13. Februar: Geschichtsrevisionisten uneins

Erneut gab sich eine Vielzahl rechter Akteuere anlässlich des 13. Februars die Klinke in Dresden in die Hand. Das Ergebnis: Eine Vielzahl von geschichtsrevisionistischen und neonazistischen Veranstaltungen und Demonstrationen mit mal mehreren hundert, mal kaum einer Handvoll Teilnehmender. Die AfD hat sich vollends in diesem Treiben etabliert, der Müller-Trauermarsch mobilisierte trotz Wochenendtermin allenfalls genausoviele Nazis wie im Vorjahr.

13. Februar: Lückenfüller AfD

Am Abend des 13. Februar veranstaltete die AfD eine Kundgebung auf dem Altmarkt. 300 Teilnehmer, und damit etwas weniger als im Vorjahr, folgten der Einladung. Darunter waren AfDler, Jungalternative, Anti-Antifa, Pegidia-Fussvolk, Identitäre – und auch langjährig Bekannte aus der lokalen Naziszene. Möglicherweise zur Staffelstabübergabe? Seit 1998 prangerten die lokalen Nazis Jahr für Jahr die Bombardierung als vermeintlichen „Völkermord am deutschen Volk“ an oder trugen „Bombenholocaust“-Transparente durch Dresden. Konnten sie damals bereits an die in der Bevölkerung weit verbreiteten Bombardierungsmythen anknüpfen, finden sie sich heute inhaltlich bei der AfD wieder – oder die AfD bei ihnen. Höcke, bereits 2010 als Schreihals auf dem Dresdner Trauermarsch aufgefallen, bezeichnete in seiner Rede am 17. Januar 2017 im Ballhaus Watzke die Bombardierung als „Kriegsverbrechen“ und „vergleichbar mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki“. Den Alliierten unterstellte er: „Man wollte uns mit Stumpf und Stiel vernichten, man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der dann ab 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das auch fast geschafft. Deutsche Opfer gab es nicht mehr, sondern es gab nur noch deutsche Täter.“ Ganz ähnliche Formulierungen finden sich zum Beispiel 2008 beim „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“: Dresden sei „wie die Zerstörung zahlloser anderer deutscher Städte, das Produkt eines aus wirtschaftspolitischen Motivationen geführten Krieges gegen unser Volk“ und die Bombardierungen ein „alliiertes Massenvernichtungsunternehmen“ gewesen.

Die Reden von André Wendt (AfD-MdL aus Dresden), Siegbert Droese (AfD-MdB aus Leipzig) und Dr. Reinhard Günzel (AfD-Kreisvorsitzender aus Dresden) auf dem Altmarkt blieben da vergleichsweise moderat. Mit den bekannten und auch längst widerlegten Mythen rund um die Bombardierung boten die AfD-Redner die traditionelle Dresdner Sicht auf die Geschichte. Dresden sei „kurz vor Ende des Krieges“ von einer „völlig sinnlosen“ Bombardierung getroffen worden, der nur „Frauen, Kinder, Alte, Gebrechliche und Flüchtlinge“ zum Opfer fielen. Außerdem seien Phosphorbomben gefallen, die Toten ungezählt. Es sei „systematischer Bombenterror“ gewesen, erklärte Wendt, „ja, es war ein Kriegsverbrechen“, erklärt der Landtagsabgeordnete und Berufssoldat unter Applaus des Publikums. Mit „Pfui, pfui“ quittierte es Oberbürgermeister Hilberts Satz „Dresden war keine unschuldige Stadt“, um dann mit „Hilbert muss weg“-Rufen Wendts Forderung nach dessen Rücktritt zu begleiten. Im Nachgang beschwerte sich dann die städtische AfD-Fraktion in einer Pressemitteilung über die „politische Instrumentalisierung des 13. Februar“, die ein „stilles, würdiges Gedenken“ verhindere. ((siehe http://www.afd-fraktion-dresden.de/start/articles/pressemitteilung-23-02-2018-1901.html [eingesehen am 01.03.2018]))

Installation mit Schriftzug: „Kein Denkmal für die Deutschen Opfer, aber für fremde Sozialschmarotzer“ (Quelle: Endstation Rechts)

Bereits seit 2015 triftt sich die AfD am Denkmal auf dem Altmarkt, um ein „würdiges Denkmal“ im Speziellen und ein „würdiges Gedenken“ im Allgemeinen zu fordern – wie es schon NPD und das „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ in den Jahren zuvor getan haben. Beitrag der AfD in diesem Jahr: Eine bemerkenswerte Installation aus kreuzförmig aufgestellten Kerzen, Kränzen und einem Grabstein, auf dem zu lesen war: „Kein Denkmal für die Deutschen Opfer, aber für fremde Sozialschmarotzer“. Die Kernkompetenzen der AfD in a nutshell: Rassismus, Chauvinismus und Geschichtsrevisionismus. Wo die Macher dieser Hetze Denkmäler für die von ihnen so verachtend bezeichneten „fremde Sozialschmarotzer“ ausgemacht haben, blieb offen.

