäß ist: mit unserer Kultur.“
Quelle: Youtube
Auch als sich am 21. Mai 2022 der AfD-Flügel um Höcke in Grimma traf, trat die „Volksliedertafel“ auf und mit ihr stand Freya Schöps auf der Bühne. Die Tochter der Dresdner AfD-Stadtratsabgeordneten Silke Schöps ist Teil der „Jungen Alternative“ Sachsen und besuchte gemeinsam mit ihrer Mutter im Juli 2022 die „Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik“ von Götz Kubitschek. Die Abiturientin tritt auch im schulischen Rahmen politisch in Erscheinung. So versuchte die Katholikin 2019 mit ihrer Mutter dem Landesschülerrat (LSR) per Gericht eine Teilnahme an der Klimakonferenz des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zu untersagen – ohne Erfolg.
Beim Auftritt in Grimma gab Enrico Stähr den Takt an der Trommel vor. Er gehört seit spätestens 2018 mit seiner Frau Manuela zur „Volksliedertafel Dresden“, wo er meistens Gitarre spielt. Der gelernte Bäcker ist seit Jahren in der Nazi-Szene verankert. 2009 und 2014 trat er erfolglos für die NPD in Prohlis zur Stadtratswahl an. Bei Ausflügen der NPD-Dresden war Stähr stets mit seiner Gitarre dabei.
Ebenso eindeutig in Nazikreisen unterwegs ist Friedemann Schulz, der sich häufig an den Aktionen der „Volksliedertafel“ beteiligt. Auch wenn der Internetauftritt des 36-Jährigen, der sich selbst als „Feuerheiler“ bezeichnet und „Altägyptische Energie-Heilung“ oder „Stein-Energetisierung“ anbietet, skurril wirkt, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schulz gut vernetzt ist. Neben der mehrmaligen Teilnahme am neonazistischen Trauermarsch am 13. Februar in Dresden besuchte er mindestens einmal das Sommerfest der Gedächtnisstätte Guthmanshausen, welches maßgeblich von der bekannten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gegründet wurde. Der häufig in Tracht gekleidete Schulz war zudem 2020 Teil der Volkstanzgruppe während der schon erwähnten Sonnenwendfeier der „Wanderjugend Oberlausitz“ in Neufriedersdorf. An dieser nahm auch der langjährige NPD-Bundesvorstand und mittlerweile in Görlitz lebende Tobias Schulz alias „Baldur Landogart“ teil. Neben der engen Zusammenarbeit mit Thorsten Heise u.A. beim „Schild & Schwert“-Festival 2019 in Ostritz pflegt der 39-jährige enge Kontakte zum Asow-Regiment, dessen politische Verantwortliche er mehrmals im Rahmen seines Videoprojektes „Expedition Avantura“ im Jahr 2020 besuchte und nach Deutschland einlud. Landogart soll maßgeblich an der Rekrutierung deutscher Neonazis für die Beteiligung am Ukrainekrieg verantwortlich gewesen sein.
Bautzen: Ableger der Volksliedertafel
Einen Ableger hat die „Volksliedertafel Dresden“ mittlerweile in Bautzen. Seit 2021 ist dort der Verein „Bautzener Liedertafel – Verein für Liedgut- und Heimatpflege e.V.“ registriert. Mit der „Volksliedertafel Dresden“ besuchte die Gruppe bereits 2018 die Versammlung anlässlich des 4. PEGIDA-Gründungstages. Im Gegensatz zu der Gruppe um „Andi Hoffnung“ gründete sich die „Bautzener Liedertafel“ direkt aus dem Umfeld der AfD heraus. Als Vorstand ist Carla Nicholson eingetragen. Die 1966 geborene Opernsängerin ist mit ihrem Mann Michael seit mehreren Jahren bei der AfD Bautzen aktiv. Die gemeinsame Tochter Elisa Nicholsen beteiligte sich mehrmals an den Aktionen der „Identitären Bewegung“ in Bautzen und Dresden. Als der völkische „Sturmvogel“ 2018 in Bischofswerda „Wilhelm Tell“ aufführte, war die 1999 geborene Nicholsen mit den Hoyerswerdaer und Bautzner AfD-Stadträten, Toni Schneider und Paul Neumann, anwesend. Die Theateraufführung war einer der größten völkischen Zusammenkünfte der letzten Jahre. Ebenfalls anwesend war Gundolf Viktor Göbel. Der 1946 geborene Wilthener ist nicht nur im Vorstand der „Bautzener Liedertafel“, sondern auch AfD-Stadtrat in Wilthen (Kreis Bautzen). Am Akkordeon ist mit Peter Schulz ein weiteres AfD-Mitglied und ehemaliger AfD-Stadtrat in Bautzen aktiv. Folgerichtig ist der Vereinsitz das Büro der AfD Bautzen.
