Messerangriff bei FreeTekk Party: Täter hat klare Bezüge in die Naziszene

Florian Rosenkranz hat zwei Menschen mit dem Messer lebensbedrohlich verletzt. Seine Social Media-Accounts unterstreichen seine neonazistische Gesinnung, zudem war er mit Protagonist:innen der Dresdner rechten Szene verbunden. Dennoch verneint die ermittelnde Dresdner Staatsanwaltschaft ein politisches Tatmotiv.

In der Nacht vom 29. zum 30. August griff der 16-jährige Florian Rosenkranz auf einer Open-Air-Party in der Dresdener Heide zwei Personen mit einem Messer an. Dabei soll er ein Messer mit einer 18 Zentimeter langen Klinge genutzt haben. Die beiden Betroffenen wurden lebensbedrohlich verletzt und mussten notoperiert werden. Glücklicherweise überlebten beide den Angriff. Vor der Tat soll der Täter nach Angaben der Polizei einen Hitlergruß gezeigt, sowie eine Person rassistisch beleidigt haben. Zeug:innen berichten, dass er auch für die rechte Szene typische Kleidung getragen haben soll. Die Polizei ermittelt bisher wegen gefährlicher Körperverletzung und erklärt in der DNN: „Inwieweit eine rechtsextreme Haltung auch als Motiv für den Messerangriff eine Rolle spielt, ist jedoch offen. Dies müsste in den weiteren Ermittlungen geklärt werden.“ Die Staatsanwaltschaft will trotz offensichtlicher Anhaltspunkte keine Hinweise auf ein vorliegendes politisches Tatmotiv erkennen.

Screenshot des Instagram Profils von Florian Rosenkranz
Screenshot des Instagram Profils
Screenshot des Facebook Profils von Florian Rosenkranz
Screenshot des Facebook Profils

Doch nicht nur der Tatverlauf und das Auftreten des Täters sprechen für ein rechtes Tatmotiv. Die Auswertung seiner Social Media-Accounts zeigt: Florian Rosenkranz bewegt sich in eindeutig rechten Kreisen, teilt neonazistische Inhalte und zeigt eine hohe Affinität zu Gewalt. Und offenbar ist das Umfeld von Rosenkranz bemüht, genau diese Bezüge aus den Ermittlungen zu halten. So wurden, trotz verhängter Untersuchungshaft, bereits am Montag nach der Tat Social Media-Profile des Angreifers gelöscht. Zuvor gefertigte Screenshots des Facebook-Profils zeigen jedoch die Verstrickungenn von Rosenkranz in die neonazistische Szene.

Fast alle der rund 70 Personen in seiner Facebook-Freundesliste zeigen eindeutig neonazistische Inhalte. Auf den Profilen sind Bilder von Reichkriegsflaggen, SS-Soldaten oder Anti-Antifa Motive zu finden. Besonders auffällig ist, dass ein Großteil der Personen in der Liste nicht aus Dresden oder Umgebung kommen, sondern über das gesamte Bundesgebiet verstreut leben. Einige davon sind regelrecht rechte Influencer und betreiben Accounts mit mehreren tausend Followern, in denen sie regelmäßig neonazistische und gewaltverherrlichende Inhalte posten.

Facebook Freunde von Florian Rosenkranz (Auswahl)
Facebook Freunde (Auswahl)
Facebook Freunde von Florian Rosenkranz (Auswahl)
Facebook Freunde (Auswahl)

So findet sich beispielsweise Stefan Schumann auf der Liste. Er gehört nach eigenen Angaben zur „Kameradschaft Märkisch Oderland“ und besuchte regelmäßig die Nazi-Demonstrationen anlässlich des 13. Februars in Dresden. In Brandenburg trat Schumann hin und wieder als Redner bei rechten Veranstaltungen auf. Seinem Profil folgen über 2000 Menschen und stoßen dort u.a. auf zutiefst antisemitische Inhalte. Ein weiterer organisierter Neonazi, der sich in Rosenkranz Freundesliste findet, ist Christoph Thews. Er stammt aus Mecklenburg-Vorpommern, ist dem Umfeld des „Antikapitalistischen Kollektivs“ zuzurechnen und besuchte 2016 auch Demonstrationen der Identitären Bewegung in Berlin.

Facebook Freunde von Florian Rosenkranz (Auswahl)
Facebook Freunde (Auswahl)
Facebook Freunde von Florian Rosenkranz (Auswahl)
Facebook Freunde (Auswahl)

Es liegt nahe, dass sich Rosenkranz in dieser Facebook-Welt ideologisiert und radikalisiert hat. In dieser Welt verstärkten organisierte Neonazis, rechte Influencer, Reichsbürger und sonstige Propagandisten seine neonazistische Haltung. Gewaltverherrlichende Bilder und Sprüche forcierten die Bereitschaft Gewalt auch gegen politische Gegner*innen, oder die, die er als solche ausmacht, anzuwenden.