Noch vor Beginn der Veranstaltung kam es zu Übergriffen einiger Teilnehmer*innen der AfD-Kundgebung auf Gegendemonstrant*innen. Diese hatten es geschafft, den Platz der AfD-Versammlung kurzzeitig zu besetzen. Unter den Augen der Polizei zerrte und schubste der AfD-Mob, darunter sehr aktiv Siegfried Däbritz und MdL André Wendt, die Protestierenden, um sie aus der Kundgebung zu drängen. Ein AfD-Kundgebungsteilnehmer griff kurzerhand zum Pfefferspray. Die unübersichtliche Situation nutzten u.a. Sebastian Reiche, Ronny Thomas, Rüdiger Ebbers und Patrick Möbius, um Fotografen und Gegendemonstrant*innen zu attackieren. Die Dresdner Schlägernazis waren teilweise mit Quarzsandhandschuhen ausgestattet. Nach der kurzen Auseinandersetzung und nachdem die Polizei die Protestierenden an den Rand des Platzes gedrängt hatte, konnte die AfD ihre Kundgebung wie geplant durchführen. Doch die lautstarken Proteste der ca. 500 Gegendemonstrant*innen erwiesen sich als wirkungsvoller Stimmungskiller.

10. Februar: Maik Müllers Trauermarsch

Der sogenannte Trauermarsch fand in diesem Jahr am 10. Februar in Dresden-Reick statt. Die Mobilsierung lief vor allem über interne Kanäle, erst einen Tag vor der Demonstration (und einen Tag nach der Antifa) veröffentlichte Maik Müller den Treffpunkt am Bahnhof Dresden-Reick. Das „Rätselraten“, wie es Müller auf Facebook bezeichnete, zeigte Wirkung beim eigenen Klientel: Nur 550 Nazis fanden den Weg in den Dresdner Osten.

Quelle: Presseservice Rathenow

„Vergesst uns nicht“ war auf dem Fronttransparent zu lesen, das auf der Oskar-Röder-Straße entrollt wurde. Der Losung schwingt angesichts des Bedeutungsverlusts von Trauermarsch und Dresdner Naziszene ein leicht verzweifelter Beiklang mit. Verstärkt wurde der durch den gewählten Treffpunkt: Die Nazis sammelten sich vor ihrer ehemaligen Veranstaltungslocation, die sie 2010 räumen mussten. Zur Zeit reicht es nur noch für kleinere Räume in der Reisstraße 40.

Kurz vor 16 Uhr zog der Tross los: Über die Oskar-Röder-Straße, Winterbergstraße zur Rennplatzstraße, wo eine Sitzblockade Platz genommen hatte, jedoch von der Polizei bis zur Passierbarkeit geräumt wurde. Unter Richard-Wagner-Beschallung ging es die Bodenbacherstraße entlang zur Zwinglistraße und dann in die Karcherallee zum Basteiplatz. Die Performance war die Gewohnte. Vorneweg die Radebeulerin Petra Müller mit Trauerkranz, dahinter das Fronttransparent, welches von sächsischen JN-AktivistInnen getragen wurde, u.a. Stefan Trautmann aus Döbeln.

Vor der Palucca-Hochschule für Tanz wurde die Abschlusskundgebung durchgeführt. Die Schule wurde 1925 von Gret Palucca gegründet, die jedoch im Nationalsozialismus weder unterrichten noch tanzen durfte, denn sie war Jüdin. Ausgerechnet hier platzierten sich die mehreren hundert Nazis in Halbkreisformation mit Fackeln, um den Reden von Udo Voigt, Thorsten Heise (beide NPD) sowie Roland Wuttke (ehemaliger Vorsitzender der NPD Oberbayern) zu lauschen. Außerdem sprachen ein Franzose, ein Tscheche und ein Spanier zu den Teilnehmenden. Der Lautsprecherwagen kam wie immer mit Enrico Marx aus dem Mansfelder Land. Den größten Anteil unter den Teilnehmenden stellte vor allem die regionale Naziszenen: Dresden, Pirna, Freital, Bautzen, Döbeln, Borna, Chemnitz und Leipzig. Weitere Teilnehmende stammen aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg. Nicht gefehlt hat auch der unvermeidliche Dieter Riefling aus Niedersachsen, gehört er doch schon zum Gedenkmarsch-Inventar. Insgesamt lässt sich aber eine anhaltende Trauermarsch-Müdigkeit konstatieren.