Neben Auftritten mit dem sächsischen AfD-Vorsitzenden Jörg Urban und dem Bautzner AfD-Bundestagsabgeordneten Karsten Hilse, unterstützt die „Bautzner Liedertafel“ regelmäßig Demonstrationen in der ostsächsischen Stadt. Ihre Aktivitäten ließ sich die Gruppe mindestens im Jahr 2020 durch das Förderprogramm „Partnerschaften für Demokratie“ fördern. Ob jedoch das „Gemeinschaftserlebnis des Gesanges“ unter dem Titel „Der Berg singt“ wirklich „gegenseitiges Verständnis, Anerkennung, Toleranz und Respekt der Teilnehmer*innen“ förderte oder eher die völkische Normalisierung voran trieb, bleibt auf der Internetseite der „Partnerschaften für Demokratie“ offen. Dass die „Volksliedertafel“ eine aktive Rolle im rechten Kulturkampf einnimmt, wurde 2021 deutlich, als der Verein einen Antrag zum Wiederaufbau des Bismarck-Denkmals auf dem Czorneboh im Stadtwald in den Bautzner Stadttrat einbrachte.
Volkstanzgruppe „DaDon“ – Melange aus Reichsbürgern, Anastasia und völkischen Nationalisten!
Eines der aktivisten Mitglieder der „Volksliedertafel Dresden“ ist Robert Strehle, der unter dem Pseudonym „DaDon von Hainsberg aus dem Stamm der Sachsen“ auftritt. Strehle ist dem völkischen Anastasia-Spektrum und dem Reichsbürger-Milieu zuzuordnen. So war er zwischenzeitlich die rechte Hand von Peter Fitzek, dem selbsternannten „König von Deutschland“. Strehle betrieb darüber hinaus die Internetseite „Sachsen-Vision“, eine Reichsbürgervereinigung, die 2014 die „Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Gebietskörperschaft Gemeinde Bärwalde“ auf „der Grundlage der Reichsgesetze von 1871“ erreichen wollte. Die Gründungserklärung der Gemeinde Bärwalde unterschrieb neben Strehle auch der Gründer des sogenannten „Deutschen Polizei Hilfswerkes“ (DPHW) Volker Schöne. Schöne wurde 2018 am Landgericht Dresden zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, nachdem er mit weiteren Personen 2012 einen Gerichtsvollzieher als Geisel genommen hatte. Zwischenzeitlich wurde gegen 19 Personen der Gruppe wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittelt.
Auch wenn auf der Internetseite „Sachsen-Vision“ mittlerweile keine neuen Aktivitäten zu verzeichnen sind, finden sich mehrere Verlinkungen zu Anastasia-Seiten. Robert Strehle selbst versuchte 2020 in der Anastasia-Telegramgruppe „Familienlandsitz und Siedlerforum“ Mitstreiter*innen für den Kauf eines kleinen Wohnhauses mit Grundstück zwischen Riesa und Döbeln zu werben. Darüber hinaus pflegt Strehle gute Kontakte zum völkischen Siedlungsprojekt „Schrödermühle“ in der Nähe von Freiberg und dem völkischen Anastasia-Hof „Weda Elysia“ im Harz, deren Mitglieder er bereits mehrfach besucht hat.