Facebook Freunde von Florian Rosenkranz (Auswahl)
Facebook Freunde (Auswahl)
Facebook Freunde von Florian Rosenkranz (Auswahl)
Facebook Freunde (Auswahl)

Die Gestaltung seines eigenen Facebookprofils zeigt deutlich Rosenkranzs neonazistische Einstellung. Vor einer schwarz-weiß-roten Flagge posieren zwei vermummte Personen – eine trägt eine Jacke der Marke Thor Steinar. Gerahmt wird das Bild mit der Aufschrift „Nationalist“. Noch deutlicher sind die Bezüge auf seinem Instagramprofil. Bereits der Username „Flo-Hass-im-Blut“ zeugt von der Gewaltaffinität des 16-Jährigen. Er beschreibt sich selbst als „Nationalist mit Stolz“ und greift das von Adolf Hitler formulierte NS-Ideal auf, wonach die deutsche Jugend „Flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“ sein solle. Auch der Nickname seines Tellonymprofils lässt wenig Raum für Interpretation: 88FLO88. Bekanntermaßen steht der Zahlencode 88 für „Heil Hitler“.

Florian Rosenkranz bewegte sich wohl auch in der analogen Welt in rechten Kreisen bzw. hatte mutmaßlich über seine Geschwister Kontakte ins gewaltbereite Neonazimilieu. Eine Person, die scheinbar im engeren Kontakt mit der Familie Rosenkranz steht, ist Marvin Claus. Er ist sowohl mit den zwei Brüdern, als auch mit der Schwester und der Mutter auf Facebook und Instagram befreundet. Marvin Claus bewegte sich bereits in jungen Jahren in neonazistischen Kreisen. 2012, im Alter von 16 Jahren, war er Teil einer Gruppe, die beim Public Viewing eines Fußballspiels der Deutschen Nationamannschaft durch rechte Parolen und Hitlergrüße auffiel. Mit dabei waren damals u.a. Tom Mischner und Maik Krautz, die drei Jahre später mit weiteren als „Freie Kameradschaft Dresden“ auftraten. Marvin Claus tauchte in den folgenden Jahren immer wieder im Umfeld dieser gewaltsuchenden Nazigruppierung auf und sammelte selbst eine Vielzahl von Verurteilungen wegen Gewaltdelikten. In den Freundeslisten der beiden älteren Brüder von Florian Rosenkranz finden sich weitere Personen aus dem Umfeld der „Freien Kameradschaft Dresden“. So war der 1997 geborene und in Gorbitz aufgewachsene D. Rosenkranz zum Stadtfest 2014 in einer Gruppe mit Tom Oegel und Dave Hesse unterwegs. Hesse bewegt sich aktuell im Umfeld der neuen Dresdner Kameradschaft „Werra Elbflorenz“  und stand bereits mit Marvin Claus vor Gericht.

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es diese brisante Mischung aus neonazistischer Social Media-Welt und Kontakten in die Dresdner Neonaziszene war, die die entscheidenden Impulse für den Angriff lieferte. Dies ist umso wahrscheinlicher, da der Täter in Verhältnissen groß geworden ist, die weder Stabilität noch ein ausreichendes Korrektiv bieten. So war der 16-Jährige zuletzt in einem Wohnheim in Dresden-Klotzsche untergebracht. Das Viertel im Dresdner Norden stand spätestens seit 2013 regelmäßig im Fokus neonazistischer Aktivitäten, was sich an der Präsenz entsprechender Sticker und Sprühereien ablesen lässt, aber auch an einer hohen Zahl rassistischer Mobilisierungen gegen die Einrichtung einer Asylunterkunft. Seit Ende vergangenen Jahres ist erneut ein Anstieg der Aktivitäten zu verzeichnen: Anfang September 2019 wurde das Brückenfundament am Nesselgrundweg mit einer Vielzahl rechter Parolen und Symbole besprüht. Wenige Monate später, im Dezember, griff eine Gruppe Neonazis eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Geflüchtete an.

Die Vielzahl an Verbindungen ins neonazistische Milieu macht eins deutlich: Die Aussage der Staatsanwaltschaft, es gäbe bei dem Messerangriff keine Hinweise auf ein politisches Motiv, ist schlichtweg falsch. Sie folgt dem bekannten Muster rechte Gewalt zu entpolitisieren und ignoriert Offensichtliches. Da der Täter aufgrund seines Alters unter das Jugendstrafrecht fällt, wird ein möglicher Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Umso mehr wird es auf engagierte Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik ankommen, eine vollständige Aufklärung der Tathintergründe einzufordern und durchzusetzen.