Anmelder war wie üblich Maik Müller. Mittlerweile sitzt der ehemals „Freie Kamerad“ und zwischenzeitlich zur JN gewechselte Müller für die NPD im Ortsbeirat in Dresden-Prohlis. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass in diesem Jahr das auffällige zur Schau stellen von Parteisymbolen auf Transparenten kein Problem mehr zu sein schien – noch vor Jahren galt so etwas als parteipolitische Vereinnahmung und damit als Unding im „wahrhaftigen“ Gedenken. Mittlerweile prägen vor allem taktische Erwägungen den Aufmarsch, offenbar ist die Furcht vor Blockaden und Protesten groß. Hinsichtlich des Datums und des Orts macht man bereitwillig Abstriche. Seit 2004 trug die Naziszene regelrechte Grabenkämpfe um den richtigen Termin für das „würdige Gedenken“ aus, was dazu führte, dass bis 2011 Jahr für Jahr zwei „Trauermärsche“ – von JLO und NPD einerseits und „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ andererseits – stattfanden. Seit 2014 ist es nun Maik Müller, ehemals AgV, selbst, der vom eigentlichen Datum für den „Gedenkmarsch“ abrückte. „Es geht uns als Aktionsbündnis nicht um möglichst große Teilnehmerzahlen an einem dem eigentlichen Datum völlig entrückten Termin“ machte er noch 2006 im Gespräch mit der Zeitschrift „Hier & Jetzt“ deutlich. ((vgl. hierzu ART: Dresden ruft. Wie einer der größten europäischen Naziaufmärsche entsteht. In: Autor_innenkollektiv Dissonanz: Gedenken abschaffen, Berlin 2013, S. 141-154.)) Zehn Jahre später stellte das AgV seine Arbeit ein. Seit 2017 sind es JN-Strukturen, mit denen sich Maik Müller der Organisation des sogenannten Dresden-Gedenkens annimmt.

Im Anschluss an die Demonstration begab sich ein Teil der Teilnehmenden nach Pirna ins „Haus Montag“. Hier fand noch eine abendliche Veranstaltung mit NPD-Veteran Günter Deckert statt.

Bemerkenswert: Der jahrelange Mitorganisator der Trauermärsche Ronny Thomas zog in diesem Jahr die Junge Alternative-Demonstration in der Innenstadt dem Trauermarsch vor. Dort hatten sich etwa 300 Personen, vor allem alte Männer jenseits der 50, einem Aufruf der Jugendorganisation der AfD angeschlossen, um unter dem Motto „Offene Grenzen sind tödlich“ rassistisch pöbelnd durch das Dresdner Zentrum zu ziehen.

17. Februar: Holocaustleugner und Reichsbürger auf Dresden-Ausflug

Den Abschluss der Woche voller Naziveranstaltungen übernahm der verurteilte Holocaust-Leugner Gerhard Ittner. Er versammelte in den Nachmittagsstunden des 17. Februar etwa 300 Anhänger*innen aus dem gesamten Bundesgebiet auf dem Postplatz. Im Gegensatz zu anderen rechten Demonstrationen setzte die Polizei den Auflagenkatalog penibel durch. Schon der Start der Versammlung verzögerte sich um eine knappe Stunde, da Fahnenstangen die vorgegebene Länge überschritten und gekürzt werden mussten. Aufgrund eines laufenden Ermittlungsverfahrens wurde Ittner das Rederecht per Auflage entzogen. Stattdessen sprachen „Volkslehrer“ Nikolai Nerling und Michèle Renouf. Die britische Antisemitin leugnete in ihrer Rede die Shoa, woraufhin die Polizei ihre Personalien wegen des Verdachts der Volksverhetzung aufnahm. Gleiches galt für einen Redebeitrag eines Manns, der als „Vitali Killer“ vorgestellt wurde.

