Am 9. Februar 2019, fand in Budapest die alljährliche Demonstration „Day of Honour“ („Tag der Ehre“) statt. Dabei gedenken alte und neue Nazis dem letzten Versuch der Waffen-SS aus der Belagerung Budapests durch die Rote Armee zu entkommen. Der Versuch scheiterte und die Einheiten kapitulierten am 13. Februar 1945. Dies hält die europäische Naziszene jedoch nicht davon ab die Opferbereitschaft der Waffen-SS und deren Verbrechen zu glorifizieren. An dem Marsch durch Budapest, den ungarische „Blood & Honour“-Strukturen organisieren, nahmen erneut zahlreiche deutsche Nazis teil – darunter einige aus Dresden und Umgebung.
Bereits am Vorabend soll die Dresdner Naziband „Blutzeugen“ im Rahmen eines Konzertes aufgetreten sein. Die seit 2011 existierende Band liegt bei OPOS Records, einem der wichtigsten Labels für NS Hatecore. Das Label ist heute in Lindenau (Brandenburg) ansässig, zuvor jedoch firmierte es bis 2016 in Dresden-Pieschen. Mitbetreiber Michael „Wüste“ Lorenz spielt in zahlreichen OPOS-Bandprojekten Bass, so auch bei Blutzeugen. Auf ihrem letzten Album, 2014 unter dem programmatischen Titel „Völkisch orthodox“ erschienen, findet sich das Stück „Budapest“, in dem die Ereignisse 44/45 besungen und heroisiert werden.
Abgeschlossen wird die Glorifizierung des Nationalsozialismus mit dem sogenannten Ausbruch60-Marsch, der seit zehn Jahren von der faschistischen “Aktionsgruppe Börzsöny” organisiert wird. Auch für einige Nazis aus Dresden und Umgebung ist diese Veranstaltung fest im persönlichen Veranstaltungskalender verankert und regelmäßiger Anlaufpunkt.
Ein sehr treuer Teilnehmer des Marsches ist der Dresdner Nazi Sven Hagendorf. Seit 2012 nimmt er fast ausnahmslos in jedem Jahr teil. Dabei trägt er eine Uniform der Waffen-SS und posierte auch schon mit Maschinengewehr oder Stielhandgranate. Hagendorf ist seit den 1990er Jahren in der Dresdner Naziszene aktiv, betrieb die Nazilocations „Klub Thor“ und „Klub 14“. Der 48-Jährige war aktiv bei der JLO, NPD und dem „Nationalen Bündnis Dresden“ und beteiligte sich an verschiedenen Angriffen sowie Veranstaltungsstörungen.
Ebenfalls seit 2012 ist das Gründungsmitglied der „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) Enzo Kleist dabei. Die SSS und Kleist terrorisierten jahrelang nicht-rechte Menschen und People of Color in der Sächsischen Schweiz. Sie wurde im April 2001 als kriminelle Vereinigung verboten, die meisten Kader blieben aber in der Naziszene aktiv. Kleist etwa beteiligte sich in den letzten Jahren immer wieder an verschiedenen Nazidemos in Sachsen, zuletzt bei der Pro Chemnitz-Demonstration am 27. August 2019.
Seit fünf Jahren nimmt Marco Eißler an den Märschen teil. Gemeinsam mit Hagendorf war Eißler an Störversuche bei Veranstaltungen über Nazis in Dresden beteiligt. 2012 wurde er wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt (Review #15). Er hatte 2008 einen Fotografen während einer Nazidemonstration angegriffen. 2009 überfiel er zusammen mit Christian Leister und anderen einen Mitarbeiter des Kulturbüros Sachsen. Seit mehreren Jahren wohnt und arbeitet Eißler in der Schweiz, ist jedoch regelmäßig in Dresden und pflegt nach wie vor Kontakte in die Naziszene.
Aus den Strukturen der ostsächsischen Jungen Nationaldemokraten (JN) waren in diesem Jahr Lucas Hartmann und Julian Menzel beim SS-Revival dabei. Beide sind als Kampfsportler mehrfach bei Turnieren angetreten, zuletzt beim „Kampf der Nibelungen“ im ostsächsischen Ostritz im November 2018. Beide pflegen internationale Kontakte, bspw. nach Italien zur Casa Pound und zu Nazis in Griechenland.
Seit mehreren Jahren ist auch der Pirnaer Nazi Paul Wollberg regelmäßiger Teilnehmer der Märsche. Wollberg beteiligte sich u.a. am Angriff in Connewitz im Januar 2016. Er betreibt in Pirna ein Tattoostudio.
Ihr Debüt in den Reihen des faschistischen Marschs hatten einige rechte Fans von Dynamo Dresden. So nahmen Ferenc Achtnichts, Thomas Kirsch und Felix Wille an dem Marsch teil. Achtnichts und Kirsch gehören zur „Army of Dresden West“ einer rechten Fangruppierung, die sich aus der Gruppe „Faust des Ostens“ herauskristallisierte. Alle drei waren, wie auch Wollberg, am 1. September 2017 an den rassistischen Ausschreitungen beim WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Tschechien in Prag beteiligt. Kirsch arbeitete im Spätsommer 2015 als Security an der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidenau. Konditionell ist die Gruppe allerdings nicht auf der Höhe: Weder Achtnichts, noch Kirsch konnten die 60km-Wanderung erfolgreich beenden. Sie blieben wie zahlreiche ihrer historischen Vorbilder auf der Strecke.
Aus Bautzen findet sich Felix Zieba unter den Ausbruch60-Teilnehmenden. Zieba gehört zum Umfeld der „SGD Supporters Bautzen“ und ist Mitglied des Bautzner Boxvereins SV Post Germania. Für den Verein boxte er am 18. November 2017 im Rahmen der Boxnacht. Eine Woche nach seiner Teilnahme in Budapest nahm Zieba am Nazitrauermarsch in Dresden teil.
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