»buchhaus loschwitz« in Dresden

Dresdner Annäherungen

Erstveröffentlichung im Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 188 – Januar / Februar 2021

Die »edition buchhaus loschwitz« verlegt seit 2020 Bücher in einer Reihe unter dem symbolträchtigen Titel »EXIL«. In der Beschreibung heißt es: »Die Buchreihe EXIL versteht sich als Kunst der Zuflucht ebenso wie als Zuflucht der Kunst, die sich einem Klima zunehmender politischer Anfeindung ausgesetzt sieht.« Erschienen sind hier bislang die vermeintlich ausgegrenzten Autor*innen Uwe Tellkamp, Jörg Bernig und Monika Maron. Im Herbst folgten Angela Wierig, Eva Rex und Bernd Wagner.

Dieser Selbststilisierung als politisch Verfolgte, denen allein der Weg des Exils bliebe, widersprach der in Dresden geborene und in Berlin lebende Schriftsteller Ingo Schulze Anfang November in der Sächsischen Zeitung unter dem Titel »Dresdner Distanzierungen«. In seinem Text legt er das Muster aus Begriffsvereinnahmung und Provokation offen, um »wieder ein Stück »Normalisierung« im Umgang mit jenen (zu) schaffen, die völkisches Denken nicht nur propagieren, sondern auch darangehen, es politisch-praktisch umzusetzen.« In den Feuilletondebatten der letzten Monate um »Cancel Culture« ist Schulze eine der Stimmen, die die Zusammenarbeit zwischen »BuchHaus Loschwitz« und »Verlag Antaios« als das benennt, was sie ist: »der Versuch, diese völkische Rechte kulturell salonfähig zu machen. Man rollt ihr den roten Teppich aus. Nicht mehr und nicht weniger.« Es war nicht die erste öffentliche Kritik am eingeschlagenen Weg des Buchhauses und seiner Protagonistin. Bereits im November 2018 formulierten Paul Kaiser und Hans-Peter Lühr im Elbhangkurier ihr »großes Unbehagen« angesichts Dagens »offener Solidarisierung mit dem rechten Spektrum der Gesellschaft«. Auch sie beziehen sich auf »Aufgeblättert. Zugeschlagen – Mit Rechten lesen«, jene Literatursendung bei YouTube, in der Susanne Dagen und Ellen Kositza seit 2018 mit einem geladenen Gast, vorzugsweise aus der »Neuen Rechten« und der »Alternative für Deutschland« (AfD), aktuelle Bücher besprechen. Mit diesem Gemeinschaftsprojekt des »BuchHauses Loschwitz« und des Schnellrodaer »Verlag Antaios« entschied Dagen sich für ihre politische Heimat.

»Die biografische Zäsur kam mit PEGIDA«

Susanne Dagens Entwicklung zur politischen Protagonistin der »Neuen Rechten« in Dresden ist vergleichsweise frisch und inzwischen symptomatisch für die Stadt an der Elbe. »Die biografische Zäsur kam mit PEGIDA«, lässt sie sich im Streitgespräch mit Schulze in der Sächsischen Zeitung zitieren. Und sie ist bei weitem nicht die Einzige – ob in Politik oder Kultur, in Wissenschaft oder Privatem. Das Aufkommen der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (PEDIGA) hat Debatten, die Stadtgesellschaft und biografische Entwicklungen nachhaltig verändert. Es war ein Scheidepunkt, der in der ab 2015 folgenden Diskussion um die Aufnahme Geflüchteter die politischen Wege in grundsätzlich verschiedene Richtungen leitete.

Ein zentrales Moment dieser Entwicklung war von Beginn an auch die Frage nach der Meinungsfreiheit. Und von Beginn an verwechselten die Versteher*innen und Verteidiger*innen der Rassismus und Menschenverachtung propagierenden Dresdner Aufläufe die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit mit gesellschaftlicher Widerspruchsfreiheit. Sie imaginierten gar ein vermeintlich links-grün-liberales Politik- und Medien-Kartell. Vieler derer, die sich in den letzten fünf Jahren entsprechend positionierten, finden sich in der Liste der verlegten Autor*innen und eingeladenen Diskussionsgäste des Buchhauses in Loschwitz: von der ehemaligen Grünen Antje Hermenau über den Ex-Professor für Politikwissenschaften Werner Patzelt bis zum Schriftsteller Uwe Tellkamp.
Seit 2016 veranstaltet Susanne Dagen die Reihe »ZeitenBuch. Seitenweise Politik«, in der »kritische« Publizisten zu Wort kommen – also all jene, die sich sowohl in ihren Argumentationen als auch in der Wahl der Orte ihrer Auftritte und Veröffentlichungen zunehmend der »Neuen Rechten« zugewendet haben: Michael Beleites, der im IfS referierte und inzwischen für »Sezession«, »Tumult« und »Die Kehre« schreibt. Antje Hermenau, die ehemalige Grüne Landtagsabgeordnete, die sich durch ihre Gesprächsbereitschaft mit der AfD hervortat und 2019 mit ihrer Streitschrift »Ansichten aus der Mitte Europas. Wie Sachsen die Welt sehen« ihre in Teilen durchaus als rassistisch zu bezeichnenden migrations- und sozialpolitischen Positionen vorlegte, garniert mit einer großen Portion Sachsen-Identitätspflege. Auch die »Identitären«-Aktivistin Caroline Sommerfeld-Lethen stellte ihr im »Verlag Antaios« erschienenes Buch »Wir erziehen« vor.