Die Mailadresse von „Sachsen-Vision“ wird von Strehle weiterhin genutzt, um für seine Volkstanzveranstaltungen zu werben. So lud er im Juni zu einem „gemeinsamen Volkstanztreffen mit Tanzanleitung für Anfänger“ ein. Die in der Nähe von Puschwitz (Landkreis Bautzen) durchgeführte Veranstaltung wurde gemeinsam mit Tina Stöhr organisiert, die im selben Ort den „Familienspielraum Bautzen“ betreibt. Die Anmeldung der Veranstaltung lief über den Mailkontakt des Familienspielraums, der als offizieller Partner der Allgemeinen Ortskrankenkasse Plus (AOK) auftritt. Auf der Internetseite von Stöhr werden neben familienpädagogischen Aktivitäten auch monatlich Volkstanzkurse angeboten.
Darüber hinaus ist die in Pirna geborene Stöhr Vorsitzende im Verein „Einfach Kinder Dresden e.V.“. Familienspielräume beziehen sich häufig auf reformpädagogische Ansätze wie Pikler oder Montessori. Bei Stöhr und Strehle jedoch sind deutliche Überschneidungen in die völkischen Anastasia-Kreise zu erkennen. So lud Tina Stöhr Ende April 2023 zum „Volkstanz für die Seele“ in das Siedlerprojekt von Robert Köhn in Grubditz (Landkreis Bautzen) ein. Der heute 42-jährige Köhn wandte sich bereits 2016 der Anastasia-Bewegung zu, nach seinem Bruch mit der Reichsbürgergruppe „Bundesstaat Sachsen“. Im Jahr zuvor hatte er bereits den „LebensRaum e.V.“ mitgegründet, in dem auch Robert Strehle Mitglied war. Der Verein mit Sitz in Freital hat zum Ziel, die „Keimzelle für die Heilung der Erde“ zu sein. 2017 lud die Gruppe zu einer Veranstaltung mit dem bekannten Anastasia-Anhänger, Reichsbürger und völkischen Antisemiten Frank Willy Ludwig ein.
Beworben werden Veranstaltungen, wie die auf dem Bauernhof von Robert Köhn, über vier Telegramkanäle, die allesamt von Robert Strehle betrieben werden:
In der Gruppe „Termine Dresden“ werden vor allem Veranstaltungshinweise geteilt: von Yoga-Angeboten über Heilpilzwanderungen bis zu Vorträgen des „Indigenen Volkes der Germaniten“. Die Reichsbürger-Vereinigung fiel in den letzten Monaten immer wieder durch Veranstaltungen in Sachsen auf. Unter anderem hielt die Gruppe um den Dresdner „Missionsleiter“ Bernd Thomas Scherkl einen Vortrag im Feriendorf Langebrück, das von Nicos Chawales betrieben wird. In seinem persönlichen Telegramkanal, „DaDons gute Idee“, nimmt Strehle mehrfach Bezug auf die Thesen der Gruppe. Dass Strehle sich selbst als „vom Stamme der Sachsen“ bezeichnet, lässt den Schluss zu, dass er der Gruppe der „Indigenen Germaniten“ nahe steht.
Während sich diese beiden Kanäle vor allem auf Terminankündigungen und esoterische Kalendersprüche beschränken, wird in der seit November 2022 existierenden Gruppe „Thing“ offene antisemitische und nationalsozialistische Propaganda betrieben. So wünscht Strehle in der Gruppe dem „Volksbarden und guten Kameraden Frank Rennicke“ alles Gute zum „58. Wiegenfest“ und das bekannte „Volksliedertafel“-Mitglied Friedemann Schulz postet holocaustleugnende Beiträge über „angebliche KZ-Nummern“, die nur „Geburtsdatum und Datum waren, wann registriert für Schadensersatzbezahlungen“ (Fehler im Original) sowie Inhalte der „Artgemeinschaft“, einer in den 1950er Jahren gegründeten völkisch-antisemitischen Gruppierung. Deren Leiter Jens Bauer nahm den verurteilten NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben nach dessen Haftentlassung bei sich zu Hause auf. Auch weitere langjährige Neonazis, wie das ehemalige Dresdner NPD-Mitglied Martin Seitler tummeln sich in der Telegramgruppe.
