Am 13. September 2025 lud der extremrechte Jungeuropa Verlag erneut zu einem sogenannten „Verlagstreffen“ ein. Nachdem diese Treffen in den letzten Jahren außerhalb Sachsens stattfanden, wurde diesesmal einen Location im „Raum Dresden“ angekündigt. Letztendlich fand die Veranstaltung im kommunalen Ballsaal Coßmannsdorf in Freital statt, wo über einhundert Personen aus den unterschiedlichsten extrem rechten Strömungen Vorträgen und Diskussionen beiwohnten. Die Inhalte dürften dabei eher zweitrangig bleiben, im wesentlichen wurden mit Hydra Comics und Michael Schäfer, dem Oikos-Verlag von Jonas Schick, Volker Zierke und Benedikt Kaiser die immer gleichen selbstreferentiellen Stände, Themen und Referenten geboten. Relevanz hatte das Treffen des Jungeuropa Verlags vor allem als Schnittstelle zwischen Neonazis, Neuer Rechten und AfD. Zentrale Akteure aus den Bereichen waren in Coßmannsdorf anwesend und kamen miteinander ins Gespräch.
Der Jungeuropa Verlag arbeitet seit längerer Zeit als Bindeglied zwischen AfD und ihrem sogenannten „politischen Vorfeld“. Gemeint sind damit zumeist außerparlamentarische und metapolitisch arbeitende Gruppen, wie z.B. die „Identitäre Bewegung“ (IB) oder der Antaois-Verlag. Ziel ist es, die Partei dauerhaft im völkisch-nationalen Lager zu einzubinden. Insbesondere der Autor des Jungeuropa Verlages, der in Chemnitzer Neonazikameradschaften politisierte Benedikt Kaiser hat sich diesem Ziel verschrieben und diskutierte entsprechend beim Verlagstreffen zum Thema „Neujustierung von Partei & Vorfeld“. Kaiser debattierte dies laut Ankündigung zusammen mit Felix Menzel. Der aus Chemnitz stammende Menzel ist seit der Jugend politisch in rechten, burschenschaftlichen Kreisen in Chemnitz und Dresden aktiv. In der Landeshauptstadt betrieb er das „Zentrum für Jugend, Identität und Kultur“, bei dem auch Jungeuropa-Verlagschef Philip Stein als Praktikant tätig war. Seit 2020 ist Menzel als Pressereferent für die AfD-Landtagsfraktion Sachsen tätig und betreibt ein Weiterbildungsportal für AfD-Abgeordnete.
Bei solcher AfD-„Prominenz“ auf dem Podium, verwundert es wenig, dass sich auch unter den Besuchern des Verlagstreffen auffällig viele AfDler*innen tummelten. Diese kamen aus den gesamten Bundesgebiet angereist. Knapp ein Dutzend AfD-Landtags- und Bundestagsabgeordnete waren in Freital anwesend. Darunter die Landtagsabgeordnete Lena Kotré sowie ihr Partner der Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré. Mit Dominik Kaufner und Jean-Pascal Hohm waren zwei weitere Landtagsabgeordnete aus Brandenburg anwesend. Besonders Letzterer ist seit langem mit den Organisatoren der Veranstaltung verbunden. So absolvierte Hohm 2017, zu diesen Zeitpunkt teil der IB, ein Praktikum beim Dresdner Verein Ein Prozent, die ebenfalls von den führenden Köpfen des Jungeuropa Verlags, Philip Stein, Michael Schäfer und Julian Monaco, geleitet wird. Hohm wird als ein heißer Kandidat gehandelt für den Vorsitz der neu zu gründenden Parteijugend.
Mit Steven Helmuth (Mitarbeiter AfD-MdB Jens Kestner, Köthen), Felix Niedermeyer (Mitarbeiter AfD-MdL Brandenburg Dominik Kaufner), Lenard Scharpe (ehmaliger Landesvorstand JA-Sachsen, Stadtrat Bautzen), Andreas Fachinger (AfD-KV Koblenz), Matthias Keßel (AfD-KV Dahme-Spreewald), Jordan Hinnerk (JA-Altmarkt) und Patrick Fritsch (JA Berlin-Marzahn) waren weitere Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Jungen Alternative anwesend. Mit Marvin T. Neumann saß der geschasste Vorsitzende der JA und ehemalige Pressesprecher der AfD-Fraktion Brandenburg auf einem Podium, um über das Thema seines 2025 im Jungeuropa erschienen Buches „Amerikanismus. Die Ideologie der westlichen Moderne“ zu referieren.
Neben den völkischen Mitgliedern der Jungen Alternative waren in Freital auch mehrerer Mitglieder der „Identitären Bewegung“ (IB) vor Ort. Das Verlagstreffen bietet damit die Möglichkeit den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der IB zu umgehen und sich ungezwungen und vermeintlich unbeobachtet zu vernetzten. Unter Anderen reisten Carl von Waldstein (München), Maximilian Märkl (Augsburg), David Ratajczak (Chemitz/Sachsengarde), Leonhard Sternitzke (Leipzig/Sachsengarde), Linda Kraft (Chemnitz/Sachsengarde) und Phil Friedrich (IB-Schwarzenberg) nach Freital. Neben den Mitgliedern der IB, waren auch mindestens zwei Personen anwesend, die eine Schärpe (Burschenband in der Couleur der) der IB-nahen Burschenschaft „Salamandria Dresden“ trugen. Auch vor Ort: die rechte Influencerin Nina Hörig, die bereits bei einem Kongress des IB-Frauenprojektes Lukreta sprach.
