Rückblick auf den 13. Februar 2022
Wenig Mobilisierung im Vorfeld, dennoch rund 800 Teilnehmende in Dresden: Der Naziaufmarsch zum 13. Februar bleibt ein wiederkehrender Termin von Relevanz. Während andere Aufmärsche im Themenfeld NS-Verherrlichung in der Bedeutungslosigkeit versinken, funktioniert das geschichtsrevisionistische Dresden-Gedenken weiter als Ankerpunkt für die klassische NS-affine Szene von Kameradschaften und Burschenschaften.
Die Naziaufmarsch startete in diesem Jahr am Bahnhof Mitte, zog dann über die Friedrichstraße, Maxstraße, Ostra-Allee zum Postplatz und dann auf der Freiberger Straße über die Ammonstraße zurück zur Könneritzstraße. Es konnten ca. 800 Nazis mobilisiert werden, vor allem aus Dresden und Sachsen. Es gab Gegenprotest und einige kleinere Blockadeversuche. Insgesamt war der Ablauf von jahrerlanger Routine geprägt. Begünstigt wurde das auch durch ein imenses Polizeiaufgebot, das wirkungsvolle Proteste unterband.
Ein Murmeltier auf Abwegen
Wichtigste Neuerung: Hinsichtlich der Organisation des Aufmarschs scheint sich ein Führungswechsel vollzogen zu haben. So war in diesem Jahr Murmeltier Maik Müller nicht anwesend, weder als langjähriger Anmelder noch als Teilnehmer. Anmelder in diesem Jahr war Lutz Giesen aus Greifswald, ein ehemaliger Kader der Heimattreuen Deutschen Jugend, der mittlerweile in Leisnig wohnt. Lutz Giesen arbeitete von 2006 bis 2011 für die NPD im mecklenburgischen Landtag. Er tauchte in Dresden als Redner u.a. schon bei dem Aufmarsch der Freien Kräfte „gegen den antifaschistischen Konsens“ ím Juli 2002 auf und war seit 2019 feste Größe beim Trauermarsch am 13. Februar.
Die Umstrukturierung des Aufmarsches zeigte sich nicht nur an der Personalie Maik Müller. So wurde in diesem Jahr die Ordnerstruktur überwiegend von Nazis aus dem Umfeld der völkischen Siedler:innen aus Leisnig gestellt. Darunter waren etwa Christian Fischer und Michael Haack, die beide eng mit Giesens Siedlerprojekt verbandelt sind und bereits bei Veranstaltungen des Dritten Wegs auftraten. Teil der Ordnergruppe war wie schon in den Vorjahren der Döbelner NPD-Aktivist Stefan Trautmann. Hingegen keine Ordnerbinde abbekommen hat der Dresdner Felix Friebel. Der gewaltaffine Neonazi wies jedoch immer wieder Teilnehmer:innen auf die Einhaltung der Disziplin hin. Wie in den letzten Jahren auch, war der Betreiber des Musiklabels PC-Records, Yves Rahmel, für die Technik zuständig.
Eine Stunde Aufmarsch, eine Stunde Reden
Trotz prominenter organisatorischer Einbindung von Aktivisten aus dem III. Weg-Umfeld, war die Partei sowohl zahlenmäßig als auch bei der Inszenierung in diesem Jahr kaum präsent. Die führenden Köpfe fehlten. Auch Fahnen und Banner suchte man vergebens. Nach dem sich die Kundgebung im letzten Jahr, zu einem Schaulaufen der Parteien entwickelt hatte, trat die Parteizugehörigkeiten dieses Mal eher in den Hintergrund. Einzig die Abspaltung vom „III. Weg“, die Partei „Neue Stärke“, ließ es sich nicht nehmen diese Leerstelle zu besetzen. Sie musste dafür am hinteren Ende des Aufmarsches laufen.
So schnell der Aufzug begann, so schnell war er bereits wieder vorbei: Nach etwas mehr als einer Stunde standen die Nazis bereits wieder am Ausgangspunkt. Nochmal so lange dauerte das Redeprogramm. Neben Lutz Giesens Abschlussrede und dem Vortrag verschiedener Grußworte aus Finnland, Serbien, Frankreich und Tschechien durfte auch die alterschwache Edda Schmidt das Mikrofon ergreifen und nach ein paar Worten an Sven Skoda weitergeben. Nach Abspielen des Deutschlandliedes löste sich der Aufmarsch rasch auf und die Teilnehmenden begaben sich auf den Rückweg, darunter etwa Benjamin Moses, der seiner aus 25 Jungnazis bestehende Reisegruppe das Abreisekommando gab.