Dass Strehle eine offen nationalsozialistische Ideologie vertritt, zeigt sich auf einem von ihm betriebenen Blog, auf dem er Seminare zum Thema „Fasten“ und „Entgiften“ anbietet. Einen Vortrag zum Entgiften hielt Strehle 2020 auch im Rahmen der „Volkskraftwochen“ von Nikolai Nerling. Im Impressum der Internetseite wird der „Vital-Verein zur Volksfürsorge“ und Dr. Walter Rüfenacht als verantwortlich ausgewiesen. Der Verein sitzt in Santo Domingo, Hauptstadt der Dominikanischen Republik, wo Rüfenacht ein Hotel betreibt. Dass der Verein seinen Sitz nicht in Deutschland hat, verwundert bei der inhaltlichen Ausrichtung wenig. So zitiert Strehle in einem Beitrag unter anderem aus dem Buch „Adolf Hitler – Sein Kampf gegen die Minusseele“ von Friedrich Lenz. Das antisemitische Machwerk von dem unter dem Pseudonym Asebach auftretenden Lenz wurde 1953 in Argentinien publiziert und ist bis heute in der Bundesrepublik verboten.
Über den vierten Kanal mit dem Namen „Volkstanzliebe Dresden“ organisieren Strehle und seine Mitstreiter*innen die Volkstänze im Raum Dresden. Bisher fanden mehrere Veranstaltungen im „Atelier Seifenblase“ in Dresden-Plauen statt, welches aber aufgrund einer Kündigung im Frühjahr 2023 nach Freital umziehen musste. Die Aktivitäten der Tanzgruppe dürften bei der Betreiberin der Seifenwerkstatt, Sabine Tara-Schunk, nicht auf Widerstand gestoßen sein. War Tara-Schunk bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie unauffällig, zeigt sich auf ihrem Facebookprofil eine deutliche Radikalisierung mit Beginn der ersten Impfkampagne. Mittlerweile ist sie fest im germanisch-esoterischen Milieu verhaftet. So können auf ihrer Webpräsenz germanische Runen-Seifen erworben werden, die sie produziert, um „meine Ahnen zu ehren und um ein Stück ihrer Geschichten und Weisheiten auf meinem Weg mitzunehmen“. In den Tanzreigen unter Seifenduft reihte sich u.a. Ulrike Karla Böhlke ein. Die 37-Jährige trat 2022 für die „Freien Sachsen“ zur Bürgermeisterwahl in Dohna an und konnte dabei 30 % der Stimmen erlangen. Für die rechtsradikale Partei ist Böhlke nun regelmäßig auf Veranstaltungen unterwegs. Ob mit NPD-Mitglied Stefan Hartung, IB-Chef Martin Sellner oder Jürgen Elsässer – Ulrike Böhlke zeigt sich gerne öffentlich mit rechten Persönlichkeiten. Für Jürgen Elsässers „Compact Magazin“ hilft sie hin und wieder als Moderatorin aus, wenn sie nicht gerade in Dresden-Sporbitz gegen Flüchtlingsunterkünfte demonstrieren muss.
Neben Personen aus dem Anastasia-Spektrum, wie der Vorsitzenden des Vereins „Lórien Hain e.V.“, Yvonne Kleine, ist auch Nina Eymann Teil der Telegramkanäle „Volkstanzliebe Dresden“ und „Termine Dresden“. Eymann entstammt einer völkischen Familie und betreibt einen Instagram-Account auf dem sie Einblick in ihr Familienleben gibt. Ihr Mann, der Dachdecker Rick Mittenzwei, ließ sich 2004 für das „Nationale Bündnis Dresden“ zur Wahl für den Ortsbeirat Pieschen aufstellen und ist Teil der „Burschenschaft Salamandria“. In Oderwitz (Kreis Görlitz) organisierte Mittenzwei mehrere Jahre Sonnenwendfeiern, an denen bis zu 120 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Volkstänze fehlten dabei nicht: 2021 beteiligte sich daran auch Friedemann Schulz.