Einen weiteren Weg hatten die anwesenden Neonazis Manuel Corchia und Florian Stimpfle von der Schweizer Gruppe „Junge Tat“. Diese agiert seit 2020 in der Schweiz und orientiert sich an der „Identitären Bewegung“ und Neonazikameradschaften. Man organisiert immer wieder Veranstaltungen, bei denen sowohl AfD-Mitglieder als auch Neonazis zusammen kommen. So lud die Junge Tat 2024 Lena Kotré ein und kurz darauf Schweizer Mitglieder von “Blood & Honour“, einem internationalen Neonazinetzwerk, dessen deutscher Ableger seit 2000 verboten ist.
Auch Vertreter des Kameradschaftsspektrums der 1990er/2000er-Jahre waren zahlreich in Freital. So zum Beispiel Sebastian Reiche aus Dresden, der seit den 1990’iger Jahren in Nazikreisen aktiv ist und immer wieder durch seine Gewaltbereitschaft auffällt. Mit Thomas Sattelberg war ein weiterer langjährig aktiver Neonazi unter den Besuchern des Verlagstreffens. Der aus Pirna stammende Sattelberg war Mitbegründer der 2001 verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), danach Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion und ist aktuell bei den Freien Sachsen (Die Heimat) aktiv. Bis heute hat Sattelberg Kontakt in die militante Nazi-Szene. So sitzt der Ehemann von Sattelbergs Tochter Hella Hättasch, Kurt Hättasch, aktuell wegen seiner Rolle bei den mutmaßlichen Rechtsterroristen Sächsische Seperatisten in Untersuchungshaft.
Ebenso aus dem Umfeld der alten NPD-Sachsen stammt Arne Schimmer, der ab 2009 für die NPD im sächsischen Landtag saß. Schimmer ist heute Chefredakteur der Deutschen Stimme/Aufgewacht. Einer Fusion aus der alten NPD-Zeitung und der Zeitung der Freien Sachsen. Von „Verleger zu Verleger“ fand Schimmer dann auch nur lobende Worte für die Veranstaltung in Freital.
Ein weiterer aus Pirna stammender Neonazi, der in Freital ein T-Shirt von Hydra Comic präsentierte, ist Tobias Lichy. Lichy war Mitglied der mittlerweile inaktiven Dresdner Nazikameradschaft Werra Elbflorenz. Seit 2018 ist Lichy regelmäßig beim Trauermarsch am 13. Februar in Dresden anzutreffen. Im vergangenen Jahr besuchte er gemeinsam mit dem NDS-Rapper Dominik Raupbach eine Demonstration der IB in Berlin. Seine Netzwerkarbeit reicht noch weiter: So dokumentierte der Blog „Österreich Rechtsaußen“ im vergangen Jahr die Verbindungen von Lichy zu der Wiener Nazigruppierung „Tanzbrigade Wien“, sondern europaweit vernetzt ist.
Von der mittlerweile verbotenen Neonazikameradschaft Aktionsblog Rostock bzw. Nationale Sozialisten Rostock war Guido Howald in Freital. Nach dem Verbot der Gruppe war Howald zuletzt bei einer Demonstration der „Nationalrevolutionären Jugend“, der Jugendorganisation des Dritten Wegs, in Berlin-Marzahn als Ordner aufgetreten.
Eher ungewöhnlich war der Besuch von Florian Melzer aus Demitz-Thumitz (Landkreis Bautzen), wo er und seine Frau sich sozialengagiert geben. Ein Nazi, um den es lange still war. Melzer war 2013 wegen Mitgliedschaft in einer kriminiellen Vereinigung angeklagt. Dabei handelte es sich um die Dresdner Hooligangruppierung „Faust des Ostens“. Acht Jahre später erhielt Melzer nur eine geringe Strafe. Der Kampfsport erprobte Melzer tauchte in diesem Jahr erstmals wieder beim Protest gegen den CSD in Bautzen auf, wo er gemeinsam mit dem langjährigen völkischen Neonazi Max Hempel unterwegs war.
Für den Jungeuropa Verlag war die Veranstaltung in Freital sicherlich ein Erfolg. Dass der einschlägig bekannte Verlag kommunal-verwaltete Räume nutzen konnte, ist ein Armutszeugnis für die städtischen und die sächsischen Behörden. Im Nachgang argumentierten die Betreiber, ihnen sei die Ausrichtung des Verlages nicht bekannt gewesen. Das ließe sich jedoch durch eine einfache Internet-Recherche beheben. Hier entsteht der Eindruck, dass bewusst weggeschaut wird. Gleichzeitig macht das Treffen deutlich, wie unbekümmert die Szene derzeit agiert: Neonazis aller Coloeur gaben sich mit AfD-Bundestags- und Landtagsabgeordneten die Klinke in die Hand. Wenn es Argumente für die Prüfung eines AfD-Verbots braucht: In Freital waren einige mehr zu finden.


