Buch über das “Institut für Staatspolitik” und die Faschist*innen des 21. Jahrhunderts erschien 2020 und ist im Buchhandel erhältlich.
Buch über das “Institut für Staatspolitik” und die Faschist*innen des 21. Jahrhunderts erschien 2020 und ist im Buchhandel erhältlich.

Auf der Liste derer, die in den letzten 15 Jahren im »KulturHaus« gelesen und diskutiert haben finden sich Publizist*innen, Herausgeber*innen und Akteur*innen aus dem neu-rechten Milieu. Doch bei weitem nicht nur. Sie spiegelt einerseits die Verankerung und Bedeutung des »BuchHauses« in der Dresdner Literatur- und Intellektuellenszene wider, andererseits aber auch die zunehmende Entwicklung nach rechts seit 2015. Denn die Dichte der klar zu verortenden Gäste hat vor allem in den letzten fünf Jahre deutlich zugenommen.

Dünkel und Habitus als Antrieb

Erster Höhepunkt dieses eingeschlagenen Weges war die »Charta 2017« – ein Begriff der bewusst den Bezug zum Protest von Bürgerrechtler*innen in der Tschechoslowakei herstellt. Mit dem offenen Brief stellten sich die Initiator*innen, neben Susanne Dagen und Michael Bormann auch Uwe Tellkamp oder Vera Lengsfeld, demonstrativ vor den »Verlag Antaios«. In Reaktion auf die Ereignisse auf der Frankfurter Buchmesse 2017 sprachen die Initiator*innen von »unter dem Begriff der Toleranz (gelebter) Intoleranz« und warnten davor, »wie zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt« werde. Im vom Börsenverein im Vorfeld der Buchmesse verschickten Newsletter »Zum Umgang mit rechten Verlagen« entdeckten sie einen »Gesinnungskorridor« und mahnten, dass «unsere Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt« wäre.

Dass es vor allem auch ehemalige DDR-Bürgerrechtler*innen sind, die sich in der Rolle der Kämpfer*innen für Meinungsfreiheit gefallen, ist dabei kein Zufall. Wie ein roter Faden ziehen sich der Widerstandshabitus, die Opferstilisierung und die DDR-Vergleiche durch die Verlautbarungen des sich in Loschwitz zusammengefundenen Kreises. Gepaart mit einem bildungsbürgerlichen Dünkel, der dem Selbstbild des Elbhangs so eigen ist und den Uwe Tellkamp in tausend Seiten seines Romans »Der Turm« goss.

»Ich bin nicht berühmt, ich bin berüchtigt«, stellt Dagen im Interview mit der Sächsischen Zeitung fest. »Ich habe mich aus der Wärme der Gruppe entfernt. Das ist eine Erfahrung, für die ich dankbar bin, die ich aber nicht jedem empfehlen möchte.« Dabei befindet sie sich trotz aller Selbststilisierung als Opfer der »Gesinnungsdiktatur« inmitten der Wärme eines konservativen Umfelds, das keineswegs eine Minderheit im traditionsbewussten Elbflorenz darstellt – in einer Stadt, in der der Diebstahl von Kronjuwelen einem »Anschlag auf die kulturelle Identität der Sachsen« gleichkommt. Und dieses konservative Bürgertum handelt seine Grenzen aus.
Susanne Dagen hat diese Grenze mehrfach überschritten. 2019 vollzog sie den Schritt zur Politikerin, wie sie selbst im Interview mit Deutschlandfunk kundtat, und trat zur Dresdner Stadtratswahl für die »Freien Wähler« an – in ihrem Wahlkreis gemeinsam mit PEGIDA-Mitbegründer Rene Jahn. Als »Traumpaar« gaben sie dem Magazin »COMPACT« ein Interview und lächelten von Wahlplakaten am rechts-elbigen Hang. Um für die »Freien Wähler« antreten zu können, gab Dagen ihren Sitz im Kuratorium der AfD-nahen »Desiderius-Erasmus-Stiftung e. V.«, den sie seit 2018 innehatte, wieder ab. Seither sitzt sie zusammen mit Jens Genschmar, Frank Hannig (s. derrechterand Nr. 185) und Torsten Nitzsche im Dresdner Stadtrat und bildet die Fraktion der »Freien Wähler«. Dass sie nicht für die AfD kandidierte, lag weniger an inhaltlichen Gegensätzen. Es ist ihr Selbstbild als verbindendes Scharnier. Sie wolle mit den »Freien Wählern« »das bürgerliche Lager stärken und eine Brücke bauen zwischen CDU und AfD«.

Sowohl in ihrer politischen wie auch kulturellen Arbeit will sie »die Dinge aus der Grauzone holen«. Und genau das ist das Problem. Sie breitet die Arme für Rassismus, Antisemitismus sowie völkische Politik aus und propagiert diese Positionen inzwischen selbst – niemals ohne den Verweis auf ihr unermüdliches Ankämpfen gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Dabei sind sie es selbst, die jeden Gedanken von Pluralität, Gleichheit und Liberalität verabscheuen.