Auch über Dresden hinaus ist Robert Strehle mit seinen Volkstänzen aktiv. So lud er bereits mehrmals zu „Deutschen Kultur- und Brauchtumstagen“ incl. „Thingkreisen“ ein, unter anderem in die Nähe von Magdeburg und nach Magdala in Thüringen. Dort knüpft er Kontakte zur überregionalen völkischen Szene. An einem Treffen in Magdala nahmen u.a. Jens Beutel und seine Frau Sarah Voigt teil. Beutel besitzt im sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreis einen Hof, den er gemeinsam mit Ivo Haltenorth unterhält. Beutel bewegt sich im Umfeld der „Artgemeinschaft“. Ebenfalls in Magdala anwesend war ein weiteres aktives Mitglied der „Volksliedertafel“ und des Tanzkreises um Robert Strehle, das auf Telegram unter dem Pseudonym „Leni Riefen“ wenig Hehl aus ihrer Gesinnung macht. Riefen war sowohl beim Auftritt von Björn Höcke in Grimma Mai 2022 dabei als auch bei der Veranstaltung des Volkslehrers am 7. Juli 2020 in Berlin.
„Studenten stehen auf“: Völkische Studenten, Esoteriker und Dark Metal
Zahlreiche Mitglieder der Telegramgruppen von Robert Strehle finden sich auch in der Gruppe „Tanz, Bewegung und Sport in Dresden“. Der seit Frühjahr 2021 existierende Channel ist aus der Gruppe „Studenten stehen Auf“ (Stauf) Dresden hervorgegangen und war vor allem als Verabredungskanal für „coronafreie“ Freizeitaktivitäten gedacht. So findet sich dort eine Mischung aus sportlichen Terminen wie Frisbee spielen im Großen Garten, esoterischen Veranstaltungen und Einladungen zu Volkstänzen. Beiträge mit politischen Inhalten werden zumeist mit Verweis auf die Telegram-Diskussionsgruppe der „Studenten stehen Auf“ gelöscht.
Aus dieser Telegramgruppe hat sich eine kontinuierlich treffende Tanzgruppe entwickelt. Fanden die Treffen zunächst im Freien statt, versuchte man sich im April 2023 im Johannstädter Kulturtreff einzumieten. Verantwortlich zeigen sich die aus Annaberg-Buchholz stammenden Brüder Sebastian und Aron Melzer. Beide sind seit längerer Zeit Teil der Dresdner Stauf-Gruppe. Während Sebastian Melzer politisch wenig in Erscheinung tritt – bis auf seine Aktivität bei Stauf, der Organisation der Volkstanzgruppe und einzelnen Ankündigungen für Demonstrationen – tritt sein Bruder deutlich offener auf.
Aron Melzer ist der NS-Black-Metal-Szene zuzuordnen, zumindestens wurde er im Umfeld der erzgebirgischen Szene sozialisiert, wie personelle Überschneidungen auf seinen Social-Media-Kanälen nahe legen. Das Erzgebirge und speziell Melzers Herkunftsregion um Annaberg-Buchholz hat eine bis in die 90er Jahre zurück reichende NS-Black-Metal Tradition. Neben einer Vielzahl von Bands existiert in der Region die „Schwarzmetall Bruderschaft Erzgebirge“. Die tritt nach dem Vorbild von Motoradclubs als kleine, elitäre Gemeinschaft auf und gehört zur völkischen Black-Metal-Bruderschaft „Germanitas Othala“, die zu Sonnenwendfeiern heidnisch-germanische Rituale abhält. Jährlich organsiert die „Schwarzmetall Bruderschaft Erzgebirge“ das Festival „Schwarzmetall über’m Miriquidi“, bei dem vor rund 600 Zuschauer*innen bekannte NS-Black-Metal-Bands auftreten. Als „Dark Aron“ folgt Melzer auf Instagram Nazigruppen wie der „Freien Sächsischen Jugend“, NS-Black-Metal-Labels wie „Hammerbund“ oder aber auch der IB-Aktivistin Reinhild Boßdorf und ihrer neuen Gruppe „Lukreta“. Das sind keine zufälligen Ausrutscher, wie sich an seinen Likes nachvollziehen lässt, die er bei Bands mit einschlägigen Titeln wie „Blitzkrieg“ oder „Stahlfaust – deutscher Schwur“ setzt. Dem „deutschen Schwur“ versucht Aron in der Realität durch seine Aktivitäten bei „Stauf“ und für die „Volksliedertafel Dresden“ gerecht zu werden. Gemeinsam mit „Andi Hoffnung“ stellte er 2022 ein Liederbuch für neue Mitglieder zusammen. Einladungen für Veranstaltungen von „Andi Hoffnung“ in der Sächsischen Schweiz teilt er auch im Telegramkanal der Tanzgruppe der „Stauf“.