Naziangriffe im Umfeld
In der Innenstadt gab es anschließend kleinere Auseinandersetzung zwischen Antifas und Nazis auf Höhe des Kulturpalastes. Prominent daran beteiligt, war der bereits erwähnte Felix Friebel. Er war zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Rico Knobloch unterwegs, einem nach mehreren Jahren Haft wieder entlassenen Mitglied der Gruppe Freital. Involviert waren außerdem dessen Tochter und ihr Freund Ronny Huschmann. Die Gruppe tritt seit mehreren Wochen immer wieder im Umfeld der Pandemieleugner-Protesten auf.
Im Zuge einer Pandemieleugner-Demonstration in Dresden-Laubegast attackierten mehrere Neonazis Journalist*innen. Nur eine handvoll Polizist*innen waren vor Ort, so dass ein Angriff auf ein Journalist*innen-Team nicht verhindert werden konnte. Unter den Angreifern war Phillip Stier, der sich zuvor auch am Trauermarsch beteiligte und im Umfeld der Freien Kameradschaft Dresden verortet werden kann, sowie der der ehemalige NPD-Aktivist Max Schreiber (jetzt „Freie Sachsen“) aus Heidenau.
Gedenkaktionen vor und nach dem Aufmarsch
Am Morgen vor dem 13. Februar-Aufmarsch fand sich auf dem Heidefriedhof eine Mischung aus AfD, Neonazis und Burschenschaftlern ein, um Kränze niederzulegen. Darunter der AfDler Detlev Spangenberg, der ehemalige JN- und nun JA-Aktivist Sören Oltersdorf, die bereits wegen Holocoustleugung verurteilten Ines Partzsch und der Pegida- und AfD-Aktivist Jürgen Schönherr. Darüber hinaus legten die Burschenschaft Salamandria und die Burschenschaft Arminia Kränze nieder.
Die AfD-Landtagsfraktion legte ihre Kränze auf dem Nordfriedhof ab, wo auch die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt Dresden stattfand. Die Junge Alternative wiederum begab sich auf den Alten Annenfriedhof, wo sich auch die Kameradschaft Werra Elbflorenz einfand, sowie die Pennale Burschenschaft Saxonia Dresden. Insbesondere Werra Elbflorenz konnte mit knapp 30 Personen eine relativ hohe Anzahl an Teilnehmenden mobilisieren. Im Anschluss nahm man geschlossen am 13.Februar-Aufmarsch teil.
Am Abend um 21 Uhr organisierte die AfD eine Kundgebung auf dem Altmarkt. Die Resonanz war gering: Etwa 40 bis 50 Teilnehmer*innen verirrten sich auf den Platz. Darunter André Poggenburg (ex-AfD, ex-ADPM), den beiden Beschuldigten im Offlinevernetzung-Dresden Verfahren Jürgen Schönherr und Pierre Sebastian Albér, eine Abordnung der Jungen Alternative um Toni Gelbrich. Vor Ort auch das AfD-Landesvorstandsmitglied Daniel Zabel, der sich ab Juni 2022 vor dem Amtsgericht Dresden wegen Körperverletzung verantworten muss, sowie der ehemalige Vorsitzende der Jungen Alternative Matthias Scholz.
Am Rande der Veranstaltungen tummelten sich weitere Neonazis: Das ehemalige FKD-Mitglied Maik Krautz zusammen mit Felix Friebel, ein paar Vertreter der Blue-White-Crew, eine rechte Ultragruppe bei den Dresdner Eislöwnen. Nicht fehlen durften Katja Kaiser, Rico Knobloch und Jens Lorek.
Fazit
Trauermarsch wird mit dem Rückzug von Maik Müller nicht mehr maßgeblich von Dresdner Strukturen getragen, die Lücke wird von regionalen Neonazikadern gefüllt. Die Mobilisierungsfähigkeit bleibt im Vergleich zu ähnlich gelagerten Aufmärschen wie in Magdeburg höher, erreicht aber auch bei weitem nicht mehr die frühere Größe. Vor allem die überregionale Mobilisierung hierfür fehlt. Derzeit wirkt der Aufmarsch eher wie das Abspulen einer über die Jahre eingeübten Routine – ohne großen Elan und ohne größere Mobilisierungsarbeit. Doch auch wenn die Veranstaltungen rund um den 13. Februar kleiner ausfallen, als noch vor einigen Jahren, besitzt die geschichtsrevisionistische Lesart der Bombardierung Dresden weiterhin einen große Anziehungskraft für unterschiedlichste rechte Milieus. Insbesondere die Gedenkaktivitäten auf dem Heidefriedhof und die Abendveranstaltungen der AfD auf den Altmarkt dienen als Orte, wo diese unterschiedlichen Milieus aufeinander treffen und sich gegenseitig verstärken.