Nazis vor dem Dresdner Rathaus

Der Artikel ist entstanden in solidarisch-antifaschistischer Zusammenarbeit mit S.A.R.G. Dresden.

Zum fünften Mal 2001 fand am 13. August in Dresdens Innenstadt ein rechtsextremistischer Aufzug statt. Das Ansinnen der Jung- und Altnazis kann im Nachhinein nur als diffuses Irgendwas zum Datum des Berliner Mauerbaus gesehen werden. Die Nazis konnten, wie schon so oft, Dresdens öffentliche Plätze für sich nutzen. Der vorab angekündigte Widerstand des offiziellen Dresden hielt sich in sehr deutlichen Grenzen.

„Nazis sind dumm und haben kleine Schniedel!“ So flatterte widerständlerisch ein PDS-Plakat weit vor offiziellem Beginn des Naziaufzugs über dem Veranstaltungsort. Nach aufgeregtem Protest des gerichtsnotorisch bekannten NPD-Chefordners ANDREE KUHN, diesmal ohne Ordnerbinde, entfernten polizeiliche Einsatzkräfte folgsam den inhaltlich machtvollen Schriftzug.

Der neugewählte Dresdner Oberbürgermeister ROßBERG (FDP) postulierte vorab „Zeichen setzen gegen Rechts“. Die Stadt hatte, warum wohl?, halbmast geflaggt und knapp unterm roten Rathausdach wiegte sich kämpferisch ein Büschel roter Geranien. Aus den Fenstern der SPD-Fraktion hing „Bunt statt Braun“, „Nazis raus aus Dresden“ sowie „Gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit“. Aus der Grünen-Fraktion flatterte „Die Toten mahnen uns: 56.000.000 Tote des Faschismus“ und politisch inhaltsschwer „Mauern und 3. Reich, im Geiste gleich“.

Die in großer Zahl anwesenden Polizeikräfte sprachen bei Annäherung an den Nazi-Veranstaltungsort gegen auch nur vage so anzusehende GegendemonstrantInnen unvermittelt und völlig unbegründete Platzverweise „auf 200 Meter Entfernung“ oder „außer Sichtweite“ aus. Nach Protesten und dem Auftreten einiger Stadträte und Gewerkschaftler lockerte sich diese überzogene polizeiliche Vorgehensweise. Der einzig anwesende Bürgermeister bei den bürgerlichen GegendemonstrantInnen war der grüne Dezernent GABER.

Einigen Glatzen wurde der Zutritt zum Kundgebungsort verwehrt, weil sie Springerstiefel trugen. So verschob sich der Beginn des Auflaufs, weil der Veranstalter um Zeitaufschub beim Ordnungsamt nachsuchte. Aber dann: Nach Polizeiangaben zu Beginn „exakt 22“ Neonazis scharten sich hinter zwei NPD-Fahnen und dem Transparent „roßberg: die mauertoten hat es nie gegeben“. Im angetretenen Sammelsurium waren Vertreter des NATIONALEN WIDERSTAND PIRNA sowie der regional umtriebige SVEN HAGENDORF anwesend. KUHN war ständig in emsiger Anti-Antifa-Mission unterwegs und fotografierte mehr schlecht als recht jeden und alles, was ihm vor die Linse kam.

Die hernach über eine halbe Stunde dauernde Nazi-Litanei wurde durch lautstarke Musik aus Grünen- und SPD-Fraktion nahezu unverständlich. „Wenn wir erst hier im Rathaus sitzen und Roßberg steht davor, dann …“ „Noch sind wir nur wenige, aber …“ „Der Deutsche muss sich schon im eigenen Land verstecken …“ Mittlerweile hatten sich deutlich über 120 GegendemonstrantInnen vor und hinter dem Faschistenhäuflein versammelt. Die Polizeikräfte reagierten auf jede noch so kleine Regung und riegelten vor allem den weitaus größeren Antifa-Block hinter den Nazis räumlich ab. Die Grünen verstanden es, ihre im Rathaus anwesende Bundestagsabgeordnete HERMENAU und ihren Landesvorsitzenden GERSTENBERG so zu tarnen, dass tätliche Polizei-Übergriffe gegenüber aktiven Antifas um die Beschlagnahmung eines Fotoapparates durch couragierte Menschen vor Ort mit dem Polizeipräsidenten geklärt werden mussten. Die versammelte „Zivilgesellschaft“ von KommunalpolitikerInnen wollte offensichtlich nicht mit Antifas in irgendeine Verbindung gebracht werden und behinderte auch deren Redebeitrag über Megaphon. Zum Abschluss versuchte der Nazi-Haufen eine „Gedenkminute an alle Opfer der Mauer“.

Während des Abzugs bekam der eine und andere Fascho immer unruhigere Augen und hatte seine eigene Begegnung mit herumfliegendem älteren Obst und aktiven Antifas. Glatzen suchten Zuflucht in den Räumen der Sparkasse, andere probierten als Schlupfwinkel ein Schuhgeschäft aus. HAGENDORF zog hinter dem Karstadt eine Pistole aus dem Hosenbund und bedrohte mit der seinem Ruf nach „Neun Millimeter“ drei junge Antifas.

Das Dresdner Rathaus und die bürgerliche Politik haben Flagge gezeigt, eine kleine weißbunte Flagge mit braunen Sprengseln. So sehen in dieser Stadt couragierte „Zivilgesellschaft“ und plakativ angekündigtes „Zeichen setzen gegen Rechts“ aus. Hoffentlich geht es wenigstens den roten Geranien gut.