Als am 9. Oktober 2021 die „Studenten stehen auf“ zu einer Demonstration in Dresden zusammenkamen, wurde diese von bundesweit angereisten burschenschaftlichen und völkischen Akteur*innen angeführt, die dann zur Zwischenkundgebung auf dem Neumarkt zur Musik einer Band vor der Bühne tanzten.
Überregionale völkische Tanzaktivitäten in Dresden
Was am 9. Oktober 2021 in Dresden noch improvisiert geschah, wurde im folgenden Jahr institutionalisiert. Beim sogenannten „Tanzfilmvorhaben“ trafen sich im Sommer 2022 der überwiegende Teil des Personenkreises erneut und studierten den Volkstanz „Schwarzerdner“ ein. Der Instagram-Account und ein veröffentlichtes Video des Tanzes zeugen vom gestiegenen Selbstbewusstsein des völkischen Milieus, das sich nicht mehr auf seinen Höfen und Camps versteckt, sondern in der Öffentlichkeit präsentiert.
Am „Tanzfilmvorhaben“ beteiligte sich Almuth Schröder. Die Dresdner Lehramtsstudentin hielt bereits bei der Stauf-Demonstration in Dresden eine Rede und verlas die Forderungen der Gruppierung. Almuth ist die älteste Tochter von Frank und Irmhild Schröder, die ein völkisches Siedlungsprojekt in Niedersachsen betreiben. Almuth wohnt in Dresden in einer WG mit Hellrun Kaiser, die ebenfalls einer völkischen Familie entstammt und bei der Kundgebung des „Volkslehrers“ im März 2019 in Dresden zusammen mit Fabian Rösner (Werra Elbflorenz) getanzt hat. Die junge Schröder ist auch eine zentrale Person des „Sturmvogel“, der 2019 auf dem Grundstück des Volksliedertafel-Mitglieds Jürgen Matthes campierte. Arnhild Sawallisch begleitete den Tanzfilm musikalisch auf ihrer Geige. Die Familie Sawallisch bewegt sich ebenfalls im Umfeld des „Sturmvogels“. Sie gibt ihre musikalischen Fähigkeiten häufig bei Veranstaltungen des „Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.“ zum Besten. Der Verein existiert bereits seit den 1950er Jahren und vertritt eine antisemitische und religiös-völkische „Deutsche Gotterkenntnis“.
Sowohl an der Demonstration von Stauf, als auch am „Tanzfilmvorhaben“ war Friederike Jung beteiligt. Jung, die auch unter dem Namen „Stimme der Heimat“ auf Youtube Neonazilieder wie „Ewiges Deutschland“ von Frank Rennicke covert, trat öffentlich für das völkische Anastasia-Projekt „Weda Elysia“ auf, wo sie in einer Beziehung mit Julian Rokita lebte. Auch er ist Teil der Telegramgruppe „Volkstanzliebe Dresden“ und Anhänger der Anastasia-Ideologie. Gemeinsam mit Friederike Jung tanzte er zur großen Anti-Corona-Demo am 29. August 2020 in Berlin zu den Akkordeonklängen von „Andi Hoffnung“.
Dass die Beziehungen des völkischen Milieus bis weit in die AfD hineinreichen, zeigt sich besonders an der Personalie Lars Steinke, der im Video des „Tanzfilmvorhabens“ auftritt. Steinke schrieb bereits 2014 für das neurechte Magazin „Blaue Narzisse“ von Felix Menzel über die „Leitgedanken einer neuen Partei“ zur Gründung der AfD. Zwei Jahre später beteiligte er sich trotz vielfältiger Kontakte zu Neonazigruppierungen, wie der „Arischen Bruderschaft“ von Thorsten Heise, an der Gründung des Landesverbandes der „Jungen Alternative Bremen“. Zwar wurde Steinke 2019 aus der AfD ausgeschlossen, bis heute hält er jedoch seine Kontakte in die Partei aufrecht.