Die Polizei gab nach Prüfung der Redebeiträge bekannt, dass die Demonstration aufzulösen sei. Dem kam der Anmelder nach, das Publikum quittierte es mit „Schande, Schande“-Sprechchören. Ittner nutzte die Chance und ergriff anschließend das Wort, schließlich gelte sein Redeverbot nur für die Dauer der Versammlung. Er kündigte für die Zeit „nach dem Untergang der BRD“, die „den Weg der DDR“ gehen werde und ein „verbrecherisches Regime“ sei, die Verfolgung der heute eingesetzten Polizeibeamten an. Beim folgenden Versuch eine Spontandemonstration zu initiieren wurde Ittner von der Polizei angehalten und kassierte eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Seine Anhänger*innen begaben sich daraufhin, angeführt von Nerlin, zur gegenüberliegenden Seite des Postplatzes und zogen, entgegen der polizeilichen Anweisungen über die Sophienstraße in Richtung Frauenkirche. Auf dem Taschenberg wurden die 81 Personen dann schließlich von der Polizei festgesetzt und deren Identitäten festgestellt.

Eine für den Abend angekündigte Veranstaltung mit Nikolai Nerling im A&O-Hostel in der Nähe des Hauptbahnhofes fiel ebenfalls ins Wasser. Nachdem der Ort öffentlich bekannt wurde, kündigte das Hostel kurzer Hand die Anmietung und setzte die angereisten Reichsbürger vor die Tür.

Aktionswoche beerdigt & Heidefriedhof: Veranstaltung für Geschichtsrevisionisten

Auf eine Aktionswoche wie in den Vorjahren verzichteten die Nazis. Schon im letzten Jahr hatte sich abgezeichnet, dass die Organisation der JN über den Kopf gestiegen ist. Was bleibt, sind ein paar Kranzabwürfe, um die entsprechenden Facebookseiten mit Fotos versehen zu können. Der schnelle Überblick:

  • 11. Februar: Die Junge Alternative veranstaltet einen Vortrag mit dem Hobbyhistoriker und Geschichtenerzähler Gert Bürgel im Kim-Hotel in Dresden-Gompitz. Bürgel, glühender Verfechter der Tieffliegerlegende, referierte über Bestattungen auf dem Heidefriedhof 1945.
  • 11. Februar: ein Dutzend Nazis von NPD und JN werfen auf den Tolkewitzer Johannisfriedhof Kränze ab
  • 12. Februar: Informationsstand am Dr.-Külz-Ring vor der Altmarktgalerie
  • Nacht zum 13. Februar: Aus Pappe ausgeschnittene Fliegerbomben mit Aufschriften wie „Hamburg 1945“ (sic!), „Magdeburg“, „Phosphor“ oder „Bombenlüge“ werden in der Stadt verteilt und recht zügig von der Polizei eingesammelt.
  • 13. Februar: Fotoshoot mit Fackeln vor dem fragwürdigen Obelisken in Dresden-Nickern

Dem städtischen „dezentralen Gedenken“ am Morgen des 13. Februars schlossen sich wieder zahlreiche (bzw. überwiegend) Geschichtsrevisionist*innen an. Nach wie vor ist dafür vor allem der Heidefriedhof zentraler Anlaufpunkt, über die Hälfte der etwa 80 Anwesenden entfallen auf NPD und JN, Burschenschaften, sowie AfD und JA. Nur wenige Minuten vor der offiziellen Veranstaltung legte die AfD ihre Kränze ab. Darunter waren André Barth, Karin Wilke und Sebastian Wippel für die AfD-Landtagsfraktion, Sören Oltersdorf und André Ufer für die Junge Alternative Dresden und Ingo Friedmann für den AfD Kreisverband Meißen. Zusammen mit der AfD waren Burschenschaftler der Arminia zu Leipzig und der Salamandria anwesend. Die NPD beteiligte sich mit etwa 20 Nazis an der Gedenkveranstaltung und legte ihre Kränze nach der Ansprache ab. Darunter waren der JN-Aktivist Nico Koal, Jens Baur (NPD-Landesvorsitzender) und die immer gleichen älteren NPD-Gesichter.

Auf dem Alten Annenfriedhof kam eine offizielle Vertretung der Stadt und des Freistaat zusammen, darunter OB Dirk Hilbert, der Präsident des Sächsischen Landtages Matthias Rößler (CDU) und Jens Maier (AfD). Weitere Veranstaltungen fanden in der Sporengasse vor einem ehemaligen „Judenhaus“ und dem Matthäusfriedhof an der Bremer Straße statt.