Organisator des „Tanzfilmvorhabens“ war der aus Freiberg stammende Nico Römmler. Römmler bewegt sich wie die anderen Akteur*innen im völkischen Milieu. Gemeinsam mit Friederike Jung besuchte er am 19. Januar 2020 die Volkslehrer-Kundgebung in Berlin und beteiligte sich dort an den Volkstänzen. Zum neonazistischen Trauermarsch am 13. Februar 2022 in Dresden war der 1996 in Freiberg geborene Römmler ebenso dabei, wie auch bei der Theateraufführung des völkischen „Sturmvogel“-Umfelds 2018 in Bischofswerda. Römmler bietet über das Tanzstudio „Dancesmile“ in Freiberg Tanzkurse an und kann eine Ausbildung zum ADTV-Tanzlehrer vorweisen. Teilweise führt er die Tanzkurse gemeinsam mit seiner Partnerin Caroline Scheiblich durch. Scheiblich selbst arbeitet als professionelle Tanzlehrerin in der „Tanzschule Fischer“ in Dresden, wo Nico Römmler als Freier Mitarbeiter ebenso Tanzkurse anbietet. Auch Caroline Scheiblich wirkte im Film als Tänzerin mit.
Mit dem „Tanzfilmvorhaben“ war geplant, mehrere Tänze aufzunehmen. Jedoch scheiterte der zweite Anlauf, der für Herbst 2022 in Dresden geplant war. Die angemietete Unterkunft zog ihre Zusage kurzfristig zurück. Anfang diesen Jahres gab Nico Römmler bekannt, die Aktivitäten vorerst ruhen zu lassen. Zeitgleich übernahm eine neue Gruppe die Organisation und lud zu einem erneuten Tanzfilmtreffen vom 14. bis 16. April 2023 nach Dresden ein.
Zwar ist die zweite Gruppe nicht ganz so eindeutig den völkischen Siedler*innen zuzuordnen, dennoch kam eine Mischung aus völkischen, esoterischen und Reichsbürger-Milieus in Dresden zusammen. Die Organisation übernahmen der in Freital wohnende Marcel Bernstedter und der in Magdeburg wohnende Sebastian Clemens.
Bernstedter war bereits Teilnehmer der Stauf-Demo in Dresden, die er gemeinsam mit Lars Steinke und Nico Römmler besuchte. Guten Kontakt hält der aus dem Umfeld der „Identitären Bewegung“ Berlin stammende Bernstedter zum JA-Ostbayern-Chef Luis Hill. Dieser ist ein Knotenpunkt zwischen der „Jungen Alternative“ und außerparlamentarischen rechten Gruppen. Gemeinsam mit dem ehemaligen IB-Kader Marion Müller und dem Dresdner Neonazi von „Ein Prozent“, Julian Monaco, besuchte er das Kriegsgebiet in der Ukraine. Ein Urlaubsfoto von Hill und Bernstedter in Riga wird stolz unter dem Hashtag #WhiteboySummer präsentiert. Wenig zurückhaltend gibt sich Bernstedter auch in der Telegramgruppe der „Studenten stehen auf“, wenn er in geschichtsrevisionistischem Duktus schreibt: „Ah verstehe böse waren nur die Nazis. Danke an die Besatzer für die Umerziehung das ich jetzt weiß wer böse ist und ich werde auch nichts hinterfragen was die Besatzer uns sagen 😜😉“
Weniger aus der völkischen Ecke kommt der zurzeit in Magdeburg lebende Sebastian Clemens. Auch wenn er sich als libertär bzw. voluntaristisch bezeichnet, ist Sebastian Clemens schon länger in rechten Kreisen unterwegs. So zeichnet er verantwortlich für die Magdeburger „Studenten stehen auf“-Gruppe. Mindestens seit 2014 gibt Clemens im Rahmen des „Instituts für psychosomatisches Coaching“ (IPC) entsprechende Kurse. Das IPC-Leipzig wurde von Peter Zimmerman, einem treuen Anhänger der „Neuen Germanischen Medizin“ (NGM), gegründet. Und auch Clemens bietet im Internet Beratungen nach den Konzepten der NGM an.
Die von Ryke Geerd Hamer erfundene NGM, die mittlerweile unter „Germanische Heilkunde“ firmiert, ist eine Glaubensrichtung, die davon ausgeht, dass Krankheiten durch innere Konflikte entstehen. Die Theorien Hamers zeichnen sich durch einen starken Antisemitismus und eine strikte Ablehnung der Schulmedizin aus. 2009 verstarb die vierjährige Tochter des völkischen Siedlerpaars Antje und Baldur Bachmann, nachdem diese ihr die Behandlung mit Insulin versagten. Beide waren Anhänger der NGM und besuchten einen NGM-Kreis bei Irmhild Schröder, der Mutter von Almuth Schöder. Bis heute haben die Bachmanns nicht mit ihrer völkischen Ideologie gebrochen. So tanzten auch sie am 19. Januar 2020 bei der bereits mehrfach erwähnten Kundgebung des Volkslehrers in Berlin.
Zu der Tanzfilmveranstaltung im April 2023 in Dresden fanden sich schließlich 18 Personen ein, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Nach einem Samstag mit Proben, wurde am Sonntag der Tanzfilm in der Dresdener Innenstadt und an den Elbwiesen gedreht. Die einzige Person, die sowohl beim ersten, noch von Nico Römmler organisierten Tanzfilm, als auch beim zweiten teilgenommen hat, ist „Siegrun“ aus dem Raum Dresden, die unter dem Namen „völkisches Mädel“ auf Instagram kaum ihre idelogie verschleiert. Siegrun tanzte im April 2023 gemeinsam mit Marcel Bernstedter und ist Teil der Telegramgruppen von Robert Strehle und der „Studenten stehen auf“. Darüber hinaus stellt sie sich auf dem Discord-Server der neurechten Wanderorganisation „Deutsche Wanderfalken“ vor. Ebenfalls in der Telegramgruppe der „Deutschen Wanderfalken“ ist Marvin Grewe, auch er beteiligte sich am „Tanzfilmvorhaben“.
Eine weitere Teilnehmerin war Helena Bandur. Sie ist die jüngste von vier Geschwistern, die ihre Mutter Barbara Thumm mit Clemens Bandur bekam. Zwei weitere Kinder der Großfamilie stammen aus der ersten Ehe von Barbara Thumm. Wie die Familie Thumm/Bandur 2003 in einem langen Artikel in der Jungen Freiheit erklärte, kaufte Clemens Bandur 1994 einen Bauernhof im sachsen-anhaltinischen Burgenland, wo Helena Bandur bis heute wohnt. Wie die spartanisch völkische Erziehung der Familie Bandur aussah, erklärt Mutter Barbara im Beitrag der Jungen Freiheit: „Zu Hause Naturkost, selbstgefertigte Kleider oder solche aus zweiter Hand, oft Kerzenlicht, kein Fernsehen und Radio, in der Schule Indoktrination und „Konsumterror“, klagt die Mutter. Befreundet ist Helena Bandur mit Friederike Jung, mit der sie gemeinsam auf dem Bauernhof in Sachsen-Anhalt Feuershows einstudiert.
Einen noch weiteren Weg nach Dresden hatte die aus Österreich stammende Johanna Klugsberger. Sie ist fest verankert im völkischen Anastasia-Milieu und hat bereits mehrere Veranstaltungen mit der nationalistischen Russlanddeutschen Wlada Ruggle zum Thema „altrussisches Brauchtum“ im Wiener Raum organisiert. Ruggle ist eine der umtriebigsten Anhängerinnen der antisemitischen Sekte in Deutschland und ist aktiv am Aufbau eines Familienlandsitzes in Görlitz beteiligt. Sie pflegt engen Kontakt zum bekannten Reichsbürger, Holocaustleugner und selbsternannten Druiden Burghard Bangert, mit dem sie bereits gemeinsam Veranstaltungen abgehalten hat. Auf den sozialen Medien von Klugsberger finden sich unzählige Bilder, die auf die „Anastasia-Bewegung“ verweisen.
Die Aufnahmen für den Tanzfilm wurden von Niclas Dreier, der in Freiburg lebt, produziert. Er ist offizieller Medienverantwortlicher für das „Königreich Deutschland“ von Peter Fitzek. Mit der Produktionsfirma „Lichtmagie“ dreht er Filme für das „Königreich Deutschland“, die sich um alternative Heilmethoden oder die Kontaktaufnahme mit Geistern drehen. Darüber hinaus betreibt der 20-Jährige ein 3D-Modellierungsstudio in Freiburg.